Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

Bild:
<< vorherige Seite

Joh. Barclayens Argenis/
Vatter selbst nicht vnschuldig were/ der so leichtlich
in deß Poliarchus Verderb eingewilligt: vnd fürch-
tete sich hergegen die schuldige Kinder liebe weg zu
legen/ kehrete jhr Hertze widerumb zu den Göttern/
vnd ob sie zwar für Bestürtzung nicht reden kundte/
so erweichete sie dieselben doch mehr mit jhrem Vn-
glück/ als mit jhrem Bitten. Gleichwol behielte sie
die Threnen noch in jhrer Gewalt/ in dem sie die
Scham zurücke hielt/ daß sie so offentlich vnd zur
Vnzeit nit weinete: vnd vielleicht war der Schmertzen
grösser/ als das sie Zähren hette vergiessen können.

Poliarchus war nicht minder bekümmert vnd
verwirret. Er muste den angenehmen Ort verlas-
sen/ vnd als ein Vbelthäter darvon fliehen. Wie
schickte sich dieser Zustandt zu seinem Geschlechte
vnd ritterlichen Gemüte so gar vbel? Was zu vor-
hin seine beste Lust vnd Ergetzung gewesen/ das er-
füllete an jetzo sein Hertze mit den eusersten Schmer-
tzen. Alle Tugenden der Argenis/ alle jhre Gaben
kamen jhm in den Sinn: vnd auch dieselben Sachen
welche er für die geringsten an jhr gehalten/ erfülleten jm
nun da er sie verlassen muste mit einer ansehnlichern
Gestalt die Gedancken. Vnter so vielen Vbeln aber
war jhm nichts beschwerlicher/ als daß er Vrsach
an der Argenis Schmertzen seyn solte. So erhub sie
auch in seinem Gemüte nicht ein geringe Furchte/
es möchte die Zeit vnd Abwesenheit das Verbündt-
niß vnd die Zusage zwischen der Princessin vnd jhm
außleschen/ vnd der Argenis etwas gefallen/ was er

hassen

Joh. Barclayens Argenis/
Vatter ſelbſt nicht vnſchuldig were/ der ſo leichtlich
in deß Poliarchus Verderb eingewilligt: vnd fuͤrch-
tete ſich hergegen die ſchuldige Kinder liebe weg zu
legen/ kehrete jhr Hertze widerumb zu den Goͤttern/
vnd ob ſie zwar fuͤr Beſtuͤrtzung nicht reden kundte/
ſo erweichete ſie dieſelben doch mehr mit jhrem Vn-
gluͤck/ als mit jhrem Bitten. Gleichwol behielte ſie
die Threnen noch in jhrer Gewalt/ in dem ſie die
Scham zuruͤcke hielt/ daß ſie ſo offentlich vnd zur
Vnzeit nit weinete: vñ vielleicht war der Schmertzẽ
groͤſſer/ als das ſie Zaͤhren hette vergieſſen koͤnnen.

Poliarchus war nicht minder bekuͤmmert vnd
verwirꝛet. Er muſte den angenehmen Ort verlaſ-
ſen/ vnd als ein Vbelthaͤter darvon fliehen. Wie
ſchickte ſich dieſer Zuſtandt zu ſeinem Geſchlechte
vnd ritterlichen Gemuͤte ſo gar vbel? Was zu vor-
hin ſeine beſte Luſt vnd Ergetzung geweſen/ das er-
fuͤllete an jetzo ſein Hertze mit den euſerſten Schmer-
tzen. Alle Tugenden der Argenis/ alle jhre Gaben
kamen jhm in den Sinn: vnd auch dieſelben Sachen
welche er fuͤr die geringſtẽ an jhr gehaltẽ/ erfuͤlletẽ jm
nun da er ſie verlaſſen muſte mit einer anſehnlichern
Geſtalt die Gedancken. Vnter ſo vielen Vbeln aber
war jhm nichts beſchwerlicher/ als daß er Vrſach
an der Argenis Schmertzen ſeyn ſolte. So erhub ſie
auch in ſeinem Gemuͤte nicht ein geringe Furchte/
es moͤchte die Zeit vnd Abweſenheit das Verbuͤndt-
niß vnd die Zuſage zwiſchen der Princeſſin vnd jhm
außleſchen/ vnd der Argenis etwas gefallen/ was er

haſſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0212" n="168"/><fw place="top" type="header">Joh. Barclayens Argenis/</fw><lb/>
Vatter &#x017F;elb&#x017F;t nicht vn&#x017F;chuldig were/ der &#x017F;o leichtlich<lb/>
in deß Poliarchus Verderb eingewilligt: vnd fu&#x0364;rch-<lb/>
tete &#x017F;ich hergegen die &#x017F;chuldige Kinder liebe weg zu<lb/>
legen/ kehrete jhr Hertze widerumb zu den Go&#x0364;ttern/<lb/>
vnd ob &#x017F;ie zwar fu&#x0364;r Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung nicht reden kundte/<lb/>
&#x017F;o erweichete &#x017F;ie die&#x017F;elben doch mehr mit jhrem Vn-<lb/>
glu&#x0364;ck/ als mit jhrem Bitten. Gleichwol behielte &#x017F;ie<lb/>
die Threnen noch in jhrer Gewalt/ in dem &#x017F;ie die<lb/>
Scham zuru&#x0364;cke hielt/ daß &#x017F;ie &#x017F;o offentlich vnd zur<lb/>
Vnzeit nit weinete: vn&#x0303; vielleicht war der Schmertze&#x0303;<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er/ als das &#x017F;ie Za&#x0364;hren hette vergie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Poliarchus war nicht minder beku&#x0364;mmert vnd<lb/>
verwir&#xA75B;et. Er mu&#x017F;te den angenehmen Ort verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ vnd als ein Vbeltha&#x0364;ter darvon fliehen. Wie<lb/>
&#x017F;chickte &#x017F;ich die&#x017F;er Zu&#x017F;tandt zu &#x017F;einem Ge&#x017F;chlechte<lb/>
vnd ritterlichen Gemu&#x0364;te &#x017F;o gar vbel? Was zu vor-<lb/>
hin &#x017F;eine be&#x017F;te Lu&#x017F;t vnd Ergetzung gewe&#x017F;en/ das er-<lb/>
fu&#x0364;llete an jetzo &#x017F;ein Hertze mit den eu&#x017F;er&#x017F;ten Schmer-<lb/>
tzen. Alle Tugenden der Argenis/ alle jhre Gaben<lb/>
kamen jhm in den Sinn: vnd auch die&#x017F;elben Sachen<lb/>
welche er fu&#x0364;r die gering&#x017F;te&#x0303; an jhr gehalte&#x0303;/ erfu&#x0364;llete&#x0303; jm<lb/>
nun da er &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en mu&#x017F;te mit einer an&#x017F;ehnlichern<lb/>
Ge&#x017F;talt die Gedancken. Vnter &#x017F;o vielen Vbeln aber<lb/>
war jhm nichts be&#x017F;chwerlicher/ als daß er Vr&#x017F;ach<lb/>
an der Argenis Schmertzen &#x017F;eyn &#x017F;olte. So erhub &#x017F;ie<lb/>
auch in &#x017F;einem Gemu&#x0364;te nicht ein geringe Furchte/<lb/>
es mo&#x0364;chte die Zeit vnd Abwe&#x017F;enheit das Verbu&#x0364;ndt-<lb/>
niß vnd die Zu&#x017F;age zwi&#x017F;chen der Prince&#x017F;&#x017F;in vnd jhm<lb/>
außle&#x017F;chen/ vnd der Argenis etwas gefallen/ was er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x017F;&#x017F;en</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0212] Joh. Barclayens Argenis/ Vatter ſelbſt nicht vnſchuldig were/ der ſo leichtlich in deß Poliarchus Verderb eingewilligt: vnd fuͤrch- tete ſich hergegen die ſchuldige Kinder liebe weg zu legen/ kehrete jhr Hertze widerumb zu den Goͤttern/ vnd ob ſie zwar fuͤr Beſtuͤrtzung nicht reden kundte/ ſo erweichete ſie dieſelben doch mehr mit jhrem Vn- gluͤck/ als mit jhrem Bitten. Gleichwol behielte ſie die Threnen noch in jhrer Gewalt/ in dem ſie die Scham zuruͤcke hielt/ daß ſie ſo offentlich vnd zur Vnzeit nit weinete: vñ vielleicht war der Schmertzẽ groͤſſer/ als das ſie Zaͤhren hette vergieſſen koͤnnen. Poliarchus war nicht minder bekuͤmmert vnd verwirꝛet. Er muſte den angenehmen Ort verlaſ- ſen/ vnd als ein Vbelthaͤter darvon fliehen. Wie ſchickte ſich dieſer Zuſtandt zu ſeinem Geſchlechte vnd ritterlichen Gemuͤte ſo gar vbel? Was zu vor- hin ſeine beſte Luſt vnd Ergetzung geweſen/ das er- fuͤllete an jetzo ſein Hertze mit den euſerſten Schmer- tzen. Alle Tugenden der Argenis/ alle jhre Gaben kamen jhm in den Sinn: vnd auch dieſelben Sachen welche er fuͤr die geringſtẽ an jhr gehaltẽ/ erfuͤlletẽ jm nun da er ſie verlaſſen muſte mit einer anſehnlichern Geſtalt die Gedancken. Vnter ſo vielen Vbeln aber war jhm nichts beſchwerlicher/ als daß er Vrſach an der Argenis Schmertzen ſeyn ſolte. So erhub ſie auch in ſeinem Gemuͤte nicht ein geringe Furchte/ es moͤchte die Zeit vnd Abweſenheit das Verbuͤndt- niß vnd die Zuſage zwiſchen der Princeſſin vnd jhm außleſchen/ vnd der Argenis etwas gefallen/ was er haſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/212
Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/212>, abgerufen am 24.11.2024.