Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.56) Gustav Landauer ausgenommen, von dessen menschlich freiem "Aufruf zum Sozialismus" (Berlin, 1912) ich hier gerne gestehe, dass seine Bedeutung noch 1914 meine Einsicht übertraf. 57) Nettlau, "Michael Bakunin", eine Biographie, Bd. I, S. 78. 58) "Nachgelassene Schriften", Die Deutschen in der Emi- gration. 59) Proudhon, Correspondance, Paris 1875, II, pag. 198. Das "Libell eines Doctor Marx" ist Karl Marxens "Misere de la philosophie. Reponse a la philosophie de la misere de M. Prou- dhon", Bruxelles et Paris, 1847, deutsch von Ed. Bernstein und Karl Kautsky, 1892. 60) Noch Mehring trägt die Legenden von Bakunins Pan- slavismus, Agententum und persönlicher Eifersucht auf Marx in seinem grossen und hervorragenden Geschichtswerk weiter. Während er Dilettanten wie Borkheim und Hess nur weil sie im grossen Lichtkreis der Marx'schen Sonne standen, über Gebühr unterstreicht, ist von Bakunins Föderalismus und Anti-Etatismus, von seiner Marxkritik und seinem aktiven Humanitätsideal, das viele deutsche Wurzeln hat, kaum die Rede. Bd. II, S. 176 kann man lesen, dass Bakunin "am eifrigsten daran gearbeitet hat, den Bund (die herrliche marxistische Internationale) zu zerrütten"; S. 370, dass er "den ideologischen Ueberbau mit der ökonomischen Unterlage verwechselte", trotzdem weder das Eine noch das Andere haltbar ist. Die ganze Internationale war sich bis zur Londoner Konferenz (1871) darüber einig, dass die Wahlaktion dem ökonomischen Emanzipationskampf als Mittel unterzuordnen sei. Während Bakunins System von seiner ersten Formulierung (1867) bis zu seinem Tode konsequent dasselbe blieb, die Beteiligung an den bürgerlichen Parlamenten und be- sonders am prusso-germanischen Parlament bekämpfte, hat gerade Marx durch seine Schwenkung zur Wahlpolitik 1871 die Interna- tionale in staatliche Gruppen aufgelöst, und damit recht eigent- lich die völkerverbindende Idee des Sozialismus zerrüttet und korrumpiert. Auf dem berüchtigten Haager Kongress (1872), wo Marx nach Mehring die Internationale vom "anarchistischen Roste" säuberte, während er sich tatsächlich nur auf dem Reptilien- wege eine Mehrheit gegen die föderalistische und antistaatliche Opposition zu sichern wusste, vollzog Marx seine Reaktion gegen den humanistischen Geist der Internationale, der schon damals den Zentralismus der Bismarck und Marx zu identifizieren begann. "Der Kongress", schreibt Mehring (IV, S. 54), "sagte sich durch 56) Gustav Landauer ausgenommen, von dessen menschlich freiem „Aufruf zum Sozialismus“ (Berlin, 1912) ich hier gerne gestehe, dass seine Bedeutung noch 1914 meine Einsicht übertraf. 57) Nettlau, „Michael Bakunin“, eine Biographie, Bd. I, S. 78. 58) „Nachgelassene Schriften“, Die Deutschen in der Emi- gration. 59) Proudhon, Correspondance, Paris 1875, II, pag. 198. Das „Libell eines Doctor Marx“ ist Karl Marxens „Misère de la philosophie. Réponse à la philosophie de la misère de M. Prou- dhon“, Bruxelles et Paris, 1847, deutsch von Ed. Bernstein und Karl Kautsky, 1892. 60) Noch Mehring trägt die Legenden von Bakunins Pan- slavismus, Agententum und persönlicher Eifersucht auf Marx in seinem grossen und hervorragenden Geschichtswerk weiter. Während er Dilettanten wie Borkheim und Hess nur weil sie im grossen Lichtkreis der Marx'schen Sonne standen, über Gebühr unterstreicht, ist von Bakunins Föderalismus und Anti-Etatismus, von seiner Marxkritik und seinem aktiven Humanitätsideal, das viele deutsche Wurzeln hat, kaum die Rede. Bd. II, S. 176 kann man lesen, dass Bakunin „am eifrigsten daran gearbeitet hat, den Bund (die herrliche marxistische Internationale) zu zerrütten“; S. 370, dass er „den ideologischen Ueberbau mit der ökonomischen Unterlage verwechselte“, trotzdem weder das Eine noch das Andere haltbar ist. Die ganze Internationale war sich bis zur Londoner Konferenz (1871) darüber einig, dass die Wahlaktion dem ökonomischen