bare darin wird ausdrücklich als Poesie und Schwärmerei behandelt. Künstlerischer Atheismus ist der Geist des Buches" 140). Er selbst fordert vom Kunstwerk, dass es das Wunderbare wie ein Gewöhnliches, Gemeines vorstelle; und das fordert er sogar vom Leben 141). Er sieht in der Natur dieselben Wunderkräfte kreisen wie im Menschengeist; sieht sein Leben und seine Geliebte wie Blume und Blatt auf dem selben Stengel. Die Welt malt sich mystisch und grün in seinem Blute. Tier, Mensch und Strauch werden ein Reich. Und von Franziskus trennen ihn nur Trauer und italienische Sonne und Bläue. Resignation ist sein Leiden und Mitleiden mit Blumen, mit Gott und mit Sophie Kühn, einem sterbenden Mädchen. Er liebt sie, weil sie das Jen- seits berührt. Einen Satz aber schreibt er, der alle Romantik überwindet und tief in die Zukunft weist: "Sollen wir Gott lieben, so muss er hilfsbedürftig sein" 142).
Ueber Friedrich Hölderlin hat Gustav Landauer so eindringlich geschrieben, dass Hölderlin jetzt erst entdeckt worden ist 143). Er suchte die Einheit der Nation zugleich in der Demut und im dithyrambischen Geist der Gemeinde. Er litt unsäglich am Treiben der Zeit. Er wusste um eine frei schwingende Verfassung der Dinge wie keiner von allen, die nach ihm kamen. Seine Hymnen sind ein zärtlich abgewogenes Gesetzbuch liebender Leidenschaften. Aufruhr und Erwartung, mit denen die französische Revolution ihn bestürmte, lassen ihn fragen: Sind wir zurückgeblieben, fehlen uns Talent, Tatkraft und Initiative oder sind gerade wir Säumigen zu besonderer Aufgabe bewahrt? Und seine Antwort lautet: "Oh ihr Guten! Wir sind tatenarm und gedankenvoll" 144). Doch im "Hyperion" klagt er an: "Die Tugenden der Deutschen sind ein glänzend Uebel und nichts weiter; denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst mit Sklavenmühe dem wüsten Herzen abgedrungen, und lassen trostlos jede reine Seele, die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen, den Misslaut nicht
bare darin wird ausdrücklich als Poesie und Schwärmerei behandelt. Künstlerischer Atheismus ist der Geist des Buches“ 140). Er selbst fordert vom Kunstwerk, dass es das Wunderbare wie ein Gewöhnliches, Gemeines vorstelle; und das fordert er sogar vom Leben 141). Er sieht in der Natur dieselben Wunderkräfte kreisen wie im Menschengeist; sieht sein Leben und seine Geliebte wie Blume und Blatt auf dem selben Stengel. Die Welt malt sich mystisch und grün in seinem Blute. Tier, Mensch und Strauch werden ein Reich. Und von Franziskus trennen ihn nur Trauer und italienische Sonne und Bläue. Resignation ist sein Leiden und Mitleiden mit Blumen, mit Gott und mit Sophie Kühn, einem sterbenden Mädchen. Er liebt sie, weil sie das Jen- seits berührt. Einen Satz aber schreibt er, der alle Romantik überwindet und tief in die Zukunft weist: „Sollen wir Gott lieben, so muss er hilfsbedürftig sein“ 142).
Ueber Friedrich Hölderlin hat Gustav Landauer so eindringlich geschrieben, dass Hölderlin jetzt erst entdeckt worden ist 143). Er suchte die Einheit der Nation zugleich in der Demut und im dithyrambischen Geist der Gemeinde. Er litt unsäglich am Treiben der Zeit. Er wusste um eine frei schwingende Verfassung der Dinge wie keiner von allen, die nach ihm kamen. Seine Hymnen sind ein zärtlich abgewogenes Gesetzbuch liebender Leidenschaften. Aufruhr und Erwartung, mit denen die französische Revolution ihn bestürmte, lassen ihn fragen: Sind wir zurückgeblieben, fehlen uns Talent, Tatkraft und Initiative oder sind gerade wir Säumigen zu besonderer Aufgabe bewahrt? Und seine Antwort lautet: „Oh ihr Guten! Wir sind tatenarm und gedankenvoll“ 144). Doch im „Hyperion“ klagt er an: „Die Tugenden der Deutschen sind ein glänzend Uebel und nichts weiter; denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst mit Sklavenmühe dem wüsten Herzen abgedrungen, und lassen trostlos jede reine Seele, die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen, den Misslaut nicht
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[103/0111]
bare darin wird ausdrücklich als Poesie und Schwärmerei
behandelt. Künstlerischer Atheismus ist der Geist des
Buches“
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. Er selbst fordert vom Kunstwerk, dass es das
Wunderbare wie ein Gewöhnliches, Gemeines vorstelle;
und das fordert er sogar vom Leben
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. Er sieht in der
Natur dieselben Wunderkräfte kreisen wie im Menschengeist;
sieht sein Leben und seine Geliebte wie Blume und Blatt
auf dem selben Stengel. Die Welt malt sich mystisch und
grün in seinem Blute. Tier, Mensch und Strauch werden
ein Reich. Und von Franziskus trennen ihn nur Trauer und
italienische Sonne und Bläue. Resignation ist sein Leiden
und Mitleiden mit Blumen, mit Gott und mit Sophie Kühn,
einem sterbenden Mädchen. Er liebt sie, weil sie das Jen-
seits berührt. Einen Satz aber schreibt er, der alle Romantik
überwindet und tief in die Zukunft weist: „Sollen wir Gott
lieben, so muss er hilfsbedürftig sein“
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Ueber Friedrich Hölderlin hat Gustav Landauer so
eindringlich geschrieben, dass Hölderlin jetzt erst entdeckt
worden ist
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. Er suchte die Einheit der Nation zugleich in
der Demut und im dithyrambischen Geist der Gemeinde. Er litt
unsäglich am Treiben der Zeit. Er wusste um eine frei
schwingende Verfassung der Dinge wie keiner von allen,
die nach ihm kamen. Seine Hymnen sind ein zärtlich
abgewogenes Gesetzbuch liebender Leidenschaften. Aufruhr
und Erwartung, mit denen die französische Revolution ihn
bestürmte, lassen ihn fragen: Sind wir zurückgeblieben,
fehlen uns Talent, Tatkraft und Initiative oder sind gerade
wir Säumigen zu besonderer Aufgabe bewahrt? Und seine
Antwort lautet: „Oh ihr Guten! Wir sind tatenarm und
gedankenvoll“
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. Doch im „Hyperion“ klagt er an: „Die
Tugenden der Deutschen sind ein glänzend Uebel und
nichts weiter; denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst
mit Sklavenmühe dem wüsten Herzen abgedrungen, und
lassen trostlos jede reine Seele, die verwöhnt vom heiligen
Zusammenklang in edleren Naturen, den Misslaut nicht
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/111>, abgerufen am 27.11.2024.
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