sei. Er trifft auf die "chimärische Nationalität des Juden"' die Nationalität des Geldmenschen und Kaufmanns, und gelangt am Ende dieser Selbstzerfleischung zu dem Schlusse: "Die gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Eman- zipation der Gesellschaft vom Judentum". Er wurde damit zum Apostaten, aber es wäre nur zu wünschen, dass diese letzte Offenheit den Angehörigen jeder Rasse zu eigen wäre.
Für diese Untersuchung ist es wichtig, festzustellen, dass also Marxens Kritik des Kapitals seiner eigenen Auf- fassung nach ursprünglich eine Kritik des Judentums dar- stellen soll, und es ist wichtig, zu betonen, dass sein Auf- satz "Zur Judenfrage" von 1844 nicht nur das religiöse, sondern auch das ökonomische Problem im Hinblick auf die politische Emanzipation der Juden behandelt. Seine Irreligiosität und sein Auftreten gegen das Kapital sind Opfer des Juden, der, da er seine eigene Religion und die Finanzwut seiner Rasse zu opfern gezwungen ist, jegliche Religion und jegliches Eigentum geopfert wissen will 32).
Einen Unterschied zwischen altem und neuem Testa- ment erkennt Marx nicht an. Ein gegen den Staat gerich- tetes oder wenigstens ausserhalb des Staates konstituiertes Christentum im Sinne Weitlings und Tolstoi liegt ihm ganz fern. Die Trennung von Kirche und Staat, ohne beide ein- ander entgegenzusetzen, genügt ihm. Und so versucht er, uns glauben zu machen, dass "dort, wo der Staat ein politischer Staat ohne Staatsreligion ist", die Judenfrage "gänzlich ihren theologischen Charakter verliert und zu einer weltlichen Frage wird" 33).
Die Frage: wie sollen die Juden weiterhin "emanzipiert", wie soll das Vorurteil gebrochen werden, das gegen sie besteht, führt ihn begeistert zum Kommunismus, dem er eine streng materielle, Religion und Moral zerstörende Wendung gibt. Er ist geschickt genug, sich nicht nur gegen die pri- vilegierte Religion, den "christlichen Staat" (und zwar leider mehr gegen die Christlichkeit als gegen den Staat) zu
sei. Er trifft auf die „chimärische Nationalität des Juden“' die Nationalität des Geldmenschen und Kaufmanns, und gelangt am Ende dieser Selbstzerfleischung zu dem Schlusse: „Die gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Eman- zipation der Gesellschaft vom Judentum“. Er wurde damit zum Apostaten, aber es wäre nur zu wünschen, dass diese letzte Offenheit den Angehörigen jeder Rasse zu eigen wäre.
Für diese Untersuchung ist es wichtig, festzustellen, dass also Marxens Kritik des Kapitals seiner eigenen Auf- fassung nach ursprünglich eine Kritik des Judentums dar- stellen soll, und es ist wichtig, zu betonen, dass sein Auf- satz „Zur Judenfrage“ von 1844 nicht nur das religiöse, sondern auch das ökonomische Problem im Hinblick auf die politische Emanzipation der Juden behandelt. Seine Irreligiosität und sein Auftreten gegen das Kapital sind Opfer des Juden, der, da er seine eigene Religion und die Finanzwut seiner Rasse zu opfern gezwungen ist, jegliche Religion und jegliches Eigentum geopfert wissen will 32).
Einen Unterschied zwischen altem und neuem Testa- ment erkennt Marx nicht an. Ein gegen den Staat gerich- tetes oder wenigstens ausserhalb des Staates konstituiertes Christentum im Sinne Weitlings und Tolstoi liegt ihm ganz fern. Die Trennung von Kirche und Staat, ohne beide ein- ander entgegenzusetzen, genügt ihm. Und so versucht er, uns glauben zu machen, dass „dort, wo der Staat ein politischer Staat ohne Staatsreligion ist“, die Judenfrage „gänzlich ihren theologischen Charakter verliert und zu einer weltlichen Frage wird“ 33).
Die Frage: wie sollen die Juden weiterhin „emanzipiert“, wie soll das Vorurteil gebrochen werden, das gegen sie besteht, führt ihn begeistert zum Kommunismus, dem er eine streng materielle, Religion und Moral zerstörende Wendung gibt. Er ist geschickt genug, sich nicht nur gegen die pri- vilegierte Religion, den „christlichen Staat“ (und zwar leider mehr gegen die Christlichkeit als gegen den Staat) zu
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„Die gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Eman-
zipation der Gesellschaft vom Judentum“. Er wurde damit
zum Apostaten, aber es wäre nur zu wünschen, dass diese
letzte Offenheit den Angehörigen jeder Rasse zu eigen wäre.
Für diese Untersuchung ist es wichtig, festzustellen,
dass also Marxens Kritik des Kapitals seiner eigenen Auf-
fassung nach ursprünglich eine Kritik des Judentums dar-
stellen soll, und es ist wichtig, zu betonen, dass sein Auf-
satz „Zur Judenfrage“ von 1844 nicht nur das religiöse,
sondern auch das ökonomische Problem im Hinblick auf
die politische Emanzipation der Juden behandelt. Seine
Irreligiosität und sein Auftreten gegen das Kapital sind
Opfer des Juden, der, da er seine eigene Religion und die
Finanzwut seiner Rasse zu opfern gezwungen ist, jegliche
Religion und jegliches Eigentum geopfert wissen will
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Einen Unterschied zwischen altem und neuem Testa-
ment erkennt Marx nicht an. Ein gegen den Staat gerich-
tetes oder wenigstens ausserhalb des Staates konstituiertes
Christentum im Sinne Weitlings und Tolstoi liegt ihm ganz
fern. Die Trennung von Kirche und Staat, ohne beide ein-
ander entgegenzusetzen, genügt ihm. Und so versucht er, uns
glauben zu machen, dass „dort, wo der Staat ein politischer
Staat ohne Staatsreligion ist“, die Judenfrage „gänzlich ihren
theologischen Charakter verliert und zu einer weltlichen
Frage wird“
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Die Frage: wie sollen die Juden weiterhin „emanzipiert“,
wie soll das Vorurteil gebrochen werden, das gegen sie
besteht, führt ihn begeistert zum Kommunismus, dem er eine
streng materielle, Religion und Moral zerstörende Wendung
gibt. Er ist geschickt genug, sich nicht nur gegen die pri-
vilegierte Religion, den „christlichen Staat“ (und zwar leider
mehr gegen die Christlichkeit als gegen den Staat) zu
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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