Entzeuch dir freywillig auf eine Zeitlang einen dir gewöhnlichen Genuß der angenehmen Dinge. Denn er wird schmackhafter nach einer Abwechse- lung. Wenn du zu Tische gehest, so thue alles mögliche, um deine Sorgen und mühsamen Ueber- legungen fahren zu lassen; gleichfalls, wenn du dich zum Schlafen legest. Der Tisch und das Lager sind, wenn du munter und gesund bleiben willst, keine Oerter der Beschäftigung.
Die Abänderung der Natur durch die Kunst der Menschen, die Gärtnerey, die Baukunst, die Mahlerey, die Bildhauerkunst, die Poesie und Tonkunst; der Tanz und andere solche Künste, bieten unserm natürlichen Geschmacke an Schön- heit und Harmonie viele Vergnügungen an, be- sonders, wenn wir uns in der Jugend bemüht haben, wenigstens etwas von den Regeln dieser Künste zu wissen. Also nimm die Gelegenheit dazu wahr, diesen Genuß sowohl vorzubereiten, als wirklich zu haben. Die meisten Werke der Kunst können den Besitzer nicht im höhern Grade vergnügen, als den Beobachter. Die Schönheit der Allee, des Waldes, des Gartens, worinnen du spaziren darfst, gehöret auch dir; die Music, der Ball, wenn du zuhören und zusehen darfst, gehört auch dir; das Cabinet von Gemählden und Naturalien, wo du zu deinem Vergnügen dich aufhalten darfst, gehört auch dir; der Büchervorrath, dessen Ge-
brauch
Die Sittenlehre
Entzeuch dir freywillig auf eine Zeitlang einen dir gewöhnlichen Genuß der angenehmen Dinge. Denn er wird ſchmackhafter nach einer Abwechſe- lung. Wenn du zu Tiſche geheſt, ſo thue alles moͤgliche, um deine Sorgen und muͤhſamen Ueber- legungen fahren zu laſſen; gleichfalls, wenn du dich zum Schlafen legeſt. Der Tiſch und das Lager ſind, wenn du munter und geſund bleiben willſt, keine Oerter der Beſchaͤftigung.
Die Abaͤnderung der Natur durch die Kunſt der Menſchen, die Gaͤrtnerey, die Baukunſt, die Mahlerey, die Bildhauerkunſt, die Poeſie und Tonkunſt; der Tanz und andere ſolche Kuͤnſte, bieten unſerm natuͤrlichen Geſchmacke an Schoͤn- heit und Harmonie viele Vergnuͤgungen an, be- ſonders, wenn wir uns in der Jugend bemuͤht haben, wenigſtens etwas von den Regeln dieſer Kuͤnſte zu wiſſen. Alſo nimm die Gelegenheit dazu wahr, dieſen Genuß ſowohl vorzubereiten, als wirklich zu haben. Die meiſten Werke der Kunſt koͤnnen den Beſitzer nicht im hoͤhern Grade vergnuͤgen, als den Beobachter. Die Schoͤnheit der Allee, des Waldes, des Gartens, worinnen du ſpaziren darfſt, gehoͤret auch dir; die Muſic, der Ball, wenn du zuhoͤren und zuſehen darfſt, gehoͤrt auch dir; das Cabinet von Gemaͤhlden und Naturalien, wo du zu deinem Vergnuͤgen dich aufhalten darfſt, gehoͤrt auch dir; der Buͤchervorrath, deſſen Ge-
brauch
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Die Sittenlehre
Entzeuch dir freywillig auf eine Zeitlang einen dir
gewöhnlichen Genuß der angenehmen Dinge.
Denn er wird ſchmackhafter nach einer Abwechſe-
lung. Wenn du zu Tiſche geheſt, ſo thue alles
moͤgliche, um deine Sorgen und muͤhſamen Ueber-
legungen fahren zu laſſen; gleichfalls, wenn du
dich zum Schlafen legeſt. Der Tiſch und das
Lager ſind, wenn du munter und geſund bleiben
willſt, keine Oerter der Beſchaͤftigung.
Die Abaͤnderung der Natur durch die Kunſt
der Menſchen, die Gaͤrtnerey, die Baukunſt,
die Mahlerey, die Bildhauerkunſt, die Poeſie
und Tonkunſt; der Tanz und andere ſolche Kuͤnſte,
bieten unſerm natuͤrlichen Geſchmacke an Schoͤn-
heit und Harmonie viele Vergnuͤgungen an, be-
ſonders, wenn wir uns in der Jugend bemuͤht haben,
wenigſtens etwas von den Regeln dieſer Kuͤnſte
zu wiſſen. Alſo nimm die Gelegenheit dazu wahr,
dieſen Genuß ſowohl vorzubereiten, als wirklich
zu haben. Die meiſten Werke der Kunſt koͤnnen
den Beſitzer nicht im hoͤhern Grade vergnuͤgen,
als den Beobachter. Die Schoͤnheit der Allee,
des Waldes, des Gartens, worinnen du ſpaziren
darfſt, gehoͤret auch dir; die Muſic, der Ball,
wenn du zuhoͤren und zuſehen darfſt, gehoͤrt auch
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/136>, abgerufen am 22.07.2024.
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