Diese verschiedenen Rechte sind zuweilen ein- ander zuwider, nach dem einen ist zuweilen erlaubt oder geboten, was in dem andern verboten ist.
Wer in bürgerlicher Vereinigung steht, muß seine wirklichen bürgerlichen Gesetze halten, und, ihnen zuwider, weder nach dem Rechte der natürlichen Freyheit, noch nach einer vermeinten Billigkeit handeln, denn er hat sich nicht nur vor der Macht seiner Gesetzgeber zu fürchten, son- dern es ist auch augenscheinlich, daß die meisten nur solche Gesetze vernünftig nennen würden, welche mit ihrem Privatvortheile übereinstimmten, und daß im Staate andre Umstände der Menschen sind, als im Stande der natürlichen Freyheit. Folglich können in beyderley Umständen nicht allemal einer- ley gemeinnützige Regeln seyn.
So oft wir in Umstände kommen, daß bey der Obrigkeit kein Schutz wider gewaltsame Beleidi- ger und keine Strafe derselben, (wegen der gegen- wärtigen Gefahr, und weil die Beleidiger unbe- kannte oder unstäte Personen sind,) zu erwarten stehet: so sind wir, was die Gegenwehr betrifft, in dem Stande der natürlichen Freyheit. Wer aber lieber Gewalt gegen seinen Beleidiger braucht, als den Weg des bürgerlichen Rechtes geht, wird als ein Verächter der Gesetze gestraft, wenn er in der Streitsache auch Recht hat.
Wer
J
beſonders in moraliſchen ꝛc.
Dieſe verſchiedenen Rechte ſind zuweilen ein- ander zuwider, nach dem einen iſt zuweilen erlaubt oder geboten, was in dem andern verboten iſt.
Wer in buͤrgerlicher Vereinigung ſteht, muß ſeine wirklichen bürgerlichen Geſetze halten, und, ihnen zuwider, weder nach dem Rechte der natuͤrlichen Freyheit, noch nach einer vermeinten Billigkeit handeln, denn er hat ſich nicht nur vor der Macht ſeiner Geſetzgeber zu fuͤrchten, ſon- dern es iſt auch augenſcheinlich, daß die meiſten nur ſolche Geſetze vernuͤnftig nennen wuͤrden, welche mit ihrem Privatvortheile uͤbereinſtimmten, und daß im Staate andre Umſtaͤnde der Menſchen ſind, als im Stande der natuͤrlichen Freyheit. Folglich koͤnnen in beyderley Umſtaͤnden nicht allemal einer- ley gemeinnuͤtzige Regeln ſeyn.
So oft wir in Umſtaͤnde kommen, daß bey der Obrigkeit kein Schutz wider gewaltſame Beleidi- ger und keine Strafe derſelben, (wegen der gegen- waͤrtigen Gefahr, und weil die Beleidiger unbe- kannte oder unſtaͤte Perſonen ſind,) zu erwarten ſtehet: ſo ſind wir, was die Gegenwehr betrifft, in dem Stande der natuͤrlichen Freyheit. Wer aber lieber Gewalt gegen ſeinen Beleidiger braucht, als den Weg des buͤrgerlichen Rechtes geht, wird als ein Veraͤchter der Geſetze geſtraft, wenn er in der Streitſache auch Recht hat.
Wer
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beſonders in moraliſchen ꝛc.
Dieſe verſchiedenen Rechte ſind zuweilen ein-
ander zuwider, nach dem einen iſt zuweilen erlaubt
oder geboten, was in dem andern verboten iſt.
Wer in buͤrgerlicher Vereinigung ſteht, muß
ſeine wirklichen bürgerlichen Geſetze halten,
und, ihnen zuwider, weder nach dem Rechte der
natuͤrlichen Freyheit, noch nach einer vermeinten
Billigkeit handeln, denn er hat ſich nicht nur
vor der Macht ſeiner Geſetzgeber zu fuͤrchten, ſon-
dern es iſt auch augenſcheinlich, daß die meiſten nur
ſolche Geſetze vernuͤnftig nennen wuͤrden, welche
mit ihrem Privatvortheile uͤbereinſtimmten, und
daß im Staate andre Umſtaͤnde der Menſchen ſind,
als im Stande der natuͤrlichen Freyheit. Folglich
koͤnnen in beyderley Umſtaͤnden nicht allemal einer-
ley gemeinnuͤtzige Regeln ſeyn.
So oft wir in Umſtaͤnde kommen, daß bey der
Obrigkeit kein Schutz wider gewaltſame Beleidi-
ger und keine Strafe derſelben, (wegen der gegen-
waͤrtigen Gefahr, und weil die Beleidiger unbe-
kannte oder unſtaͤte Perſonen ſind,) zu erwarten
ſtehet: ſo ſind wir, was die Gegenwehr betrifft,
in dem Stande der natuͤrlichen Freyheit. Wer
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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