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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Gesellschaft ermöglicht und sieht er in der grobmateriellen
Produktion die Geburtsstätte für alle Geschichte 37).

Seltsam genug: dieser Revolutionär ohne revoltierbare
Nation hat ein Interesse an der industriellen Zentralisierung,
weil sie ein deutsches Proletariat schaffen wird, und auf diesen
Zustand arbeitet er hin, weil er ein zentralisiertes Proletariat
braucht für die Emanzipation, die er träumt. So wird er
nach Brupbachers treffendem Wort der "ökonomische Psy-
choanalytiker" und "technische Verstand" der Arbeiter-
bewegung, und obgleich ihm die französischen und eng-
lischen Klassenkämpfe viel mehr Voraussetzungen liefern
als die deutschen, empfindet er besonders seinen franzö-
sischen Lehrern gegenüber doch nur wenig Dankbarkeit,
ja sogar eine gewisse Feindschaft 38). Das rein intellektuelle
Interesse steht im Vordergrund, nicht die Liebe. Der Ehr-
geiz, Autorität und Führer zu sein, diktieren ihm, nicht das
Herz und der Glaube an Menschenrechte 39). Wohlgefallen
am eigenen Geist ersetzt ihm die Religion, und für den
Stachel des Apostatentums rächt er sich durch eine hämisch-
sarkastische, mitunter wohl auch perfide Polemik, wenn er
im Allerheiligsten, seiner Eitelkeit, sich verletzt fühlt 40).

Weitlingianer und Buonarottisten sind es, an deren
Spitze er, aus Paris vertrieben, 1845 in Brüssel tritt. So
paradox die Berufung Lassalles durch Anhänger Weitlings
war, so paradox ist es, dass die konspiratorische Führung
des kommunistischen Handwerkervereins in Brüssel gerade
an Marx übergeht. "Weisst du", plaudert er 1848 in Berlin,
"ich stehe jetzt an der Spitze einer so wohldisziplinierten
sozialistischen Geheimgesellschaft, dass, wenn ich einem
ihrer Mitglieder sagen würde: töte Bakunin, er dich töten
würde" 41). Weitlings Urchristentum mit der unendlichen
Bedeutung des Individuums und der Freiheit, abgelöst von
einem abstrakt subordinierenden und herrschsüchtigen jüdi-
schen Gelehrten hier, von einem ehrgeizigen jüdischen
Flagellanten dort! Beide aber als Staatsdoktrinäre und

Gesellschaft ermöglicht und sieht er in der grobmateriellen
Produktion die Geburtsstätte für alle Geschichte 37).

Seltsam genug: dieser Revolutionär ohne revoltierbare
Nation hat ein Interesse an der industriellen Zentralisierung,
weil sie ein deutsches Proletariat schaffen wird, und auf diesen
Zustand arbeitet er hin, weil er ein zentralisiertes Proletariat
braucht für die Emanzipation, die er träumt. So wird er
nach Brupbachers treffendem Wort der „ökonomische Psy-
choanalytiker“ und „technische Verstand“ der Arbeiter-
bewegung, und obgleich ihm die französischen und eng-
lischen Klassenkämpfe viel mehr Voraussetzungen liefern
als die deutschen, empfindet er besonders seinen franzö-
sischen Lehrern gegenüber doch nur wenig Dankbarkeit,
ja sogar eine gewisse Feindschaft 38). Das rein intellektuelle
Interesse steht im Vordergrund, nicht die Liebe. Der Ehr-
geiz, Autorität und Führer zu sein, diktieren ihm, nicht das
Herz und der Glaube an Menschenrechte 39). Wohlgefallen
am eigenen Geist ersetzt ihm die Religion, und für den
Stachel des Apostatentums rächt er sich durch eine hämisch-
sarkastische, mitunter wohl auch perfide Polemik, wenn er
im Allerheiligsten, seiner Eitelkeit, sich verletzt fühlt 40).

Weitlingianer und Buonarottisten sind es, an deren
Spitze er, aus Paris vertrieben, 1845 in Brüssel tritt. So
paradox die Berufung Lassalles durch Anhänger Weitlings
war, so paradox ist es, dass die konspiratorische Führung
des kommunistischen Handwerkervereins in Brüssel gerade
an Marx übergeht. „Weisst du“, plaudert er 1848 in Berlin,
„ich stehe jetzt an der Spitze einer so wohldisziplinierten
sozialistischen Geheimgesellschaft, dass, wenn ich einem
ihrer Mitglieder sagen würde: töte Bakunin, er dich töten
würde“ 41). Weitlings Urchristentum mit der unendlichen
Bedeutung des Individuums und der Freiheit, abgelöst von
einem abstrakt subordinierenden und herrschsüchtigen jüdi-
schen Gelehrten hier, von einem ehrgeizigen jüdischen
Flagellanten dort! Beide aber als Staatsdoktrinäre und

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[187/0195] Gesellschaft ermöglicht und sieht er in der grobmateriellen Produktion die Geburtsstätte für alle Geschichte ³⁷⁾ . Seltsam genug: dieser Revolutionär ohne revoltierbare Nation hat ein Interesse an der industriellen Zentralisierung, weil sie ein deutsches Proletariat schaffen wird, und auf diesen Zustand arbeitet er hin, weil er ein zentralisiertes Proletariat braucht für die Emanzipation, die er träumt. So wird er nach Brupbachers treffendem Wort der „ökonomische Psy- choanalytiker“ und „technische Verstand“ der Arbeiter- bewegung, und obgleich ihm die französischen und eng- lischen Klassenkämpfe viel mehr Voraussetzungen liefern als die deutschen, empfindet er besonders seinen franzö- sischen Lehrern gegenüber doch nur wenig Dankbarkeit, ja sogar eine gewisse Feindschaft ³⁸⁾ . Das rein intellektuelle Interesse steht im Vordergrund, nicht die Liebe. Der Ehr- geiz, Autorität und Führer zu sein, diktieren ihm, nicht das Herz und der Glaube an Menschenrechte ³⁹⁾ . Wohlgefallen am eigenen Geist ersetzt ihm die Religion, und für den Stachel des Apostatentums rächt er sich durch eine hämisch- sarkastische, mitunter wohl auch perfide Polemik, wenn er im Allerheiligsten, seiner Eitelkeit, sich verletzt fühlt ⁴⁰⁾ . Weitlingianer und Buonarottisten sind es, an deren Spitze er, aus Paris vertrieben, 1845 in Brüssel tritt. So paradox die Berufung Lassalles durch Anhänger Weitlings war, so paradox ist es, dass die konspiratorische Führung des kommunistischen Handwerkervereins in Brüssel gerade an Marx übergeht. „Weisst du“, plaudert er 1848 in Berlin, „ich stehe jetzt an der Spitze einer so wohldisziplinierten sozialistischen Geheimgesellschaft, dass, wenn ich einem ihrer Mitglieder sagen würde: töte Bakunin, er dich töten würde“ ⁴¹⁾ . Weitlings Urchristentum mit der unendlichen Bedeutung des Individuums und der Freiheit, abgelöst von einem abstrakt subordinierenden und herrschsüchtigen jüdi- schen Gelehrten hier, von einem ehrgeizigen jüdischen Flagellanten dort! Beide aber als Staatsdoktrinäre und

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/195>, abgerufen am 24.11.2024.