Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sittenlehre
Zweifel handle so, daß die Sicherheit des guten
Gewissens befördert werde. Rufe deine Vernunft
täglich zur Prüfung deiner Gesinnungen und
Thaten durch ihre Vergleichung mit dem göttli-
chen Gesetze, damit dein Gewissen nicht einschlafe
oder ersterbe. Diese Prüfung ist das heilsamste
und unentbehrlichste Gebet.

Schwöre nicht falsch, versichre nicht, daß
du dich für eine Verstellung, die du doch ausübst,
bey Gott für strafbar erkennest. Denn hierdurch
wird ein Denkmittel Gottes und seiner Eigenschaf-
ten entheiligt, und ein brauchbares Kennzeichen
der Aufrichtigkeit unter den Menschen vernichtet.
Halte eben deswegen dein beeidigtes Versprechen
auch in solchen Umständen, wo es erlaubt wäre,
einem blossen Versprechen zuwider zu handeln.
Ueberlege mit der größten Sorgfalt vorher, was
du beschwörest. Schwöre nicht ohne Noth; ge-
brauche der eidlichen Worte nicht ohne Wissen und
nicht aus blosser Gewohnheit, weder, wenn du
dich verstellst, noch wenn du die Wahrheit sagst.
Fluche niemanden, wünsche nicht, daß Gott
jemanden so und so strenge strafe, oder ihm dieses
oder jenes Unglück zusende. Denn dein Fluch ist
nicht nur vergeblich, sondern auch mißfällig und
lieblos.

§. 20.

Die Sittenlehre
Zweifel handle ſo, daß die Sicherheit des guten
Gewiſſens befoͤrdert werde. Rufe deine Vernunft
taͤglich zur Pruͤfung deiner Geſinnungen und
Thaten durch ihre Vergleichung mit dem goͤttli-
chen Geſetze, damit dein Gewiſſen nicht einſchlafe
oder erſterbe. Dieſe Pruͤfung iſt das heilſamſte
und unentbehrlichſte Gebet.

Schwöre nicht falſch, verſichre nicht, daß
du dich fuͤr eine Verſtellung, die du doch ausuͤbſt,
bey Gott fuͤr ſtrafbar erkenneſt. Denn hierdurch
wird ein Denkmittel Gottes und ſeiner Eigenſchaf-
ten entheiligt, und ein brauchbares Kennzeichen
der Aufrichtigkeit unter den Menſchen vernichtet.
Halte eben deswegen dein beeidigtes Verſprechen
auch in ſolchen Umſtaͤnden, wo es erlaubt waͤre,
einem bloſſen Verſprechen zuwider zu handeln.
Ueberlege mit der groͤßten Sorgfalt vorher, was
du beſchwoͤreſt. Schwoͤre nicht ohne Noth; ge-
brauche der eidlichen Worte nicht ohne Wiſſen und
nicht aus bloſſer Gewohnheit, weder, wenn du
dich verſtellſt, noch wenn du die Wahrheit ſagſt.
Fluche niemanden, wuͤnſche nicht, daß Gott
jemanden ſo und ſo ſtrenge ſtrafe, oder ihm dieſes
oder jenes Ungluͤck zuſende. Denn dein Fluch iſt
nicht nur vergeblich, ſondern auch mißfaͤllig und
lieblos.

