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Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

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baue Neues, was alt zu werden verdient. Ein
ganz Land voll Schulen plötzlich zu bessern! Ein
ungeheures Project! Mit Verordnungen und
Statuten ist Wenig gethan, wenn man sie auch
mit den grossen Namen Theresens und Josephs,
Catharinens
oder Friedrichs besiegelt. Sterb-
liche, wer ihr auch seyd, befehlt einmal, daß die
Blinden sehen, die Lahmen gehen! Jene bleiben
blind und diese lahm. Und was so fern von der Voll-
kommenheit ist, als der Menschen moralische und
litterarische Erziehung; das wird nicht nach einem
Formulare verbessert, welches des Wohlstands
wegen Jahre lang gültig seyn muß, weil es eine
Majestät unterschrieb.

Jährlich und täglich beobachtet, versucht,
gut befunden, beschlossen, von Stück zu Stück!
So projectirt die Vernunft. Aber das darf der
Minister und sein Rathgeber nicht sagen. Dies
weidet nicht die Augen der Herrschaft; auch kann
die Ruhmtrompete nicht früh genug erschallen.

Langsam, langsam vorwärts, Etwas wieder
zurück, um auszubeugen, dann wieder mehr vor-
wärts! Das wäre der einzige Weg mancher Glück-
seligkeiten. Aber nur für die Vervollkommnung
des Kriegeswesens denkt man auf diesen einzigen
Weg. Wie Friedrich die von der Zahl unab-

hän-

baue Neues, was alt zu werden verdient. Ein
ganz Land voll Schulen ploͤtzlich zu beſſern! Ein
ungeheures Project! Mit Verordnungen und
Statuten iſt Wenig gethan, wenn man ſie auch
mit den groſſen Namen Thereſens und Joſephs,
Catharinens
oder Friedrichs beſiegelt. Sterb-
liche, wer ihr auch ſeyd, befehlt einmal, daß die
Blinden ſehen, die Lahmen gehen! Jene bleiben
blind und dieſe lahm. Und was ſo fern von der Voll-
kommenheit iſt, als der Menſchen moraliſche und
litterariſche Erziehung; das wird nicht nach einem
Formulare verbeſſert, welches des Wohlſtands
wegen Jahre lang guͤltig ſeyn muß, weil es eine
Majeſtaͤt unterſchrieb.

Jaͤhrlich und taͤglich beobachtet, verſucht,
gut befunden, beſchloſſen, von Stuͤck zu Stuͤck!
So projectirt die Vernunft. Aber das darf der
Miniſter und ſein Rathgeber nicht ſagen. Dies
weidet nicht die Augen der Herrſchaft; auch kann
die Ruhmtrompete nicht fruͤh genug erſchallen.

Langſam, langſam vorwaͤrts, Etwas wieder
zuruͤck, um auszubeugen, dann wieder mehr vor-
waͤrts! Das waͤre der einzige Weg mancher Gluͤck-
ſeligkeiten. Aber nur fuͤr die Vervollkommnung
des Kriegesweſens denkt man auf dieſen einzigen
Weg. Wie Friedrich die von der Zahl unab-

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[XV/0019] baue Neues, was alt zu werden verdient. Ein ganz Land voll Schulen ploͤtzlich zu beſſern! Ein ungeheures Project! Mit Verordnungen und Statuten iſt Wenig gethan, wenn man ſie auch mit den groſſen Namen Thereſens und Joſephs, Catharinens oder Friedrichs beſiegelt. Sterb- liche, wer ihr auch ſeyd, befehlt einmal, daß die Blinden ſehen, die Lahmen gehen! Jene bleiben blind und dieſe lahm. Und was ſo fern von der Voll- kommenheit iſt, als der Menſchen moraliſche und litterariſche Erziehung; das wird nicht nach einem Formulare verbeſſert, welches des Wohlſtands wegen Jahre lang guͤltig ſeyn muß, weil es eine Majeſtaͤt unterſchrieb. Jaͤhrlich und taͤglich beobachtet, verſucht, gut befunden, beſchloſſen, von Stuͤck zu Stuͤck! So projectirt die Vernunft. Aber das darf der Miniſter und ſein Rathgeber nicht ſagen. Dies weidet nicht die Augen der Herrſchaft; auch kann die Ruhmtrompete nicht fruͤh genug erſchallen. Langſam, langſam vorwaͤrts, Etwas wieder zuruͤck, um auszubeugen, dann wieder mehr vor- waͤrts! Das waͤre der einzige Weg mancher Gluͤck- ſeligkeiten. Aber nur fuͤr die Vervollkommnung des Kriegesweſens denkt man auf dieſen einzigen Weg. Wie Friedrich die von der Zahl unab- haͤn-

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/19>, abgerufen am 24.11.2024.