Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
hätte, ich kam mir selbst ganz komisch vor. Und ich weiß noch, daß mir unterwegs plötzlich einfiel, mit diesen Wor- ten: ein Mann kann da doch eigentlich einer Frau nicht gut nein sagen! Darüber mußte ich lachen. (Nach einer Pause, indem er nun zu Fidelis aufblickt; äußerlich ganz ruhig, knapp, einfach berichtend.) Sieben Wochen später verriet uns der albernste Zufall. Ihr Mann forderte mich. Mit meinem Schießen war's nicht sehr berühmt. (Nach einem Atemzug, zu Boden blickend; ganz knapp.) Es war also nur ein Zu- fall. Auch wieder ein Zufall. (Geht langsam von rechts nach links und bleibt hier stehen; nach einer Pause.) Obwohl ich mich jetzt manchmal frage, ob wir das Zufall nennen dürfen, ob nicht eine höhere Hand -- (Ganz einfach, still vor sich hin, in einem Ton der Dankbarkeit.) Denn ich bin dadurch erst auf den rechten Weg gebracht worden. Fidelis (trocken). Davon hat der nicht viel, der Tote. Kuno (zu Fidelis aufblickend; langsam, stark, leise). Aber begreifen Sie nun? (Nach einer kleinen Pause; leichter im Ton.) Nicht sein Tod war es. -- Aber daß ich nichts dagegen einzusetzen hatte, keinen Gegenwert, der meine Tat aufgewogen hätte! Keine Leidenschaft, keinen in- neren Zwang, der mich gerechtfertigt hätte, das machte sie mir fast zum -- (seine Stimme senkend, langsam) zum gemeinen Mord. -- (Wieder lauter und leichter, knapp.) Es ist mir seitdem ein unverbrüchliches Gesetz, in meinen Gefühlen unbarmherzig ehrlich zu sein. Auch in Fällen, wo das eigentlich nicht üblich ist. Das mag Ihnen er- klären -- Fidelis (rasch einfallend; trocken). Ich nehm's Ihnen ja weiter nicht übel. (Mit einiger Bitterkeit.) Ich hatte
hätte, ich kam mir ſelbſt ganz komiſch vor. Und ich weiß noch, daß mir unterwegs plötzlich einfiel, mit dieſen Wor- ten: ein Mann kann da doch eigentlich einer Frau nicht gut nein ſagen! Darüber mußte ich lachen. (Nach einer Pauſe, indem er nun zu Fidelis aufblickt; aͤußerlich ganz ruhig, knapp, einfach berichtend.) Sieben Wochen ſpäter verriet uns der albernſte Zufall. Ihr Mann forderte mich. Mit meinem Schießen war's nicht ſehr berühmt. (Nach einem Atemzug, zu Boden blickend; ganz knapp.) Es war alſo nur ein Zu- fall. Auch wieder ein Zufall. (Geht langſam von rechts nach links und bleibt hier ſtehen; nach einer Pauſe.) Obwohl ich mich jetzt manchmal frage, ob wir das Zufall nennen dürfen, ob nicht eine höhere Hand — (Ganz einfach, ſtill vor ſich hin, in einem Ton der Dankbarkeit.) Denn ich bin dadurch erſt auf den rechten Weg gebracht worden. Fidelis (trocken). Davon hat der nicht viel, der Tote. Kuno (zu Fidelis aufblickend; langſam, ſtark, leiſe). Aber begreifen Sie nun? (Nach einer kleinen Pauſe; leichter im Ton.) Nicht ſein Tod war es. — Aber daß ich nichts dagegen einzuſetzen hatte, keinen Gegenwert, der meine Tat aufgewogen hätte! Keine Leidenſchaft, keinen in- neren Zwang, der mich gerechtfertigt hätte, das machte ſie mir faſt zum — (ſeine Stimme ſenkend, langſam) zum gemeinen Mord. — (Wieder lauter und leichter, knapp.) Es iſt mir ſeitdem ein unverbrüchliches Geſetz, in meinen Gefühlen unbarmherzig ehrlich zu ſein. Auch in Fällen, wo das eigentlich nicht üblich iſt. Das mag Ihnen er- klären — Fidelis (raſch einfallend; trocken). Ich nehm's Ihnen ja weiter nicht übel. (Mit einiger Bitterkeit.) Ich hatte <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#KUN"> <p><pb facs="#f0098" n="92"/> hätte, ich kam mir ſelbſt ganz komiſch vor. Und ich weiß<lb/> noch, daß mir unterwegs plötzlich einfiel, mit dieſen Wor-<lb/> ten: ein Mann kann da doch eigentlich einer Frau nicht gut<lb/> nein ſagen! Darüber mußte ich lachen. <stage>(Nach einer Pauſe,<lb/> indem er nun zu Fidelis aufblickt; aͤußerlich ganz ruhig, knapp,<lb/> einfach berichtend.)