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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Die Sache ist nicht so spassig, wie sie klingt. Denn
abgesehen davon, dass nun jedermann eine solche dialek-
tische Maschine erfinden wollte, -- man nannte das ein
System, -- so hatte Hegels Weltseele den Berlinern und ihrem
König von der Reise auch etwas mitgebracht. Das war das
"Inventar" der Weltseele: eine Art Rangordnung und Tabelle
der Staatswissenschaften, ein utilitarischer Stammbaum der
Fakultäten und Disziplinen. Vergebens wies Baader darauf
hin, dass der göttliche und der menschliche Denkprozess,
die Metaphysik und die Logik, nicht identifiziert werden
dürften 190); zeigte er auf die Servilisten, Pietisten und
Rationalisten, die einen Gegensatz zwischen Wissen und
Glauben aus dem Zweifel "per generationem aequivocam"
entstehen liessen; vergebens schrieb er in einem Briefe
vom 30. September 1830 an Hegel selbst: "Der Teufel
ist überall los, und weil sie die Idee in ihrer himmlischen
Gestalt verachteten, müssen sie nun vor ihrer höllischen
Karikatur erzittern" 191). Da der preussische Staat einmal
der Gipfel der Weltgeschichte war und sich noch weiter
darin entwickeln konnte gemäss jenem Trieb zur Perfek-
tibilität, der später in der Sozialdemokratie zur Perfektibilität
der Konservenbüchsen, Kinderwägen und Sodaflaschen
wurde, so gab es in der Folge keine Wissenschaft mehr
ausser an ihm, durch ihn und für ihn. Gehalt der Staats-
wissenschaft aber wurde die antichristliche Plattitüde.

Und was wurde aus der Gelehrtenrepublik? Sie wurde
nach und nach abgelöst von jener unversorgten und instinkt-
lahmen Beamtenhierarchie, die nach Auflösung des "heiligen
römischen Reichs" mit ihrer ganzen seelischen Popen- und
Bonzenträgheit von Oesterreich überging an Preussen.
Erster und mächtigster Agitator hierfür war Hegel der
Beamte; Demiurg und Operateur der Weltseele zu Berlin. Mit
seinen "intrikaten Floskeln", wie Schopenhauer schimpfte,
lähmte Hegel die Temperamente, indem er sie in Weltprozesse
verwickelte, erstickte er 1848 den Volksunwillen in Phrasen

Die Sache ist nicht so spassig, wie sie klingt. Denn
abgesehen davon, dass nun jedermann eine solche dialek-
tische Maschine erfinden wollte, — man nannte das ein
System, — so hatte Hegels Weltseele den Berlinern und ihrem
König von der Reise auch etwas mitgebracht. Das war das
„Inventar“ der Weltseele: eine Art Rangordnung und Tabelle
der Staatswissenschaften, ein utilitarischer Stammbaum der
Fakultäten und Disziplinen. Vergebens wies Baader darauf
hin, dass der göttliche und der menschliche Denkprozess,
die Metaphysik und die Logik, nicht identifiziert werden
dürften 190); zeigte er auf die Servilisten, Pietisten und
Rationalisten, die einen Gegensatz zwischen Wissen und
Glauben aus dem Zweifel „per generationem aequivocam“
entstehen liessen; vergebens schrieb er in einem Briefe
vom 30. September 1830 an Hegel selbst: „Der Teufel
ist überall los, und weil sie die Idee in ihrer himmlischen
Gestalt verachteten, müssen sie nun vor ihrer höllischen
Karikatur erzittern“ 191). Da der preussische Staat einmal
der Gipfel der Weltgeschichte war und sich noch weiter
darin entwickeln konnte gemäss jenem Trieb zur Perfek-
tibilität, der später in der Sozialdemokratie zur Perfektibilität
der Konservenbüchsen, Kinderwägen und Sodaflaschen
wurde, so gab es in der Folge keine Wissenschaft mehr
ausser an ihm, durch ihn und für ihn. Gehalt der Staats-
wissenschaft aber wurde die antichristliche Plattitüde.

Und was wurde aus der Gelehrtenrepublik? Sie wurde
nach und nach abgelöst von jener unversorgten und instinkt-
lahmen Beamtenhierarchie, die nach Auflösung des „heiligen
römischen Reichs“ mit ihrer ganzen seelischen Popen- und
Bonzenträgheit von Oesterreich überging an Preussen.
Erster und mächtigster Agitator hierfür war Hegel der
Beamte; Demiurg und Operateur der Weltseele zu Berlin. Mit
seinen „intrikaten Floskeln“, wie Schopenhauer schimpfte,
lähmte Hegel die Temperamente, indem er sie in Weltprozesse
verwickelte, erstickte er 1848 den Volksunwillen in Phrasen

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[118/0126] Die Sache ist nicht so spassig, wie sie klingt. Denn abgesehen davon, dass nun jedermann eine solche dialek- tische Maschine erfinden wollte, — man nannte das ein System, — so hatte Hegels Weltseele den Berlinern und ihrem König von der Reise auch etwas mitgebracht. Das war das „Inventar“ der Weltseele: eine Art Rangordnung und Tabelle der Staatswissenschaften, ein utilitarischer Stammbaum der Fakultäten und Disziplinen. Vergebens wies Baader darauf hin, dass der göttliche und der menschliche Denkprozess, die Metaphysik und die Logik, nicht identifiziert werden dürften ¹⁹⁰⁾ ; zeigte er auf die Servilisten, Pietisten und Rationalisten, die einen Gegensatz zwischen Wissen und Glauben aus dem Zweifel „per generationem aequivocam“ entstehen liessen; vergebens schrieb er in einem Briefe vom 30. September 1830 an Hegel selbst: „Der Teufel ist überall los, und weil sie die Idee in ihrer himmlischen Gestalt verachteten, müssen sie nun vor ihrer höllischen Karikatur erzittern“ ¹⁹¹⁾ . Da der preussische Staat einmal der Gipfel der Weltgeschichte war und sich noch weiter darin entwickeln konnte gemäss jenem Trieb zur Perfek- tibilität, der später in der Sozialdemokratie zur Perfektibilität der Konservenbüchsen, Kinderwägen und Sodaflaschen wurde, so gab es in der Folge keine Wissenschaft mehr ausser an ihm, durch ihn und für ihn. Gehalt der Staats- wissenschaft aber wurde die antichristliche Plattitüde. Und was wurde aus der Gelehrtenrepublik? Sie wurde nach und nach abgelöst von jener unversorgten und instinkt- lahmen Beamtenhierarchie, die nach Auflösung des „heiligen römischen Reichs“ mit ihrer ganzen seelischen Popen- und Bonzenträgheit von Oesterreich überging an Preussen. Erster und mächtigster Agitator hierfür war Hegel der Beamte; Demiurg und Operateur der Weltseele zu Berlin. Mit seinen „intrikaten Floskeln“, wie Schopenhauer schimpfte, lähmte Hegel die Temperamente, indem er sie in Weltprozesse verwickelte, erstickte er 1848 den Volksunwillen in Phrasen

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/126>, abgerufen am 23.11.2024.