Bruchstücken gesammelt und als kostbarstes Vermächtnis der neuen Generation übergeben".
In den von Buonarotti gegründeten Geheimgesell- schaften der Schweiz, Belgiens und Frankreichs lebten die kollektivistischen Ideen weiter, trafen sie mit der romantisch- religiösen Bewegung zusammen und entwickelten den Kom- munismus 83). Von Buonarottisten erhielt Weitling seine erste Förderung, auf Buonarottistische Brüdergemeinden gründete er seinen "Bund der Gerechten". Vorbild war ihm dabei allem Anschein nach jener "Bund der Geächteten" in Paris, dem Börne angehörte, und dessen Statut bereits 1834 forderte: Befreiung und Wiedergeburt Deutschlands, Begrün- dung und Erhaltung der sozialen und politischen Gleich- heit, Freiheit, Bürgertugend und Volkseinheit 84).
Die Idee einer brüderlichen Durchdringung Europas im Sinne des Urchristentums ist für Weitling Bedingung auch der politischen Wiedergeburt. Hierin ist er wahrhaft modern. Man glaube doch nicht, dass das Wissen die Religion ausschliesst oder die ökonomische Analyse den Christus. Sie schliessen das theokratische Dogma aus und den Jenseitskult, nicht aber die Liebe, das Herz und den Opfermut. Die Gerechtigkeit ist es, auf der man bestehen muss. Ihre Voraussetzung aber ist die exakte Wissenschaft von den natürlichen Grenzen und Rechten.
Zu Weitlings Anhängern und Brüdern zählten nicht nur Handwerker und Arbeiter, sondern auch Bürgerliche und Besitzer. Gerade die werbende Kraft seiner Idee ist bezeichnend für ihn. Die Hassphilosophie, die durch Marx und den Klassenkampf im deutschen Proletariat aufkam, lag ihm durchaus fern 85). Weitling lehnte die Jungdeutschen ab, nicht weil er sie für "Bourgeois" hielt, -- er hätte sie dafür halten dürfen --, sondern weil sie "im Reiche des Ueber- sinnlichen nach Abstraktion im Trüben fischten". "Kommt alle her", schrieb er im "Evangelium der armen Sünder", "die ihr arbeitet, die ihr mühselig, beladen, arm, verachtet,
Bruchstücken gesammelt und als kostbarstes Vermächtnis der neuen Generation übergeben“.
In den von Buonarotti gegründeten Geheimgesell- schaften der Schweiz, Belgiens und Frankreichs lebten die kollektivistischen Ideen weiter, trafen sie mit der romantisch- religiösen Bewegung zusammen und entwickelten den Kom- munismus 83). Von Buonarottisten erhielt Weitling seine erste Förderung, auf Buonarottistische Brüdergemeinden gründete er seinen „Bund der Gerechten“. Vorbild war ihm dabei allem Anschein nach jener „Bund der Geächteten“ in Paris, dem Börne angehörte, und dessen Statut bereits 1834 forderte: Befreiung und Wiedergeburt Deutschlands, Begrün- dung und Erhaltung der sozialen und politischen Gleich- heit, Freiheit, Bürgertugend und Volkseinheit 84).
Die Idee einer brüderlichen Durchdringung Europas im Sinne des Urchristentums ist für Weitling Bedingung auch der politischen Wiedergeburt. Hierin ist er wahrhaft modern. Man glaube doch nicht, dass das Wissen die Religion ausschliesst oder die ökonomische Analyse den Christus. Sie schliessen das theokratische Dogma aus und den Jenseitskult, nicht aber die Liebe, das Herz und den Opfermut. Die Gerechtigkeit ist es, auf der man bestehen muss. Ihre Voraussetzung aber ist die exakte Wissenschaft von den natürlichen Grenzen und Rechten.
Zu Weitlings Anhängern und Brüdern zählten nicht nur Handwerker und Arbeiter, sondern auch Bürgerliche und Besitzer. Gerade die werbende Kraft seiner Idee ist bezeichnend für ihn. Die Hassphilosophie, die durch Marx und den Klassenkampf im deutschen Proletariat aufkam, lag ihm durchaus fern 85). Weitling lehnte die Jungdeutschen ab, nicht weil er sie für „Bourgeois“ hielt, — er hätte sie dafür halten dürfen —, sondern weil sie „im Reiche des Ueber- sinnlichen nach Abstraktion im Trüben fischten“. „Kommt alle her“, schrieb er im „Evangelium der armen Sünder“, „die ihr arbeitet, die ihr mühselig, beladen, arm, verachtet,
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Bruchstücken gesammelt und als kostbarstes Vermächtnis
der neuen Generation übergeben“.
In den von Buonarotti gegründeten Geheimgesell-
schaften der Schweiz, Belgiens und Frankreichs lebten die
kollektivistischen Ideen weiter, trafen sie mit der romantisch-
religiösen Bewegung zusammen und entwickelten den Kom-
munismus
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. Von Buonarottisten erhielt Weitling seine erste
Förderung, auf Buonarottistische Brüdergemeinden gründete
er seinen „Bund der Gerechten“. Vorbild war ihm dabei
allem Anschein nach jener „Bund der Geächteten“ in Paris,
dem Börne angehörte, und dessen Statut bereits 1834
forderte: Befreiung und Wiedergeburt Deutschlands, Begrün-
dung und Erhaltung der sozialen und politischen Gleich-
heit, Freiheit, Bürgertugend und Volkseinheit
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Die Idee einer brüderlichen Durchdringung Europas
im Sinne des Urchristentums ist für Weitling Bedingung
auch der politischen Wiedergeburt. Hierin ist er wahrhaft
modern. Man glaube doch nicht, dass das Wissen die
Religion ausschliesst oder die ökonomische Analyse den
Christus. Sie schliessen das theokratische Dogma aus und
den Jenseitskult, nicht aber die Liebe, das Herz und den
Opfermut. Die Gerechtigkeit ist es, auf der man bestehen
muss. Ihre Voraussetzung aber ist die exakte Wissenschaft
von den natürlichen Grenzen und Rechten.
Zu Weitlings Anhängern und Brüdern zählten nicht
nur Handwerker und Arbeiter, sondern auch Bürgerliche
und Besitzer. Gerade die werbende Kraft seiner Idee ist
bezeichnend für ihn. Die Hassphilosophie, die durch Marx
und den Klassenkampf im deutschen Proletariat aufkam, lag
ihm durchaus fern
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. Weitling lehnte die Jungdeutschen ab,
nicht weil er sie für „Bourgeois“ hielt, — er hätte sie dafür
halten dürfen —, sondern weil sie „im Reiche des Ueber-
sinnlichen nach Abstraktion im Trüben fischten“. „Kommt
alle her“, schrieb er im „Evangelium der armen Sünder“,
„die ihr arbeitet, die ihr mühselig, beladen, arm, verachtet,
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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