Drittens, die Erfahrung von der menschlichen Geburt, giebt uns einen Begriff, daß eine Art des Lebens auf die andere folgen könne, ohne daß die Seele in dem frühern Leben sich vorher die Beschaffenheit des spätern vorstellen kann. Dennoch ist das frühere und das spätere ein einziges Leben in verschiedenen Umständen. Die Schwierig- keit, uns itzund die Beschaffenheit des Lebens der Seelen nach dem Tode vorzustellen, ist also nur ein scheinbarer Einwurf gegen unsre Hoffnung.
Viertens, besonders die menschliche Seele hat eine merkwürdige Aehnlichkeit mit Gotte, ihrem Schöpfer und Erhalter. Die Stufen der mensch- lichen Erkenntniß können schon in diesem Leben erstaunlich weit gehen. Die grossen Naturforscher und Meßkundiger, die großen Moralisten und Staatsmänner, sind uns Beyspiele davon. Nun haben aber alle Seelen sehr ähnliche Fähigkeiten, und es liegt nur an dem Körper und an Umständen, daß so viele in einer dicken Unwissenheit verharren. Wir Seelen sind fähig, Gott zu erkennen, und seine Weisheit und Güte zu bewundern. Gleich- falls hat unser Wille eine natürliche Richtung auf das allgemeine Beste der lebendigen Wesen und besonders unsrer Mitbrüder. Eine jede durch Jrr- thum schadende, eine jede lieblose, eine jede grau-
same
B
uͤber Gott und ſeine Eigenſchaften.
Drittens, die Erfahrung von der menſchlichen Geburt, giebt uns einen Begriff, daß eine Art des Lebens auf die andere folgen koͤnne, ohne daß die Seele in dem fruͤhern Leben ſich vorher die Beſchaffenheit des ſpaͤtern vorſtellen kann. Dennoch iſt das fruͤhere und das ſpaͤtere ein einziges Leben in verſchiedenen Umſtaͤnden. Die Schwierig- keit, uns itzund die Beſchaffenheit des Lebens der Seelen nach dem Tode vorzuſtellen, iſt alſo nur ein ſcheinbarer Einwurf gegen unſre Hoffnung.
Viertens, beſonders die menſchliche Seele hat eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit mit Gotte, ihrem Schoͤpfer und Erhalter. Die Stufen der menſch- lichen Erkenntniß koͤnnen ſchon in dieſem Leben erſtaunlich weit gehen. Die groſſen Naturforſcher und Meßkundiger, die großen Moraliſten und Staatsmaͤnner, ſind uns Beyſpiele davon. Nun haben aber alle Seelen ſehr aͤhnliche Faͤhigkeiten, und es liegt nur an dem Koͤrper und an Umſtaͤnden, daß ſo viele in einer dicken Unwiſſenheit verharren. Wir Seelen ſind faͤhig, Gott zu erkennen, und ſeine Weisheit und Guͤte zu bewundern. Gleich- falls hat unſer Wille eine natuͤrliche Richtung auf das allgemeine Beſte der lebendigen Weſen und beſonders unſrer Mitbruͤder. Eine jede durch Jrr- thum ſchadende, eine jede liebloſe, eine jede grau-
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uͤber Gott und ſeine Eigenſchaften.
Drittens, die Erfahrung von der menſchlichen
Geburt, giebt uns einen Begriff, daß eine Art
des Lebens auf die andere folgen koͤnne, ohne daß
die Seele in dem fruͤhern Leben ſich vorher die
Beſchaffenheit des ſpaͤtern vorſtellen kann. Dennoch
iſt das fruͤhere und das ſpaͤtere ein einziges Leben
in verſchiedenen Umſtaͤnden. Die Schwierig-
keit, uns itzund die Beſchaffenheit des Lebens
der Seelen nach dem Tode vorzuſtellen, iſt
alſo nur ein ſcheinbarer Einwurf gegen unſre
Hoffnung.
Viertens, beſonders die menſchliche Seele hat
eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit mit Gotte, ihrem
Schoͤpfer und Erhalter. Die Stufen der menſch-
lichen Erkenntniß koͤnnen ſchon in dieſem Leben
erſtaunlich weit gehen. Die groſſen Naturforſcher
und Meßkundiger, die großen Moraliſten und
Staatsmaͤnner, ſind uns Beyſpiele davon. Nun
haben aber alle Seelen ſehr aͤhnliche Faͤhigkeiten,
und es liegt nur an dem Koͤrper und an Umſtaͤnden,
daß ſo viele in einer dicken Unwiſſenheit verharren.
Wir Seelen ſind faͤhig, Gott zu erkennen, und
ſeine Weisheit und Guͤte zu bewundern. Gleich-
falls hat unſer Wille eine natuͤrliche Richtung auf
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/41>, abgerufen am 17.02.2025.
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