weltlichen und geistlichen Obrigkeit in Aussicht gestellt und geweissagt. Die Renaissance gab den Anstoss.
Arnold von Brescia starb den Feuertod am Kreuze, weil er die innere Verwesung der Kirche und die Lehre von der Freiheit und Souveränität des Volkes verkündet hatte. In Frankreich lehrte Abälard: "Man kann nichts glauben, was man nicht zuvor vernünftig begriffen hat und es ist lächerlich, andern zu predigen, was man weder selbst, noch der, dem man predigt, vernünftig begreifen kann". In England der Franziskanermönch John Ball: "Jetzt oder nie muss etwas geschehen, wir müssen allesamt von dem jungen König Freiheit fordern. Gibt er sie nicht, uns selbst helfen". Es war die Zeit, da die flämischen Steuereinnehmer den heran- wachsenden Mädchen die Röcke aufhoben, um zu sehen, ob sie nicht mannbar und steuerpflichtig wären. Räuber- banden von Juden und Junkern durchzogen das Land. Eine Schweizer Chronik schreibt: "Die Tyrannei ist so gewaltig, dass auch die Propheten und Prediger zustimmen oder schweigen". Eine Souveränität des Unsinns und des allmäch- tigen Elends herrschte. Das Volk war betäubt und ohnmächtig von Weihrauch wie heute vom Pulverdampf.
In Deutschland aber trat ein Genie des Gedankens und der Tat auf, das den Ruhm Luthers verdunkeln wird. Kein Mönch, -- ein Magister artium versuchte, die Kämpfe seiner Nation aus deren innerstem Wesen im Geiste der Mystik zu leiten. Und so sehr überragte dieser Mann seine furchtsame Zeit, dass er den Himmel zerbrach, Gott, Christentum, Bibel und Theologie neuartig zu deuten verstand und die Heiden und Türken brüderlich grüsste: er litt am Geiste und an der Nation.
8.
Thomas Münzer gehört zu jener Ordnung von Geistern, denen nach einem Wort Rene Schickeles "ihre mystischen
weltlichen und geistlichen Obrigkeit in Aussicht gestellt und geweissagt. Die Renaissance gab den Anstoss.
Arnold von Brescia starb den Feuertod am Kreuze, weil er die innere Verwesung der Kirche und die Lehre von der Freiheit und Souveränität des Volkes verkündet hatte. In Frankreich lehrte Abälard: „Man kann nichts glauben, was man nicht zuvor vernünftig begriffen hat und es ist lächerlich, andern zu predigen, was man weder selbst, noch der, dem man predigt, vernünftig begreifen kann“. In England der Franziskanermönch John Ball: „Jetzt oder nie muss etwas geschehen, wir müssen allesamt von dem jungen König Freiheit fordern. Gibt er sie nicht, uns selbst helfen“. Es war die Zeit, da die flämischen Steuereinnehmer den heran- wachsenden Mädchen die Röcke aufhoben, um zu sehen, ob sie nicht mannbar und steuerpflichtig wären. Räuber- banden von Juden und Junkern durchzogen das Land. Eine Schweizer Chronik schreibt: „Die Tyrannei ist so gewaltig, dass auch die Propheten und Prediger zustimmen oder schweigen“. Eine Souveränität des Unsinns und des allmäch- tigen Elends herrschte. Das Volk war betäubt und ohnmächtig von Weihrauch wie heute vom Pulverdampf.
In Deutschland aber trat ein Genie des Gedankens und der Tat auf, das den Ruhm Luthers verdunkeln wird. Kein Mönch, — ein Magister artium versuchte, die Kämpfe seiner Nation aus deren innerstem Wesen im Geiste der Mystik zu leiten. Und so sehr überragte dieser Mann seine furchtsame Zeit, dass er den Himmel zerbrach, Gott, Christentum, Bibel und Theologie neuartig zu deuten verstand und die Heiden und Türken brüderlich grüsste: er litt am Geiste und an der Nation.
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Thomas Münzer gehört zu jener Ordnung von Geistern, denen nach einem Wort René Schickeles „ihre mystischen
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weltlichen und geistlichen Obrigkeit in Aussicht gestellt
und geweissagt. Die Renaissance gab den Anstoss.
Arnold von Brescia starb den Feuertod am Kreuze,
weil er die innere Verwesung der Kirche und die Lehre von
der Freiheit und Souveränität des Volkes verkündet hatte. In
Frankreich lehrte Abälard: „Man kann nichts glauben, was
man nicht zuvor vernünftig begriffen hat und es ist lächerlich,
andern zu predigen, was man weder selbst, noch der, dem
man predigt, vernünftig begreifen kann“. In England der
Franziskanermönch John Ball: „Jetzt oder nie muss etwas
geschehen, wir müssen allesamt von dem jungen König
Freiheit fordern. Gibt er sie nicht, uns selbst helfen“. Es
war die Zeit, da die flämischen Steuereinnehmer den heran-
wachsenden Mädchen die Röcke aufhoben, um zu sehen,
ob sie nicht mannbar und steuerpflichtig wären. Räuber-
banden von Juden und Junkern durchzogen das Land. Eine
Schweizer Chronik schreibt: „Die Tyrannei ist so gewaltig,
dass auch die Propheten und Prediger zustimmen oder
schweigen“. Eine Souveränität des Unsinns und des allmäch-
tigen Elends herrschte. Das Volk war betäubt und ohnmächtig
von Weihrauch wie heute vom Pulverdampf.
In Deutschland aber trat ein Genie des Gedankens
und der Tat auf, das den Ruhm Luthers verdunkeln wird.
Kein Mönch, — ein Magister artium versuchte, die Kämpfe
seiner Nation aus deren innerstem Wesen im Geiste der
Mystik zu leiten. Und so sehr überragte dieser Mann seine
furchtsame Zeit, dass er den Himmel zerbrach, Gott,
Christentum, Bibel und Theologie neuartig zu deuten
verstand und die Heiden und Türken brüderlich grüsste:
er litt am Geiste und an der Nation.
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Thomas Münzer gehört zu jener Ordnung von Geistern,
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/45>, abgerufen am 23.11.2024.
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