Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterlehrer.
sicht zwey ganze Monate ihm Uebung und Unterricht
geben wollte, welches ich aber noch nicht rathsam
finde. 8) Ueberhaupt ist die lateinische Sprache
ihm so geläufig und eigentlich Muttersprache, daß er
unmittelbar, und ohne stillschweigend zu übersetzen,
mit mir über schwere Fragen, z. E. von der Frey-
heit und Nothwendigkeit, von der Zurechnung und
dem Verhältnisse des Guten und des Bösen, latei-
nisch philosophiren kann, als welches ich einigemal
mit Vergnügen erfahren habe. 8) Daß ein sol-
cher Mensch, von dem das Gesagte wahr ist, in
der römischen und in andern Geschichten nicht fremd
seyn müsse, versteht sich von selbst. Aber er hat 9)
auch so viel Begriff von der Philosophie und Ma-
thematik, daß man keine verständliche Frage ihm
vorlegen kann, ohne daß er zu sagen weis, zu wel-
chem besonders benamten Theile der Philosophie
und Mathematik sie gehöre. Von allen diesen sei-
nen Fertigkeiten habe ich an mehr als einem Orte
Augenzeugen, und ich durfte in den Umständen,
worinnen ich bin, es nicht öffentlich schreiben, wenn
nicht Alles wahr, und denen, die es verlangen,
eine gegenwärtige Untersuchung erlaubt wäre. Es
ist aber dabey noch dieses zu merken, daß er bis-
her mit Correspondenz und andern Geschäften noch
sehr besetzt war, und zuweilen in ganzen Wochen
kein Buch zu seinem Fortkommen anzusehen die
Muße hatte. Könnte ich ihm von nun an 6 Mo-
nate gänzlich aufopfern, so wäre er einer der ge-
schicktesten Academiker, (etwa Griechisch ausge-
nommen). Nun wird er etwas später, und doch

bald

Unterlehrer.
ſicht zwey ganze Monate ihm Uebung und Unterricht
geben wollte, welches ich aber noch nicht rathſam
finde. 8) Ueberhaupt iſt die lateiniſche Sprache
ihm ſo gelaͤufig und eigentlich Mutterſprache, daß er
unmittelbar, und ohne ſtillſchweigend zu uͤberſetzen,
mit mir uͤber ſchwere Fragen, z. E. von der Frey-
heit und Nothwendigkeit, von der Zurechnung und
dem Verhaͤltniſſe des Guten und des Boͤſen, latei-
niſch philoſophiren kann, als welches ich einigemal
mit Vergnuͤgen erfahren habe. 8) Daß ein ſol-
cher Menſch, von dem das Geſagte wahr iſt, in
der roͤmiſchen und in andern Geſchichten nicht fremd
ſeyn muͤſſe, verſteht ſich von ſelbſt. Aber er hat 9)
auch ſo viel Begriff von der Philoſophie und Ma-
thematik, daß man keine verſtaͤndliche Frage ihm
vorlegen kann, ohne daß er zu ſagen weis, zu wel-
chem beſonders benamten Theile der Philoſophie
und Mathematik ſie gehoͤre. Von allen dieſen ſei-
nen Fertigkeiten habe ich an mehr als einem Orte
Augenzeugen, und ich durfte in den Umſtaͤnden,
worinnen ich bin, es nicht oͤffentlich ſchreiben, wenn
nicht Alles wahr, und denen, die es verlangen,
eine gegenwaͤrtige Unterſuchung erlaubt waͤre. Es
iſt aber dabey noch dieſes zu merken, daß er bis-
her mit Correſpondenz und andern Geſchaͤften noch
ſehr beſetzt war, und zuweilen in ganzen Wochen
kein Buch zu ſeinem Fortkommen anzuſehen die
Muße hatte. Koͤnnte ich ihm von nun an 6 Mo-
nate gaͤnzlich aufopfern, ſo waͤre er einer der ge-
ſchickteſten Academiker, (etwa Griechiſch ausge-
nommen). Nun wird er etwas ſpaͤter, und doch

