Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].Uebungen des Verstandes, und die Obrigkeit urtheilt gemeiniglich recht vonder Unsträflichkeit eines rechtmäßigen Verhaltens in Nothfällen. Z. E. in wahrer Lebensgefahr der Menschen darf man Etwas ohne Wissen des Eigen- thümers mit Gewalt nehmen; in Feuersbrünsten eine Thüre erbrechen; in Ueberschwemmungen die Balken eines Hauses zum Damme brauchen; auf der Flucht vor einem mörderischen Feinde ein Pferd von der Weide nehmen und über verbotene Wege reiten; einem Strassenräuber den erzwungenen Eid nicht halten u. s. w. Ausser solchen Fällen der Noth ist es nicht er- Gegen dieselbe handelt derjenige, welcher in Zuweilen
Uebungen des Verſtandes, und die Obrigkeit urtheilt gemeiniglich recht vonder Unſtraͤflichkeit eines rechtmaͤßigen Verhaltens in Nothfaͤllen. Z. E. in wahrer Lebensgefahr der Menſchen darf man Etwas ohne Wiſſen des Eigen- thuͤmers mit Gewalt nehmen; in Feuersbruͤnſten eine Thuͤre erbrechen; in Ueberſchwemmungen die Balken eines Hauſes zum Damme brauchen; auf der Flucht vor einem moͤrderiſchen Feinde ein Pferd von der Weide nehmen und uͤber verbotene Wege reiten; einem Straſſenraͤuber den erzwungenen Eid nicht halten u. ſ. w. Auſſer ſolchen Faͤllen der Noth iſt es nicht er- Gegen dieſelbe handelt derjenige, welcher in Zuweilen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Uebungen des Verſtandes,</hi></fw><lb/> und die Obrigkeit urtheilt gemeiniglich recht von<lb/> der Unſtraͤflichkeit eines rechtmaͤßigen Verhaltens<lb/> in Nothfaͤllen. Z. E. in wahrer Lebensgefahr der<lb/> Menſchen darf man Etwas ohne Wiſſen des Eigen-<lb/> thuͤmers mit Gewalt nehmen; in Feuersbruͤnſten<lb/> eine Thuͤre erbrechen; in Ueberſchwemmungen die<lb/> Balken eines Hauſes zum Damme brauchen; auf<lb/> der Flucht vor einem moͤrderiſchen Feinde ein Pferd<lb/> von der Weide nehmen und uͤber verbotene Wege<lb/> reiten; einem Straſſenraͤuber den erzwungenen Eid<lb/> nicht halten u. ſ. w.</p><lb/> <p>Auſſer ſolchen Faͤllen der Noth iſt es nicht er-<lb/> laubt, aus den gewoͤhnlichen Regeln des Lebens<lb/> Ausnahmen zu machen. Wer dieſes vermeidet,<lb/> beobachtet die <hi rendition="#fr">tugendhafte Einfalt oder Ein-<lb/> förmigkeit.</hi></p><lb/> <p>Gegen dieſelbe handelt derjenige, welcher in<lb/> einem vermeynten Falle der Noth, <hi rendition="#fr">um den Ge-<lb/> ſchlechtstrieb zu erfüllen,</hi> Unkeuſchheit begeht.<lb/> Denn erſtlich, wuͤrde eine ſolche Ausnahme nur<lb/> ſeinetwegen gemacht; zweytens, der Geſchlechts-<lb/> trieb iſt ein heftiger Affect, in welchem wir uͤber<lb/> die Ausnahmen der Regeln nicht urtheilen koͤnnen;<lb/> drittens, und eben darum wuͤrde die Regel der<lb/> Keuſchheit zum groſſen Schaden der Menſchen we-<lb/> gen beſorglicher haͤufiger Ausnahmen faſt unwirk-<lb/> ſam werden, wenn es nicht ein beſtaͤndiges Geſetz<lb/> waͤre, niemals Ausnahmen zu machen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zuweilen</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0150]
Uebungen des Verſtandes,
und die Obrigkeit urtheilt gemeiniglich recht von
der Unſtraͤflichkeit eines rechtmaͤßigen Verhaltens
in Nothfaͤllen. Z. E. in wahrer Lebensgefahr der
Menſchen darf man Etwas ohne Wiſſen des Eigen-
thuͤmers mit Gewalt nehmen; in Feuersbruͤnſten
eine Thuͤre erbrechen; in Ueberſchwemmungen die
Balken eines Hauſes zum Damme brauchen; auf
der Flucht vor einem moͤrderiſchen Feinde ein Pferd
von der Weide nehmen und uͤber verbotene Wege
reiten; einem Straſſenraͤuber den erzwungenen Eid
nicht halten u. ſ. w.
Auſſer ſolchen Faͤllen der Noth iſt es nicht er-
laubt, aus den gewoͤhnlichen Regeln des Lebens
Ausnahmen zu machen. Wer dieſes vermeidet,
beobachtet die tugendhafte Einfalt oder Ein-
förmigkeit.
Gegen dieſelbe handelt derjenige, welcher in
einem vermeynten Falle der Noth, um den Ge-
ſchlechtstrieb zu erfüllen, Unkeuſchheit begeht.
Denn erſtlich, wuͤrde eine ſolche Ausnahme nur
ſeinetwegen gemacht; zweytens, der Geſchlechts-
trieb iſt ein heftiger Affect, in welchem wir uͤber
die Ausnahmen der Regeln nicht urtheilen koͤnnen;
drittens, und eben darum wuͤrde die Regel der
Keuſchheit zum groſſen Schaden der Menſchen we-
gen beſorglicher haͤufiger Ausnahmen faſt unwirk-
ſam werden, wenn es nicht ein beſtaͤndiges Geſetz
waͤre, niemals Ausnahmen zu machen.
Zuweilen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/150 |
Zitationshilfe: | Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/150>, abgerufen am 16.02.2025. |