Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Vierdte Buch. Stracks erdachte man vnterschiedliche vnd gefähr-lich Vrsachen jhres Todes. Der Könige als er von der Ermordung hörete erschrack häfftig: an der Ar- genis aber kundte man kein Zeichen weder der Barm- hertzigkeit noch deß Hasses spüren; entweder daß sie meinete/ Selenisse were noch nicht genug gestrafft/ oder daß sich jhr enzündetes Hertze verwunderte daß es sich durch eine solche Busse auff einmal gäntzlich besänfftigen liesse/ vnd also zwischen beyden regun- gen deß Gemütes gleichsam vnempsindtlich war. Nichtsdestoweniger sahe sie/ wie Selenisse jhr auch mit jhrem Tode geschadet hette. Was würde Sici- lien/ was würde Radirobanes sampt den seinigen sagen? Die Alte hette durch eine so schreckliche Rach an jhr selber/ mehr als durch die Verrhäterey das Geheimniß von der Theocrine offenbahret. Vber dieß/ weil ja die Sache darzu gerhaten/ als hatt sie verhofft/ der König würde von der Selenissen die Verheissung den Poliarchus zu heyrathen ver- nemmen; welche Heimligkeit sie zwar an den Vat- ter nicht bringen dürffte/ aber dennoch standthafftig zu vertheidigen entschlossen war. Im vbrigen so ließ der König die menge deß Volckes abschaffen. Her- nach wardt der Cörper ohn alles Gepränge einge- sencket/ vnd/ als die Vrsache der entleibung offen- bahr worden/ weiß ich nicht welcher Poet jhr fol- gende Grabschrifft gemacht hat: Hier/ Leser/ siehestu ein Grab voll grimmer Schmertzen/ Ein Weib die selbst befandt in jhrem rawen Hertzen Daß Rr v
Das Vierdte Buch. Stracks erdachte man vnterſchiedliche vnd gefaͤhr-lich Vrſachen jhres Todes. Der Koͤnige als er von der Ermordung hoͤrete erſchrack haͤfftig: an der Ar- genis aber kundte man kein Zeichẽ weder der Barm- hertzigkeit noch deß Haſſes ſpuͤren; entweder daß ſie meinete/ Seleniſſe were noch nicht genug geſtrafft/ oder daß ſich jhr enzuͤndetes Hertze verwunderte daß es ſich durch eine ſolche Buſſe auff einmal gaͤntzlich beſaͤnfftigen lieſſe/ vnd alſo zwiſchen beyden regun- gen deß Gemuͤtes gleichſam vnempſindtlich war. Nichtsdeſtoweniger ſahe ſie/ wie Seleniſſe jhr auch mit jhrem Tode geſchadet hette. Was wuͤrde Sici- lien/ was wuͤrde Radirobanes ſampt den ſeinigen ſagen? Die Alte hette durch eine ſo ſchreckliche Rach an jhr ſelber/ mehr als durch die Verꝛhaͤterey das Geheimniß von der Theocrine offenbahret. Vber dieß/ weil ja die Sache darzu gerhaten/ als hatt ſie verhofft/ der Koͤnig wuͤrde von der Seleniſſen die Verheiſſung den Poliarchus zu heyrathen ver- nemmen; welche Heimligkeit ſie zwar an den Vat- ter nicht bringen duͤrffte/ aber dennoch ſtandthafftig zu vertheidigen entſchloſſen war. Im vbrigen ſo ließ der Koͤnig die menge deß Volckes abſchaffen. Her- nach wardt der Coͤrper ohn alles Gepraͤnge einge- ſencket/ vnd/ als die Vrſache der entleibung offen- bahr worden/ weiß ich nicht welcher Poet jhr fol- gende Grabſchrifft gemacht hat: Hier/ Leſer/ ſieheſtu ein Grab voll grimmer Schmertzen/ Ein Weib die ſelbſt befandt in jhrem rawen Hertzen Daß Rr v
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Das Vierdte Buch.
Stracks erdachte man vnterſchiedliche vnd gefaͤhr-
lich Vrſachen jhres Todes. Der Koͤnige als er von
der Ermordung hoͤrete erſchrack haͤfftig: an der Ar-
genis aber kundte man kein Zeichẽ weder der Barm-
hertzigkeit noch deß Haſſes ſpuͤren; entweder daß ſie
meinete/ Seleniſſe were noch nicht genug geſtrafft/
oder daß ſich jhr enzuͤndetes Hertze verwunderte daß
es ſich durch eine ſolche Buſſe auff einmal gaͤntzlich
beſaͤnfftigen lieſſe/ vnd alſo zwiſchen beyden regun-
gen deß Gemuͤtes gleichſam vnempſindtlich war.
Nichtsdeſtoweniger ſahe ſie/ wie Seleniſſe jhr auch
mit jhrem Tode geſchadet hette. Was wuͤrde Sici-
lien/ was wuͤrde Radirobanes ſampt den ſeinigen
ſagen? Die Alte hette durch eine ſo ſchreckliche Rach
an jhr ſelber/ mehr als durch die Verꝛhaͤterey das
Geheimniß von der Theocrine offenbahret. Vber
dieß/ weil ja die Sache darzu gerhaten/ als hatt ſie
verhofft/ der Koͤnig wuͤrde von der Seleniſſen die
Verheiſſung den Poliarchus zu heyrathen ver-
nemmen; welche Heimligkeit ſie zwar an den Vat-
ter nicht bringen duͤrffte/ aber dennoch ſtandthafftig
zu vertheidigen entſchloſſen war. Im vbrigen ſo ließ
der Koͤnig die menge deß Volckes abſchaffen. Her-
nach wardt der Coͤrper ohn alles Gepraͤnge einge-
ſencket/ vnd/ als die Vrſache der entleibung offen-
bahr worden/ weiß ich nicht welcher Poet jhr fol-
gende Grabſchrifft gemacht hat:
Hier/ Leſer/ ſieheſtu ein Grab voll grimmer Schmertzen/
Ein Weib die ſelbſt befandt in jhrem rawen Hertzen
Daß
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