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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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kirchliche Organisation vor. In einer 1818 erschienenen Abhand-
lung "Der morgenländische und abendländische Katholizismus
mehr in seinem inneren wesentlichen als in seinem äusseren
Verhältnisse dargestellt" heisst es: "Die Vornehmheit, mit welcher
sowohl Romanisten als viele Protestanten im Abendlande auf die
polizeiliche Abhängigkeit der gräco-russischen Kirche als ecclesia
pressa herabblicken zu können vermeinen, steht ihnen übel an, indem
sie wissen könnten, dass gerade eine solche Abhängigkeit nicht
essentiell, sondern nur akzidentiell besteht, wovon aber das Ge-
genteil sowohl bei der römischen als protestantischen Kirche
statthat, indem jene sich der weltlichen Souverainete nicht anders
zu entziehen weiss als durch unbedingte Untertänigkeit unter
einen geistlichen Souverain, so wie die protestantische Kirche
sich zwar der Untertänigkeit unter einen geistlichen Zwingherrn
entzogen hält, aber nur damit, dass sie den weltlichen Landes-
herrn als Oberhirten und Oberbischof anerkennt." -- In einem
Briefe an Varnhagen von Ense (1824) nennt er den Protestantis-
mus das "grosse Unterhaus der Kirche", und in einem weiteren
Briefe schreibt er: "Der Protestantismus soll seinen status quo
herstellen. Die Evangelischen sollen -- ein Evangelium haben.
Kann aber der Protestantismus diesen status quo nicht herstellen,
pereat!" (Kleine Schriften, Leipzig 1850, S. 380/82). Seine
ekklesiastischen Hoffnungen waren untrüglich auf die Wieder-
vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen gerichtet.
Bei der morgenländischen Kirche glaubte Baader einer der kor-
porativen Natur der Kirche entsprechendere kollegiale Form des
Kirchenregiments zu finden, ursprünglich reinere Formen in der
Verwaltung der Sakramente, einen reineren Begriff von den Be-
dingungen, unter deren der unfrei gewordene Mensch von der
Macht der Sünde und Schuld befreit werden könne. Die idealistische
deutsche Philosophie war ihm nur ein Vorläufer der Auflösung
des Protestantismus.
160) "Tagebücher aus den Jahren 1786 bis 1793", Leipzig 1850,
S. 253, Bd. XI der Gesammelten Schriften.
161) Ebendort, S. 82.
162) "Il y a parmi nous", sagt George D. Herron, "un sen-
timent de la presence de Christ sans correspondant dans le
passe". ("Le Germanisme et la croisade americaine", Atar,
Geneve 1918.)
163) 1. Novemberheft "Mercure de France", Paris 1916.
164) "Gedanken und Einfälle", Bd. XII der Vermischten
Schriften.
kirchliche Organisation vor. In einer 1818 erschienenen Abhand-
lung „Der morgenländische und abendländische Katholizismus
mehr in seinem inneren wesentlichen als in seinem äusseren
Verhältnisse dargestellt“ heisst es: „Die Vornehmheit, mit welcher
sowohl Romanisten als viele Protestanten im Abendlande auf die
polizeiliche Abhängigkeit der gräco-russischen Kirche als ecclesia
pressa herabblicken zu können vermeinen, steht ihnen übel an, indem
sie wissen könnten, dass gerade eine solche Abhängigkeit nicht
essentiell, sondern nur akzidentiell besteht, wovon aber das Ge-
genteil sowohl bei der römischen als protestantischen Kirche
statthat, indem jene sich der weltlichen Souveraineté nicht anders
zu entziehen weiss als durch unbedingte Untertänigkeit unter
einen geistlichen Souverain, so wie die protestantische Kirche
sich zwar der Untertänigkeit unter einen geistlichen Zwingherrn
entzogen hält, aber nur damit, dass sie den weltlichen Landes-
herrn als Oberhirten und Oberbischof anerkennt.“ — In einem
Briefe an Varnhagen von Ense (1824) nennt er den Protestantis-
mus das „grosse Unterhaus der Kirche“, und in einem weiteren
Briefe schreibt er: „Der Protestantismus soll seinen status quo
herstellen. Die Evangelischen sollen — ein Evangelium haben.