Emanzipationskampf als Mittel unterzuordnen sei. Während Bakunins System von seiner ersten Formulierung (1867) bis zu seinem Tode konsequent dasselbe blieb, die Beteiligung an den bürgerlichen Parlamenten und be- sonders am prusso-germanischen Parlament bekämpfte, hat gerade Marx durch seine Schwenkung zur Wahlpolitik 1871 die Interna- tionale in staatliche Gruppen aufgelöst, und damit recht eigent- lich die völkerverbindende Idee des Sozialismus zerrüttet und korrumpiert. Auf dem berüchtigten Haager Kongress (1872), wo Marx nach Mehring die Internationale vom „anarchistischen Roste“ säuberte, während er sich tatsächlich nur auf dem Reptilien- wege eine Mehrheit gegen die föderalistische und antistaatliche Opposition zu sichern wusste, vollzog Marx seine Reaktion gegen den humanistischen Geist der Internationale, der schon damals den Zentralismus der Bismarck und Marx zu identifizieren begann. „Der Kongress“, schreibt Mehring (IV, S. 54), „sagte sich durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0292" n="284"/> <note xml:id="id56b56c" prev="id56c" place="end" n="56)"> Gustav Landauer ausgenommen, von dessen menschlich<lb/> freiem „Aufruf zum Sozialismus“ (Berlin, 1912) ich hier gerne<lb/> gestehe, dass seine Bedeutung noch 1914 meine Einsicht<lb/> übertraf.</note><lb/> <note xml:id="id57b57c" prev="id57c" place="end" n="57)"> Nettlau, „Michael Bakunin“, eine Biographie, Bd. 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⁵⁶⁾ Gustav Landauer ausgenommen, von dessen menschlich
freiem „Aufruf zum Sozialismus“ (Berlin, 1912) ich hier gerne
gestehe, dass seine Bedeutung noch 1914 meine Einsicht
übertraf.
⁵⁷⁾ Nettlau, „Michael Bakunin“, eine Biographie, Bd. I, S. 78.
⁵⁸⁾ „Nachgelassene Schriften“, Die Deutschen in der Emi-
gration.
⁵⁹⁾ Proudhon, Correspondance, Paris 1875, II, pag. 198.
Das „Libell eines Doctor Marx“ ist Karl Marxens „Misère de la
philosophie. Réponse à la philosophie de la misère de M. Prou-
dhon“, Bruxelles et Paris, 1847, deutsch von Ed. Bernstein und
Karl Kautsky, 1892.
⁶⁰⁾ Noch Mehring trägt die Legenden von Bakunins Pan-
slavismus, Agententum und persönlicher Eifersucht auf Marx in
seinem grossen und hervorragenden Geschichtswerk weiter.
Während er Dilettanten wie Borkheim und Hess nur weil sie im
grossen Lichtkreis der Marx'schen Sonne standen, über Gebühr
unterstreicht, ist von Bakunins Föderalismus und Anti-Etatismus,
von seiner Marxkritik und seinem aktiven Humanitätsideal, das
viele deutsche Wurzeln hat, kaum die Rede. Bd. II, S. 176
kann man lesen, dass Bakunin „am eifrigsten daran gearbeitet
hat, den Bund (die herrliche marxistische Internationale) zu
zerrütten“; S. 370, dass er „den ideologischen Ueberbau mit
der ökonomischen Unterlage verwechselte“, trotzdem weder das
Eine noch das Andere haltbar ist. Die ganze Internationale war
sich bis zur Londoner Konferenz (1871) darüber einig, dass die
Wahlaktion dem ökonomischen Emanzipationskampf als Mittel
unterzuordnen sei. Während Bakunins System von seiner ersten
Formulierung (1867) bis zu seinem Tode konsequent dasselbe
blieb, die Beteiligung an den bürgerlichen Parlamenten und be-
sonders am prusso-germanischen Parlament bekämpfte, hat gerade
Marx durch seine Schwenkung zur Wahlpolitik 1871 die Interna-
tionale in staatliche Gruppen aufgelöst, und damit recht eigent-
lich die völkerverbindende Idee des Sozialismus zerrüttet und
korrumpiert. Auf dem berüchtigten Haager Kongress (1872), wo
Marx nach Mehring die Internationale vom „anarchistischen Roste“
säuberte, während er sich tatsächlich nur auf dem Reptilien-
wege eine Mehrheit gegen die föderalistische und antistaatliche
Opposition zu sichern wusste, vollzog Marx seine Reaktion gegen
den humanistischen Geist der Internationale, der schon damals
den Zentralismus der Bismarck und Marx zu identifizieren begann.
„Der Kongress“, schreibt Mehring (IV, S. 54), „sagte sich durch
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