Bakunin, Michail Alexandrowitsch: Rußland wie es wirklich ist! Mannheim, 1848.ins Ohr flüstert? Wissen Sie, was die Vertrauten, die Günstlinge und sogar die Minister des Kaisers denken? Daß die Herrschaft Nicolas die Ludwig's des XV. ist. Alles drängt zum Sturm, zu einem nahen, schrecklichen Sturm, der Viele erschreckt, den aber die Nation mit Freuden herbeiruft. (Stürmischer Applaus). Um die innern Angelegenheiten des Landes sieht es zum Entsetzen schlecht aus. Unter dem Schein der Ordnung herrscht eine vollständige Anarchie. Unter der Außenseite eines zum Uebermaß strengen hierarchischen Formenwesens liegen scheußliche Wunden versteckt; unsre Verwaltung, unsre Justiz, unsre Finanzen sind eben so viele Lügen, Lügen, um die Meinung des Auslandes zu täuschen, Lügen, um die Sicherheit und das Bewußtsein des Herrschers einzuschläfern, der sich um so lieber denselben hingibt, als der wirkliche Zustand der Dinge ihm Furcht einflößt. Es ist nichts Andres, als eine mit Geschick ausstudirte Organisation der Ungleichheit, der Barbarei und der Plünderung im Großen. Alle Diener des Czaren, von denen, welche die höchsten Stellen bekleiden, bis zu den unbedeutendsten Distrikts-Beamten herab, ruiniren und bestehlen das Land, begehen die schreiendsten Ungerechtigkeiten, die schauderhaftesten Gewaltthaten, ohne die geringste Schaam, ohne die geringste Furcht, öffentlich am hellen Tage, mit einer Unverschämtheit und einer Brutalität ohne Gleichen; sie geben sich sogar nicht einmal die Mühe, ihre Verbrechen vor dem Unwillen des Publikums zu verbergen, so sicher sind sie der Straflosigkeit. Der Kaiser Nicolas gibt sich wohl zuweilen den Anschein, als wolle er dem Umsichgreifen dieser empörenden Korruption Schranken setzen; aber wie sollte er ins Ohr flüstert? Wissen Sie, was die Vertrauten, die Günstlinge und sogar die Minister des Kaisers denken? Daß die Herrschaft Nicolas die Ludwig’s des XV. ist. Alles drängt zum Sturm, zu einem nahen, schrecklichen Sturm, der Viele erschreckt, den aber die Nation mit Freuden herbeiruft. (Stürmischer Applaus). Um die innern Angelegenheiten des Landes sieht es zum Entsetzen schlecht aus. Unter dem Schein der Ordnung herrscht eine vollständige Anarchie. Unter der Außenseite eines zum Uebermaß strengen hierarchischen Formenwesens liegen scheußliche Wunden versteckt; unsre Verwaltung, unsre Justiz, unsre Finanzen sind eben so viele Lügen, Lügen, um die Meinung des Auslandes zu täuschen, Lügen, um die Sicherheit und das Bewußtsein des Herrschers einzuschläfern, der sich um so lieber denselben hingibt, als der wirkliche Zustand der Dinge ihm Furcht einflößt. Es ist nichts Andres, als eine mit Geschick ausstudirte Organisation der Ungleichheit, der Barbarei und der Plünderung im Großen. Alle Diener des Czaren, von denen, welche die höchsten Stellen bekleiden, bis zu den unbedeutendsten Distrikts-Beamten herab, ruiniren und bestehlen das Land, begehen die schreiendsten Ungerechtigkeiten, die schauderhaftesten Gewaltthaten, ohne die geringste Schaam, ohne die geringste Furcht, öffentlich am hellen Tage, mit einer Unverschämtheit und einer Brutalität ohne Gleichen; sie geben sich sogar nicht einmal die Mühe, ihre Verbrechen vor dem Unwillen des Publikums zu verbergen, so sicher sind sie der Straflosigkeit. Der Kaiser Nicolas gibt sich wohl zuweilen den Anschein, als wolle er dem Umsichgreifen dieser empörenden Korruption Schranken setzen; aber wie sollte er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="11"/> ins Ohr flüstert? Wissen Sie, was die Vertrauten, die Günstlinge und sogar die Minister des Kaisers denken? Daß die Herrschaft <hi rendition="#g">Nicolas</hi> die Ludwig’s des XV. ist. 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Alle Diener des Czaren, von denen, welche die höchsten Stellen bekleiden, bis zu den unbedeutendsten Distrikts-Beamten herab, ruiniren und bestehlen das Land, begehen die schreiendsten Ungerechtigkeiten, die schauderhaftesten Gewaltthaten, ohne die geringste Schaam, ohne die geringste Furcht, öffentlich am hellen Tage, mit einer Unverschämtheit und einer Brutalität ohne Gleichen; sie geben sich sogar nicht einmal die Mühe, ihre Verbrechen vor dem Unwillen des Publikums zu verbergen, so sicher sind sie der Straflosigkeit.</p> <p>Der Kaiser <hi rendition="#g">Nicolas</hi> gibt sich wohl zuweilen den Anschein, als wolle er dem Umsichgreifen dieser empörenden Korruption Schranken setzen; aber wie sollte er </p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0012]
ins Ohr flüstert? Wissen Sie, was die Vertrauten, die Günstlinge und sogar die Minister des Kaisers denken? Daß die Herrschaft Nicolas die Ludwig’s des XV. ist. Alles drängt zum Sturm, zu einem nahen, schrecklichen Sturm, der Viele erschreckt, den aber die Nation mit Freuden herbeiruft. (Stürmischer Applaus).
Um die innern Angelegenheiten des Landes sieht es zum Entsetzen schlecht aus. Unter dem Schein der Ordnung herrscht eine vollständige Anarchie. Unter der Außenseite eines zum Uebermaß strengen hierarchischen Formenwesens liegen scheußliche Wunden versteckt; unsre Verwaltung, unsre Justiz, unsre Finanzen sind eben so viele Lügen, Lügen, um die Meinung des Auslandes zu täuschen, Lügen, um die Sicherheit und das Bewußtsein des Herrschers einzuschläfern, der sich um so lieber denselben hingibt, als der wirkliche Zustand der Dinge ihm Furcht einflößt. Es ist nichts Andres, als eine mit Geschick ausstudirte Organisation der Ungleichheit, der Barbarei und der Plünderung im Großen. Alle Diener des Czaren, von denen, welche die höchsten Stellen bekleiden, bis zu den unbedeutendsten Distrikts-Beamten herab, ruiniren und bestehlen das Land, begehen die schreiendsten Ungerechtigkeiten, die schauderhaftesten Gewaltthaten, ohne die geringste Schaam, ohne die geringste Furcht, öffentlich am hellen Tage, mit einer Unverschämtheit und einer Brutalität ohne Gleichen; sie geben sich sogar nicht einmal die Mühe, ihre Verbrechen vor dem Unwillen des Publikums zu verbergen, so sicher sind sie der Straflosigkeit.
Der Kaiser Nicolas gibt sich wohl zuweilen den Anschein, als wolle er dem Umsichgreifen dieser empörenden Korruption Schranken setzen; aber wie sollte er
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Zitationshilfe: | Bakunin, Michail Alexandrowitsch: Rußland wie es wirklich ist! Mannheim, 1848, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bakunin_russland_1848/12>, abgerufen am 16.07.2024. |