Sechstens, es ist also der Glaube an die Un- sterblichkeit der Seelen so wahrscheinlich, und so wünschenswürdig, und vor allen wahren Einwendun- gen so sicher, daß wir schon während einiges Zwei- fels vollkommen so handeln müssen, als wenn die Sache gewiß wäre. Also müssen wir die Ueberzeugung davon wünschen, und so viel als möglich, befördern. Die Gefahr ist groß, wenn wir durch Bestreitung dieses Glaubens in uns selbst und Andern, oder durch freywilliges Bestreben nach Zweifeln, unter der Herrschaft eines weisen und allmächtigen Gottes und Vaters der Menschen, die Glückseligkeit unsrer selbst und unsrer Mitbrüder verhindern oder zer- stören. Kurz, es bleibt immer glaubenswürdig und für uns wahr, daß die menschlichen Seelen unsterblich sind, und daß weise Tugend in allen Fällen zu unserm eignen Besten ge- reiche.
§. 14.
Weil nun Gott das Laster unfehlbar bestraft, und die Tugend ohnfehlbar belohnet; so ist er ein Gesetzgeber und Richter, oder mit einem Worte, ein regierender Herr aller Menschen, obgleich wir niedrigen Unterthanen nicht einsehn können, wie und wann er diese seine Herrschaft ausübt.
Die
Eignes Nachdenken
Sechſtens, es iſt alſo der Glaube an die Un- ſterblichkeit der Seelen ſo wahrſcheinlich, und ſo wuͤnſchenswuͤrdig, und vor allen wahren Einwendun- gen ſo ſicher, daß wir ſchon waͤhrend einiges Zwei- fels vollkommen ſo handeln muͤſſen, als wenn die Sache gewiß waͤre. Alſo muͤſſen wir die Ueberzeugung davon wuͤnſchen, und ſo viel als moͤglich, befoͤrdern. Die Gefahr iſt groß, wenn wir durch Beſtreitung dieſes Glaubens in uns ſelbſt und Andern, oder durch freywilliges Beſtreben nach Zweifeln, unter der Herrſchaft eines weiſen und allmaͤchtigen Gottes und Vaters der Menſchen, die Gluͤckſeligkeit unſrer ſelbſt und unſrer Mitbruͤder verhindern oder zer- ſtoͤren. Kurz, es bleibt immer glaubenswuͤrdig und fuͤr uns wahr, daß die menſchlichen Seelen unſterblich ſind, und daß weiſe Tugend in allen Fällen zu unſerm eignen Beſten ge- reiche.
§. 14.
Weil nun Gott das Laſter unfehlbar beſtraft, und die Tugend ohnfehlbar belohnet; ſo iſt er ein Geſetzgeber und Richter, oder mit einem Worte, ein regierender Herr aller Menſchen, obgleich wir niedrigen Unterthanen nicht einſehn koͤnnen, wie und wann er dieſe ſeine Herrſchaft ausuͤbt.
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Eignes Nachdenken
Sechſtens, es iſt alſo der Glaube an die Un-
ſterblichkeit der Seelen ſo wahrſcheinlich, und ſo
wuͤnſchenswuͤrdig, und vor allen wahren Einwendun-
gen ſo ſicher, daß wir ſchon waͤhrend einiges Zwei-
fels vollkommen ſo handeln muͤſſen, als wenn die
Sache gewiß waͤre. Alſo muͤſſen wir die Ueberzeugung
davon wuͤnſchen, und ſo viel als moͤglich, befoͤrdern.
Die Gefahr iſt groß, wenn wir durch Beſtreitung
dieſes Glaubens in uns ſelbſt und Andern, oder
durch freywilliges Beſtreben nach Zweifeln, unter
der Herrſchaft eines weiſen und allmaͤchtigen Gottes
und Vaters der Menſchen, die Gluͤckſeligkeit unſrer
ſelbſt und unſrer Mitbruͤder verhindern oder zer-
ſtoͤren. Kurz, es bleibt immer glaubenswuͤrdig
und fuͤr uns wahr, daß die menſchlichen Seelen
unſterblich ſind, und daß weiſe Tugend in
allen Fällen zu unſerm eignen Beſten ge-
reiche.
§. 14.
Weil nun Gott das Laſter unfehlbar beſtraft,
und die Tugend ohnfehlbar belohnet; ſo iſt er ein
Geſetzgeber und Richter, oder mit einem Worte,
ein regierender Herr aller Menſchen, obgleich
wir niedrigen Unterthanen nicht einſehn koͤnnen,
wie und wann er dieſe ſeine Herrſchaft ausuͤbt.
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/44>, abgerufen am 23.02.2025.
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