Kann aber der Protestantismus diesen status quo nicht herstellen,
pereat!“ (Kleine Schriften, Leipzig 1850, S. 380/82). Seine
ekklesiastischen Hoffnungen waren untrüglich auf die Wieder-
vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen gerichtet.
Bei der morgenländischen Kirche glaubte Baader einer der kor-
porativen Natur der Kirche entsprechendere kollegiale Form des
Kirchenregiments zu finden, ursprünglich reinere Formen in der
Verwaltung der Sakramente, einen reineren Begriff von den Be-
dingungen, unter deren der unfrei gewordene Mensch von der
Macht der Sünde und Schuld befreit werden könne. Die idealistische
deutsche Philosophie war ihm nur ein Vorläufer der Auflösung
des Protestantismus.
160) „Tagebücher aus den Jahren 1786 bis 1793“, Leipzig 1850,
S. 253, Bd. XI der Gesammelten Schriften.
161) Ebendort, S. 82.
162) „Il y a parmi nous“, sagt George D. Herron, „un sen-
timent de la présence de Christ sans correspondant dans le
passé“. („Le Germanisme et la croisade américaine“, Atar,
Genève 1918.)
163) 1. Novemberheft „Mercure de France“, Paris 1916.
164) „Gedanken und Einfälle“, Bd. XII der Vermischten
Schriften.
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[266/0274] ¹⁵⁹⁾ kirchliche Organisation vor. In einer 1818 erschienenen Abhand- lung „Der morgenländische und abendländische Katholizismus mehr in seinem inneren wesentlichen als in seinem äusseren Verhältnisse dargestellt“ heisst es: „Die Vornehmheit, mit welcher sowohl Romanisten als viele Protestanten im Abendlande auf die polizeiliche Abhängigkeit der gräco-russischen Kirche als ecclesia pressa herabblicken zu können vermeinen, steht ihnen übel an, indem sie wissen könnten, dass gerade eine solche Abhängigkeit nicht essentiell, sondern nur akzidentiell besteht, wovon aber das Ge- genteil sowohl bei der römischen als protestantischen Kirche statthat, indem jene sich der weltlichen Souveraineté nicht anders zu entziehen weiss als durch unbedingte Untertänigkeit unter einen geistlichen Souverain, so wie die protestantische Kirche sich zwar der Untertänigkeit unter einen geistlichen Zwingherrn entzogen hält, aber nur damit, dass sie den weltlichen Landes- herrn als Oberhirten und Oberbischof anerkennt.“ — In einem Briefe an Varnhagen von Ense (1824) nennt er den Protestantis- mus das „grosse Unterhaus der Kirche“, und in einem weiteren Briefe schreibt er: „Der Protestantismus soll seinen status quo herstellen. Die Evangelischen sollen — ein Evangelium haben. Kann aber der Protestantismus diesen status quo nicht herstellen, pereat!“ (Kleine Schriften, Leipzig 1850, S. 380/82). Seine ekklesiastischen Hoffnungen waren untrüglich auf die Wieder- vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen gerichtet. Bei der morgenländischen Kirche glaubte Baader einer der kor- porativen Natur der Kirche entsprechendere kollegiale Form des Kirchenregiments zu finden, ursprünglich reinere Formen in der Verwaltung der Sakramente, einen reineren Begriff von den Be- dingungen, unter deren der unfrei gewordene Mensch von der Macht der Sünde und Schuld befreit werden könne. Die idealistische deutsche Philosophie war ihm nur ein Vorläufer der Auflösung des Protestantismus. ¹⁶⁰⁾ „Tagebücher aus den Jahren 1786 bis 1793“, Leipzig 1850, S. 253, Bd. XI der Gesammelten Schriften. ¹⁶¹⁾ Ebendort, S. 82. ¹⁶²⁾ „Il y a parmi nous“, sagt George D. Herron, „un sen- timent de la présence de Christ sans correspondant dans le passé“. („Le Germanisme et la croisade américaine“, Atar, Genève 1918.) ¹⁶³⁾ 1. Novemberheft „Mercure de France“, Paris 1916. ¹⁶⁴⁾ „Gedanken und Einfälle“, Bd. XII der Vermischten Schriften.

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/274>, abgerufen am 25.11.2024.