bald
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Unterlehrer.</hi></fw><lb/>
&#x017F;icht zwey ganze Monate ihm Uebung und Unterricht<lb/>
geben wollte, welches ich aber noch nicht rath&#x017F;am<lb/>
finde. 8) Ueberhaupt i&#x017F;t die lateini&#x017F;che Sprache<lb/>
ihm &#x017F;o gela&#x0364;ufig und eigentlich Mutter&#x017F;prache, daß er<lb/>
unmittelbar, und ohne &#x017F;till&#x017F;chweigend zu u&#x0364;ber&#x017F;etzen,<lb/>
mit mir u&#x0364;ber &#x017F;chwere Fragen, z. E. von der Frey-<lb/>
heit und Nothwendigkeit, von der Zurechnung und<lb/>
dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Guten und des Bo&#x0364;&#x017F;en, latei-<lb/>
ni&#x017F;ch philo&#x017F;ophiren kann, als welches ich einigemal<lb/>
mit Vergnu&#x0364;gen erfahren habe. 8) Daß ein &#x017F;ol-<lb/>
cher Men&#x017F;ch, von dem das Ge&#x017F;agte wahr i&#x017F;t, in<lb/>
der ro&#x0364;mi&#x017F;chen und in andern Ge&#x017F;chichten nicht fremd<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t. Aber er hat 9)<lb/>
auch &#x017F;o viel Begriff von der Philo&#x017F;ophie und Ma-<lb/>
thematik, daß man keine ver&#x017F;ta&#x0364;ndliche Frage ihm<lb/>
vorlegen kann, ohne daß er zu &#x017F;agen weis, zu wel-<lb/>
chem be&#x017F;onders benamten Theile der Philo&#x017F;ophie<lb/>
und Mathematik &#x017F;ie geho&#x0364;re. Von allen die&#x017F;en &#x017F;ei-<lb/>
nen Fertigkeiten habe ich an mehr als einem Orte<lb/>
Augenzeugen, und ich durfte in den Um&#x017F;ta&#x0364;nden,<lb/>
worinnen ich bin, es nicht o&#x0364;ffentlich &#x017F;chreiben, wenn<lb/>
nicht Alles wahr, und denen, die es verlangen,<lb/>
eine gegenwa&#x0364;rtige Unter&#x017F;uchung erlaubt wa&#x0364;re. Es<lb/>
i&#x017F;t aber dabey noch die&#x017F;es zu merken, daß er bis-<lb/>
her mit Corre&#x017F;pondenz und andern Ge&#x017F;cha&#x0364;ften noch<lb/>
&#x017F;ehr be&#x017F;etzt war, und zuweilen in ganzen Wochen<lb/>
kein Buch zu &#x017F;einem Fortkommen anzu&#x017F;ehen die<lb/>
Muße hatte. Ko&#x0364;nnte ich ihm von nun an 6 Mo-<lb/>
nate ga&#x0364;nzlich aufopfern, &#x017F;o wa&#x0364;re er einer der ge-<lb/>
&#x017F;chickte&#x017F;ten Academiker, (etwa Griechi&#x017F;ch ausge-<lb/>
nommen). Nun wird er etwas &#x017F;pa&#x0364;ter, und doch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bald</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0099] Unterlehrer. ſicht zwey ganze Monate ihm Uebung und Unterricht geben wollte, welches ich aber noch nicht rathſam finde. 8) Ueberhaupt iſt die lateiniſche Sprache ihm ſo gelaͤufig und eigentlich Mutterſprache, daß er unmittelbar, und ohne ſtillſchweigend zu uͤberſetzen, mit mir uͤber ſchwere Fragen, z. E. von der Frey- heit und Nothwendigkeit, von der Zurechnung und dem Verhaͤltniſſe des Guten und des Boͤſen, latei- niſch philoſophiren kann, als welches ich einigemal mit Vergnuͤgen erfahren habe. 8) Daß ein ſol- cher Menſch, von dem das Geſagte wahr iſt, in der roͤmiſchen und in andern Geſchichten nicht fremd ſeyn muͤſſe, verſteht ſich von ſelbſt. Aber er hat 9) auch ſo viel Begriff von der Philoſophie und Ma- thematik, daß man keine verſtaͤndliche Frage ihm vorlegen kann, ohne daß er zu ſagen weis, zu wel- chem beſonders benamten Theile der Philoſophie und Mathematik ſie gehoͤre. Von allen dieſen ſei- nen Fertigkeiten habe ich an mehr als einem Orte Augenzeugen, und ich durfte in den Umſtaͤnden, worinnen ich bin, es nicht oͤffentlich ſchreiben, wenn nicht Alles wahr, und denen, die es verlangen, eine gegenwaͤrtige Unterſuchung erlaubt waͤre. Es iſt aber dabey noch dieſes zu merken, daß er bis- her mit Correſpondenz und andern Geſchaͤften noch ſehr beſetzt war, und zuweilen in ganzen Wochen kein Buch zu ſeinem Fortkommen anzuſehen die Muße hatte. Koͤnnte ich ihm von nun an 6 Mo- nate gaͤnzlich aufopfern, ſo waͤre er einer der ge- ſchickteſten Academiker, (etwa Griechiſch ausge- nommen). Nun wird er etwas ſpaͤter, und doch bald

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/99
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/99>, abgerufen am 22.11.2024.