heit entreissen wird und unserer Brust ein mächtiger Schrei der Reue und des Schmerzes entfährt" 11). Er war über- zeugt, dass das Heil Russlands weder in der Orthodoxie noch im Katholizismus, sondern in einer neuen, noch unbekannten Offenbarung neuer sozial-religiöser Grund- lagen für die Kirche, für das Reich Gottes auf Erden zu suchen sei, die in der Lehre Christi wohl enthalten, aber von den Menschen noch nicht erfasst worden seien. Tschaadajew, den Schelling für den "geistreichsten Mann in Russland" hielt, wurde durch kaiserlichen Erlass für ver- rückt erklärt, aber in seinem Werke "Nekropolis" begrub er das ganze orthodoxe und autokratische Russland als in einer Totenstadt.
Dostojewsky in seinen Romanen gibt die genialste und gewaltigste Auseinandersetzung des Christentums mit dem Antichristentum. Der Marburger Professor Hermann Cohen, bekannt durch sein Eintreten für eine jüdische Universität in Deutschland, meinte zwar, erst dann werde "unser Sieg allmählich ein vollständiger werden", wenn wir "alle diese falschen Literaturgrössen der Ausländerei in ihrer Differenz von uns erkannt und überwunden haben werden" 12), und Julius Bab, ein kleinlauterer Literator, hat sich sogar bereitgefunden, die ganze Gottverschwärmtheit des hierati- schen Russland als eine romantische Angelegenheit auf die Indifferenzseite zu schieben, unseren "Realisten" und Ratio- nalisten zuliebe 13). Daraus ergibt sich aber nur, dass es eine bedenkliche Sache ist, die Literatur für die Folge den Herren Bab, und die Philosophie den Herren Cohen zu überlassen.
Dostojewskys Hauptgestalten von Raskolnikow bis Kara- masow sind so real und unromantisch, als man sich denken kann; politische oder religiöse Rebellen, napoleonide Ver- brecher und Atheisten von gestern, von heute und morgen. "Die Empörung gegen die menschliche Ordnung ruft in ihnen auch eine Empörung gegen die göttliche Ordnung hervor",
heit entreissen wird und unserer Brust ein mächtiger Schrei der Reue und des Schmerzes entfährt“ 11). Er war über- zeugt, dass das Heil Russlands weder in der Orthodoxie noch im Katholizismus, sondern in einer neuen, noch unbekannten Offenbarung neuer sozial-religiöser Grund- lagen für die Kirche, für das Reich Gottes auf Erden zu suchen sei, die in der Lehre Christi wohl enthalten, aber von den Menschen noch nicht erfasst worden seien. Tschaadajew, den Schelling für den „geistreichsten Mann in Russland“ hielt, wurde durch kaiserlichen Erlass für ver- rückt erklärt, aber in seinem Werke „Nekropolis“ begrub er das ganze orthodoxe und autokratische Russland als in einer Totenstadt.
Dostojewsky in seinen Romanen gibt die genialste und gewaltigste Auseinandersetzung des Christentums mit dem Antichristentum. Der Marburger Professor Hermann Cohen, bekannt durch sein Eintreten für eine jüdische Universität in Deutschland, meinte zwar, erst dann werde „unser Sieg allmählich ein vollständiger werden“, wenn wir „alle diese falschen Literaturgrössen der Ausländerei in ihrer Differenz von uns erkannt und überwunden haben werden“ 12), und Julius Bab, ein kleinlauterer Literator, hat sich sogar bereitgefunden, die ganze Gottverschwärmtheit des hierati- schen Russland als eine romantische Angelegenheit auf die Indifferenzseite zu schieben, unseren „Realisten“ und Ratio- nalisten zuliebe 13). Daraus ergibt sich aber nur, dass es eine bedenkliche Sache ist, die Literatur für die Folge den Herren Bab, und die Philosophie den Herren Cohen zu überlassen.
Dostojewskys Hauptgestalten von Raskolnikow bis Kara- masow sind so real und unromantisch, als man sich denken kann; politische oder religiöse Rebellen, napoleonide Ver- brecher und Atheisten von gestern, von heute und morgen. „Die Empörung gegen die menschliche Ordnung ruft in ihnen auch eine Empörung gegen die göttliche Ordnung hervor“,
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heit entreissen wird und unserer Brust ein mächtiger Schrei
der Reue und des Schmerzes entfährt“
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zeugt, dass das Heil Russlands weder in der Orthodoxie
noch im Katholizismus, sondern in einer neuen, noch
unbekannten Offenbarung neuer sozial-religiöser Grund-
lagen für die Kirche, für das Reich Gottes auf Erden zu
suchen sei, die in der Lehre Christi wohl enthalten, aber
von den Menschen noch nicht erfasst worden seien.
Tschaadajew, den Schelling für den „geistreichsten Mann
in Russland“ hielt, wurde durch kaiserlichen Erlass für ver-
rückt erklärt, aber in seinem Werke „Nekropolis“ begrub
er das ganze orthodoxe und autokratische Russland als in
einer Totenstadt.
Dostojewsky in seinen Romanen gibt die genialste
und gewaltigste Auseinandersetzung des Christentums mit
dem Antichristentum. Der Marburger Professor Hermann
Cohen, bekannt durch sein Eintreten für eine jüdische
Universität in Deutschland, meinte zwar, erst dann werde
„unser Sieg allmählich ein vollständiger werden“, wenn wir
„alle diese falschen Literaturgrössen der Ausländerei in ihrer
Differenz von uns erkannt und überwunden haben werden“
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und Julius Bab, ein kleinlauterer Literator, hat sich sogar
bereitgefunden, die ganze Gottverschwärmtheit des hierati-
schen Russland als eine romantische Angelegenheit auf die
Indifferenzseite zu schieben, unseren „Realisten“ und Ratio-
nalisten zuliebe
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. Daraus ergibt sich aber nur, dass es
eine bedenkliche Sache ist, die Literatur für die Folge den
Herren Bab, und die Philosophie den Herren Cohen zu
überlassen.
Dostojewskys Hauptgestalten von Raskolnikow bis Kara-
masow sind so real und unromantisch, als man sich denken
kann; politische oder religiöse Rebellen, napoleonide Ver-
brecher und Atheisten von gestern, von heute und morgen.
„Die Empörung gegen die menschliche Ordnung ruft in ihnen
auch eine Empörung gegen die göttliche Ordnung hervor“,
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/142>, abgerufen am 27.11.2024.
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