Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Fünffte Buch. Vrsprung aller Tugenden den Menschen Rechtvnd Billigkeit durch die Vernunfft so in jhren Ge- mütern ist/ fürgeschrieben hat/ sich an denen Lastern erlustige/ mit welchen wir vnsere Natur offtmals verderben? Es kan niemandt anders als ein höchst- gerechter Erfinder seyn/ der dieses Gesetze das wir sehen der Natur gegeben hat. Nun kan er gerecht nicht seyn/ wann er so viel Laster vngestrafft liesse hingehen. Derhalben so baldt die Liebe deß guten/ vnd das Verlangen der Götter geneigten Willen zu vberkommen/ nebenst der Forchte deß Himme- lischen Zorns vnser Gemüte gerühret hat; so baldt sollen wir nichts mit grösserer Embsigkeit suchen als die Entweichung von den gefährlichen Lastern/ welche so vielen Leuten den Vntergang verursacht haben. Dieselbigen Gefährligkeiten sindt theils in vns selbst/ theils kommen sie vns von andern her. Vnd zu beyder heylsamer Vermeidung/ haben wir diese Art der einsamen vnd ernsthafften Frommig- keit erfunden. Dann erstlich werden die vnziemli- chen Begierden/ mit denen wir vns selbst Schaden thun/ durch diese weise zu leben dermassen mit Ge- walt entwaffnet; als wie wann man wilden Thie- ren/ so gezähmet worden/ auch die Klawen vnd Zähne weggebrochen hette: daß sie also hernach/ wann sie schon jhre wilde Natur wider an sich neh- men/ dennoch nichts haben mit dem sie schaden können. Dann die Begier zur Wollust verleuret bey vns durch den hergegengesetzten Gebrauch deß har- ten
Das Fuͤnffte Buch. Vrſprung aller Tugenden den Menſchen Rechtvnd Billigkeit durch die Vernunfft ſo in jhren Ge- muͤtern iſt/ fuͤrgeſchrieben hat/ ſich an denen Laſtern erluſtige/ mit welchen wir vnſere Natur offtmals verderben? Es kan niemandt anders als ein hoͤchſt- gerechter Erfinder ſeyn/ der dieſes Geſetze das wir ſehen der Natur gegeben hat. Nun kan er gerecht nicht ſeyn/ wann er ſo viel Laſter vngeſtrafft lieſſe hingehen. Derhalben ſo baldt die Liebe deß guten/ vnd das Verlangen der Goͤtter geneigten Willen zu vberkommen/ nebenſt der Forchte deß Himme- liſchen Zorns vnſer Gemuͤte geruͤhret hat; ſo baldt ſollen wir nichts mit groͤſſerer Embſigkeit ſuchen als die Entweichung von den gefaͤhrlichen Laſtern/ welche ſo vielen Leuten den Vntergang verurſacht haben. Dieſelbigen Gefaͤhrligkeiten ſindt theils in vns ſelbſt/ theils kommen ſie vns von andern her. Vnd zu beyder heylſamer Vermeidung/ haben wir dieſe Art der einſamen vnd ernſthafften Frommig- keit erfunden. Dann erſtlich werden die vnziemli- chen Begierden/ mit denen wir vns ſelbſt Schaden thun/ durch dieſe weiſe zu leben dermaſſen mit Ge- walt entwaffnet; als wie wann man wilden Thie- ren/ ſo gezaͤhmet worden/ auch die Klawen vnd Zaͤhne weggebrochen hette: daß ſie alſo hernach/ wann ſie ſchon jhre wilde Natur wider an ſich neh- men/ dennoch nichts haben mit dem ſie ſchaden koͤnnẽ. Dann die Begier zur Wolluſt verleuret bey vns durch den hergegengeſetzten Gebrauch deß har- ten
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Das Fuͤnffte Buch.
Vrſprung aller Tugenden den Menſchen Recht
vnd Billigkeit durch die Vernunfft ſo in jhren Ge-
muͤtern iſt/ fuͤrgeſchrieben hat/ ſich an denen Laſtern
erluſtige/ mit welchen wir vnſere Natur offtmals
verderben? Es kan niemandt anders als ein hoͤchſt-
gerechter Erfinder ſeyn/ der dieſes Geſetze das wir
ſehen der Natur gegeben hat. Nun kan er gerecht
nicht ſeyn/ wann er ſo viel Laſter vngeſtrafft lieſſe
hingehen. Derhalben ſo baldt die Liebe deß guten/
vnd das Verlangen der Goͤtter geneigten Willen
zu vberkommen/ nebenſt der Forchte deß Himme-
liſchen Zorns vnſer Gemuͤte geruͤhret hat; ſo baldt
ſollen wir nichts mit groͤſſerer Embſigkeit ſuchen
als die Entweichung von den gefaͤhrlichen Laſtern/
welche ſo vielen Leuten den Vntergang verurſacht
haben. Dieſelbigen Gefaͤhrligkeiten ſindt theils in
vns ſelbſt/ theils kommen ſie vns von andern her.
Vnd zu beyder heylſamer Vermeidung/ haben wir
dieſe Art der einſamen vnd ernſthafften Frommig-
keit erfunden. Dann erſtlich werden die vnziemli-
chen Begierden/ mit denen wir vns ſelbſt Schaden
thun/ durch dieſe weiſe zu leben dermaſſen mit Ge-
walt entwaffnet; als wie wann man wilden Thie-
ren/ ſo gezaͤhmet worden/ auch die Klawen vnd
Zaͤhne weggebrochen hette: daß ſie alſo hernach/
wann ſie ſchon jhre wilde Natur wider an ſich neh-
men/ dennoch nichts haben mit dem ſie ſchaden
koͤnnẽ. Dann die Begier zur Wolluſt verleuret bey
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