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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Philosophie, da das Werden erst rückläufig wieder aus dem
Sein, in dem Gewordenen verstanden werden kann, aber die
Dogmen selbst dürfen nicht aus den Abstractionen indivi-
dueller Psychologie gesucht werden, sondern sind als die ob-
jectiv vorliegenden Producte der Völkergedanken (in so-
cialer Psychologie) entgegenzunehmen.

"Die Moral muss sich gründen auf thatsächliche, einfach
im menschlichen Geiste gegebene Vorstellungen" (bemerkt
Biedermann), und ehe also nicht dies Thatsächliche in der
ethnologischen Umschau über den Globus überall in abge-
schlossener Rundung specifischer Originalitäten für Einzeln-
heiten festgestellt ist, bleibt der Streit nutzlos über durch-
gehende Moralprincipien, da eine Erklärung, die ihren Gegen-
stand noch nicht klar sieht, nicht viel klären kann.

Ueberrascht von ihren eigenen Erfolgen, die nicht aus-
bleiben konnten, nachdem der richtige Weg der Forschung
einmal betreten war, überrascht davon und einigermassen be-
rauscht, hat die Induction, noch ehe auch die Psychologie
unter die Naturwissenschaften einführbar war, die enthu-
siastisch angelegten unter ihren Jüngern zu dem Versuche
fortgerissen, die klare Begrifflichkeit, die über die relativen
Verhältnisse gewonnen war, auch auf das Absolute zur An-
wendung zu bringen, und damit, in vermeintlich radicaler
Elimination des Wunders, die den Tiefen der Menschenseele
einwohnenden Ahnungen und Sehnungen allzu eilfertig über-
sehen. Das Wunder ist immer da, dicht um uns, in jedem
Athemzug, in jeder Fingerbewegung, wie an jenem frühsten
Schöpfungsmorgen des ersten Menschen, wenn wir solchen
setzen wollen, ja je weiter und überwältigender sich das All
für uns gestaltet, desto unbegreiflicher und wunderbarer ge-
staltet sich der Anblick. Schon die Dakota schlossen ihre
Weltanschauung ab, mit dem Wakan oder Unbegreiflichen*),

*) Mit Manitu bezeichneten die Indianer, was den Begriff überstieg und
seiner Ursächlichkeit nach nicht zu erkennen war (s. Lahontan). Whatever
they do not understand is the work of a Deota (s. Peal) bei den Naga (und
Bastian, Völkergedanke 6

Philosophie, da das Werden erst rückläufig wieder aus dem
Sein, in dem Gewordenen verstanden werden kann, aber die
Dogmen selbst dürfen nicht aus den Abstractionen indivi-
dueller Psychologie gesucht werden, sondern sind als die ob-
jectiv vorliegenden Producte der Völkergedanken (in so-
cialer Psychologie) entgegenzunehmen.

„Die Moral muss sich gründen auf thatsächliche, einfach
im menschlichen Geiste gegebene Vorstellungen“ (bemerkt
Biedermann), und ehe also nicht dies Thatsächliche in der
ethnologischen Umschau über den Globus überall in abge-
schlossener Rundung specifischer Originalitäten für Einzeln-
heiten festgestellt ist, bleibt der Streit nutzlos über durch-
gehende Moralprincipien, da eine Erklärung, die ihren Gegen-
stand noch nicht klar sieht, nicht viel klären kann.

Ueberrascht von ihren eigenen Erfolgen, die nicht aus-
bleiben konnten, nachdem der richtige Weg der Forschung
einmal betreten war, überrascht davon und einigermassen be-
rauscht, hat die Induction, noch ehe auch die Psychologie
unter die Naturwissenschaften einführbar war, die enthu-
siastisch angelegten unter ihren Jüngern zu dem Versuche
fortgerissen, die klare Begrifflichkeit, die über die relativen
Verhältnisse gewonnen war, auch auf das Absolute zur An-
wendung zu bringen, und damit, in vermeintlich radicaler
Elimination des Wunders, die den Tiefen der Menschenseele
einwohnenden Ahnungen und Sehnungen allzu eilfertig über-
sehen. Das Wunder ist immer da, dicht um uns, in jedem
Athemzug, in jeder Fingerbewegung, wie an jenem frühsten
Schöpfungsmorgen des ersten Menschen, wenn wir solchen
setzen wollen, ja je weiter und überwältigender sich das All
für uns gestaltet, desto unbegreiflicher und wunderbarer ge-
staltet sich der Anblick. Schon die Dakota schlossen ihre
Weltanschauung ab, mit dem Wakan oder Unbegreiflichen*),

*) Mit Manitu bezeichneten die Indianer, was den Begriff überstieg und
seiner Ursächlichkeit nach nicht zu erkennen war (s. Lahontan). Whatever
they do not understand is the work of a Deota (s. Peal) bei den Naga (und
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[81/0115] Philosophie, da das Werden erst rückläufig wieder aus dem Sein, in dem Gewordenen verstanden werden kann, aber die Dogmen selbst dürfen nicht aus den Abstractionen indivi- dueller Psychologie gesucht werden, sondern sind als die ob- jectiv vorliegenden Producte der Völkergedanken (in so- cialer Psychologie) entgegenzunehmen. „Die Moral muss sich gründen auf thatsächliche, einfach im menschlichen Geiste gegebene Vorstellungen“ (bemerkt Biedermann), und ehe also nicht dies Thatsächliche in der ethnologischen Umschau über den Globus überall in abge- schlossener Rundung specifischer Originalitäten für Einzeln- heiten festgestellt ist, bleibt der Streit nutzlos über durch- gehende Moralprincipien, da eine Erklärung, die ihren Gegen- stand noch nicht klar sieht, nicht viel klären kann. Ueberrascht von ihren eigenen Erfolgen, die nicht aus- bleiben konnten, nachdem der richtige Weg der Forschung einmal betreten war, überrascht davon und einigermassen be- rauscht, hat die Induction, noch ehe auch die Psychologie unter die Naturwissenschaften einführbar war, die enthu- siastisch angelegten unter ihren Jüngern zu dem Versuche fortgerissen, die klare Begrifflichkeit, die über die relativen Verhältnisse gewonnen war, auch auf das Absolute zur An- wendung zu bringen, und damit, in vermeintlich radicaler Elimination des Wunders, die den Tiefen der Menschenseele einwohnenden Ahnungen und Sehnungen allzu eilfertig über- sehen. Das Wunder ist immer da, dicht um uns, in jedem Athemzug, in jeder Fingerbewegung, wie an jenem frühsten Schöpfungsmorgen des ersten Menschen, wenn wir solchen setzen wollen, ja je weiter und überwältigender sich das All für uns gestaltet, desto unbegreiflicher und wunderbarer ge- staltet sich der Anblick. Schon die Dakota schlossen ihre Weltanschauung ab, mit dem Wakan oder Unbegreiflichen *), *) Mit Manitu bezeichneten die Indianer, was den Begriff überstieg und seiner Ursächlichkeit nach nicht zu erkennen war (s. Lahontan). Whatever they do not understand is the work of a Deota (s. Peal) bei den Naga (und Bastian, Völkergedanke 6

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/115>, abgerufen am 24.11.2024.