Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.Der preussische König als summus episcopus war zugleich Im theokratischen Sinne muss man die Handlungen Das christlich-germanische Dogma von der Herrschaft Der preussische König als summus episcopus war zugleich Im theokratischen Sinne muss man die Handlungen Das christlich-germanische Dogma von der Herrschaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0240" n="232"/> Der preussische König als summus episcopus war zugleich<lb/> Rector magnificentissimus seiner Universitäten und oberster<lb/> Chef des Generalstabs. Die Universitätslehrer waren seine<lb/> wissenschaftliche Leibgarde. Sie konnten abkommandiert<lb/> werden wie Unteroffiziere und wurden es auch.</p><lb/> <p>Im theokratischen Sinne muss man die Handlungen<lb/> der deutschen und österreichisch-ungarischen Regierungen<lb/> und die Haltung der ihnen unterstehenden Volksmassen<lb/> interpretieren, wenn man den Sündenturm wahrhaft erkennen<lb/> will. Alle Vorurteile der alldeutschen Ideologie weisen<lb/> zuletzt auf Vorurteile der Theokratie und des Heiligen<lb/> römischen Reichs deutscher Nation zurück. Die Anmassung<lb/> moralischer Ueberlegenheit und des Messiasberufes, die An-<lb/> massung kultureller Superiorität, das Recht auf gewaltsame<lb/> Unterwerfung der „Randvölker“ und die Ueberzeugung<lb/> von der sittlichen Minderwertigkeit dieser Randvölker; die<lb/> Richterallüre im Kriege und in Fragen der europäischen<lb/> Politik, die Strafexpedition wegen Hochverrats gegen das<lb/> „moralische Herz und Zentrum Europas“: das alles sind<lb/> Vokabeln aus dem romantischen Wortschatz des mittelalter-<lb/> lichen Universalstaats und jener langen Jahrhunderte, da<lb/> ein gemeinsamer heiliger römischer „Kaiser der Christen-<lb/> heit“ gerade von Deutschland aus die Kulturwelt „schützte“<lb/> und Deutschland der Schauplatz seines Gepränges, aber<lb/> auch Tummelplatz seines Gesindels und seiner betrunkenen<lb/> Heerlager war.</p><lb/> <p>Das christlich-germanische Dogma von der Herrschaft<lb/> Gottes über die Welt und des Geistes über die Materie,<lb/> oder von der Vormundschaft des Kaisers über seine Unter-<lb/> tanen und der Gelehrtenkaste über die unwissende Plebs,<lb/> hat dann zur Zeit der Reformation eine Spaltung erfahren.<lb/> Die Theokratie des katholischen Adels bevorzugte das Jen-<lb/> seits, die des protestantischen das Diesseits. Das Aufkommen<lb/> der Hohenzollern und die Ausdehnung ihrer Herrschaft von<lb/> Preussen auf Deutschland war nur möglich infolge der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0240]
Der preussische König als summus episcopus war zugleich
Rector magnificentissimus seiner Universitäten und oberster
Chef des Generalstabs. Die Universitätslehrer waren seine
wissenschaftliche Leibgarde. Sie konnten abkommandiert
werden wie Unteroffiziere und wurden es auch.
Im theokratischen Sinne muss man die Handlungen
der deutschen und österreichisch-ungarischen Regierungen
und die Haltung der ihnen unterstehenden Volksmassen
interpretieren, wenn man den Sündenturm wahrhaft erkennen
will. Alle Vorurteile der alldeutschen Ideologie weisen
zuletzt auf Vorurteile der Theokratie und des Heiligen
römischen Reichs deutscher Nation zurück. Die Anmassung
moralischer Ueberlegenheit und des Messiasberufes, die An-
massung kultureller Superiorität, das Recht auf gewaltsame
Unterwerfung der „Randvölker“ und die Ueberzeugung
von der sittlichen Minderwertigkeit dieser Randvölker; die
Richterallüre im Kriege und in Fragen der europäischen
Politik, die Strafexpedition wegen Hochverrats gegen das
„moralische Herz und Zentrum Europas“: das alles sind
Vokabeln aus dem romantischen Wortschatz des mittelalter-
lichen Universalstaats und jener langen Jahrhunderte, da
ein gemeinsamer heiliger römischer „Kaiser der Christen-
heit“ gerade von Deutschland aus die Kulturwelt „schützte“
und Deutschland der Schauplatz seines Gepränges, aber
auch Tummelplatz seines Gesindels und seiner betrunkenen
Heerlager war.
Das christlich-germanische Dogma von der Herrschaft
Gottes über die Welt und des Geistes über die Materie,
oder von der Vormundschaft des Kaisers über seine Unter-
tanen und der Gelehrtenkaste über die unwissende Plebs,
hat dann zur Zeit der Reformation eine Spaltung erfahren.
Die Theokratie des katholischen Adels bevorzugte das Jen-
seits, die des protestantischen das Diesseits. Das Aufkommen
der Hohenzollern und die Ausdehnung ihrer Herrschaft von
Preussen auf Deutschland war nur möglich infolge der
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