§. 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Sittenlehre</hi></fw><lb/>
Zweifel handle &#x017F;o, daß die Sicherheit des guten<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens befo&#x0364;rdert werde. Rufe deine Vernunft<lb/>
ta&#x0364;glich zur Pru&#x0364;fung deiner Ge&#x017F;innungen und<lb/>
Thaten durch ihre Vergleichung mit dem go&#x0364;ttli-<lb/>
chen Ge&#x017F;etze, damit dein Gewi&#x017F;&#x017F;en nicht ein&#x017F;chlafe<lb/>
oder er&#x017F;terbe. Die&#x017F;e Pru&#x0364;fung i&#x017F;t das heil&#x017F;am&#x017F;te<lb/>
und unentbehrlich&#x017F;te Gebet.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Schwöre</hi> nicht fal&#x017F;ch, ver&#x017F;ichre nicht, daß<lb/>
du dich fu&#x0364;r eine Ver&#x017F;tellung, die du doch ausu&#x0364;b&#x017F;t,<lb/>
bey Gott fu&#x0364;r &#x017F;trafbar erkenne&#x017F;t. Denn hierdurch<lb/>
wird ein Denkmittel Gottes und &#x017F;einer Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten entheiligt, und ein brauchbares Kennzeichen<lb/>
der Aufrichtigkeit unter den Men&#x017F;chen vernichtet.<lb/>
Halte eben deswegen dein beeidigtes Ver&#x017F;prechen<lb/>
auch in &#x017F;olchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, wo es erlaubt wa&#x0364;re,<lb/>
einem blo&#x017F;&#x017F;en Ver&#x017F;prechen zuwider zu handeln.<lb/>
Ueberlege mit der gro&#x0364;ßten Sorgfalt vorher, was<lb/>
du be&#x017F;chwo&#x0364;re&#x017F;t. Schwo&#x0364;re nicht ohne Noth; ge-<lb/>
brauche der eidlichen Worte nicht ohne Wi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
nicht aus blo&#x017F;&#x017F;er Gewohnheit, weder, wenn du<lb/>
dich ver&#x017F;tell&#x017F;t, noch wenn du die Wahrheit &#x017F;ag&#x017F;t.<lb/><hi rendition="#fr">Fluche niemanden,</hi> wu&#x0364;n&#x017F;che nicht, daß Gott<lb/>
jemanden &#x017F;o und &#x017F;o &#x017F;trenge &#x017F;trafe, oder ihm die&#x017F;es<lb/>
oder jenes Unglu&#x0364;ck zu&#x017F;ende. Denn dein Fluch i&#x017F;t<lb/>
nicht nur vergeblich, &#x017F;ondern auch mißfa&#x0364;llig und<lb/>
lieblos.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 20.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0054] Die Sittenlehre Zweifel handle ſo, daß die Sicherheit des guten Gewiſſens befoͤrdert werde. Rufe deine Vernunft taͤglich zur Pruͤfung deiner Geſinnungen und Thaten durch ihre Vergleichung mit dem goͤttli- chen Geſetze, damit dein Gewiſſen nicht einſchlafe oder erſterbe. Dieſe Pruͤfung iſt das heilſamſte und unentbehrlichſte Gebet. Schwöre nicht falſch, verſichre nicht, daß du dich fuͤr eine Verſtellung, die du doch ausuͤbſt, bey Gott fuͤr ſtrafbar erkenneſt. Denn hierdurch wird ein Denkmittel Gottes und ſeiner Eigenſchaf- ten entheiligt, und ein brauchbares Kennzeichen der Aufrichtigkeit unter den Menſchen vernichtet. Halte eben deswegen dein beeidigtes Verſprechen auch in ſolchen Umſtaͤnden, wo es erlaubt waͤre, einem bloſſen Verſprechen zuwider zu handeln. Ueberlege mit der groͤßten Sorgfalt vorher, was du beſchwoͤreſt. Schwoͤre nicht ohne Noth; ge- brauche der eidlichen Worte nicht ohne Wiſſen und nicht aus bloſſer Gewohnheit, weder, wenn du dich verſtellſt, noch wenn du die Wahrheit ſagſt. Fluche niemanden, wuͤnſche nicht, daß Gott jemanden ſo und ſo ſtrenge ſtrafe, oder ihm dieſes oder jenes Ungluͤck zuſende. Denn dein Fluch iſt nicht nur vergeblich, ſondern auch mißfaͤllig und lieblos. §. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/54
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/54>, abgerufen am 22.11.2024.