Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.des Philanthropinums. "gehorsame Tochter; fragte sie mich: Aber"bin ich denn schon allezeit vollkommen "gehorsam? Jch möchte lieber von mei- "nem Vater für Ungehorsam gestraft wer- "den, als ihm Etwas vorlügen. Jch schrieb "diese ihre Anmerkung hinzu, und ließ sie von ihr "lesen. So ist es auch besser, sagte sie, da- "mit mein Vater weis, wie ich bin. Aber "von nun an will ich mir alle mögliche "Mühe geben, immer recht gehorsam zu "seyn. Alsdann wird mein Vater glauben, "wenn er mich wieder sieht, daß ich diese "Anmerkung aus Bescheidenheit gemacht "habe. Aber -- dann wird er sich doch "irren! Und nun hüpfte sie voll Freude über ihren "Vorsatz in der Stube herum. Dies mag zur "Probe genug seyn von Emiliens Natürlichkeit "und Zuversicht in Gesprächen. "Emiliens Bruder, Friedrich, konnte noch "Nach D 3
des Philanthropinums. „gehorſame Tochter; fragte ſie mich: Aber„bin ich denn ſchon allezeit vollkommen „gehorſam? Jch moͤchte lieber von mei- „nem Vater fuͤr Ungehorſam geſtraft wer- „den, als ihm Etwas vorluͤgen. Jch ſchrieb „dieſe ihre Anmerkung hinzu, und ließ ſie von ihr „leſen. So iſt es auch beſſer, ſagte ſie, da- „mit mein Vater weis, wie ich bin. Aber „von nun an will ich mir alle moͤgliche „Muͤhe geben, immer recht gehorſam zu „ſeyn. Alsdann wird mein Vater glauben, „wenn er mich wieder ſieht, daß ich dieſe „Anmerkung aus Beſcheidenheit gemacht „habe. Aber — dann wird er ſich doch „irren! Und nun huͤpfte ſie voll Freude uͤber ihren „Vorſatz in der Stube herum. Dies mag zur „Probe genug ſeyn von Emiliens Natuͤrlichkeit „und Zuverſicht in Geſpraͤchen. „Emiliens Bruder, Friedrich, konnte noch „Nach D 3
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des Philanthropinums.
„gehorſame Tochter; fragte ſie mich: Aber
„bin ich denn ſchon allezeit vollkommen
„gehorſam? Jch moͤchte lieber von mei-
„nem Vater fuͤr Ungehorſam geſtraft wer-
„den, als ihm Etwas vorluͤgen. Jch ſchrieb
„dieſe ihre Anmerkung hinzu, und ließ ſie von ihr
„leſen. So iſt es auch beſſer, ſagte ſie, da-
„mit mein Vater weis, wie ich bin. Aber
„von nun an will ich mir alle moͤgliche
„Muͤhe geben, immer recht gehorſam zu
„ſeyn. Alsdann wird mein Vater glauben,
„wenn er mich wieder ſieht, daß ich dieſe
„Anmerkung aus Beſcheidenheit gemacht
„habe. Aber — dann wird er ſich doch
„irren! Und nun huͤpfte ſie voll Freude uͤber ihren
„Vorſatz in der Stube herum. Dies mag zur
„Probe genug ſeyn von Emiliens Natuͤrlichkeit
„und Zuverſicht in Geſpraͤchen.
„Emiliens Bruder, Friedrich, konnte noch
„nicht in ſeinem zweyten Jahre gehoͤrig Ja und
„Nein antworten, iſt in den drey erſten Jahren im-
„mer kraͤnklich geweſen, hat, nach dem Ausſpruch ſei-
„nes Herrn Vaters, jetzund weniger als mittelmaͤßi-
„gen Verſtand (denn erſt ſeit Kurzem lernte er drey
„zaͤhlen), iſt aber doch im vierten Jahre durch die
„Guͤte der Elementarmethode zu einer nicht ganz
„gemeinen Kenntniß von Sachen, und im teutſchen,
„franzoͤſiſchen und lateiniſchen ſo weit gekommen,
„daß man in jeder dieſer Sprachen mit ihm ſpre-
„chen kann, ohne einer andern zur Erklaͤrung zu
„beduͤrfen.
„Nach
D 3
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