</stage> Sieben Wochen ſpäter verriet uns der<lb/> albernſte Zufall. Ihr Mann forderte mich. Mit meinem<lb/> Schießen war's nicht ſehr berühmt. <stage>(Nach einem Atemzug,<lb/> zu Boden blickend; ganz knapp.)</stage> Es war alſo nur ein Zu-<lb/> fall. Auch wieder ein Zufall. <stage>(Geht langſam von rechts<lb/> nach links und bleibt hier ſtehen; nach einer Pauſe.)</stage> Obwohl<lb/> ich mich jetzt manchmal frage, ob wir das Zufall nennen<lb/> dürfen, ob nicht eine höhere Hand — <stage>(Ganz einfach, ſtill<lb/> vor ſich hin, in einem Ton der Dankbarkeit.)</stage> Denn ich bin<lb/> dadurch erſt auf den rechten Weg gebracht worden.</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(trocken).</stage> <p>Davon hat der nicht viel, der Tote.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(zu Fidelis aufblickend; langſam, ſtark, leiſe).</stage> <p>Aber<lb/> begreifen Sie nun? <stage>(Nach einer kleinen Pauſe; leichter im<lb/> Ton.)</stage> Nicht ſein Tod war es. — Aber daß ich nichts<lb/> dagegen einzuſetzen hatte, keinen Gegenwert, der meine<lb/> Tat aufgewogen hätte! Keine Leidenſchaft, keinen in-<lb/> neren Zwang, der mich gerechtfertigt hätte, das machte<lb/> ſie mir faſt zum — <stage>(ſeine Stimme ſenkend, langſam)</stage> zum<lb/> gemeinen Mord. — <stage>(Wieder lauter und leichter, knapp.)</stage><lb/> Es iſt mir ſeitdem ein unverbrüchliches Geſetz, in meinen<lb/> Gefühlen unbarmherzig ehrlich zu ſein. Auch in Fällen,<lb/> wo das eigentlich nicht üblich iſt. Das mag Ihnen er-<lb/> klären —</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(raſch einfallend; trocken).</stage> <p>Ich nehm's Ihnen<lb/> ja weiter nicht übel. <stage>(Mit einiger Bitterkeit.)</stage> Ich hatte<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [92/0098]
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noch, daß mir unterwegs plötzlich einfiel, mit dieſen Wor-
ten: ein Mann kann da doch eigentlich einer Frau nicht gut
nein ſagen! Darüber mußte ich lachen. (Nach einer Pauſe,
indem er nun zu Fidelis aufblickt; aͤußerlich ganz ruhig, knapp,
einfach berichtend.) Sieben Wochen ſpäter verriet uns der
albernſte Zufall. Ihr Mann forderte mich. Mit meinem
Schießen war's nicht ſehr berühmt. (Nach einem Atemzug,
zu Boden blickend; ganz knapp.) Es war alſo nur ein Zu-
fall. Auch wieder ein Zufall. (Geht langſam von rechts
nach links und bleibt hier ſtehen; nach einer Pauſe.) Obwohl
ich mich jetzt manchmal frage, ob wir das Zufall nennen
dürfen, ob nicht eine höhere Hand — (Ganz einfach, ſtill
vor ſich hin, in einem Ton der Dankbarkeit.) Denn ich bin
dadurch erſt auf den rechten Weg gebracht worden.
Fidelis (trocken). Davon hat der nicht viel, der Tote.
Kuno (zu Fidelis aufblickend; langſam, ſtark, leiſe). Aber
begreifen Sie nun? (Nach einer kleinen Pauſe; leichter im
Ton.) Nicht ſein Tod war es. — Aber daß ich nichts
dagegen einzuſetzen hatte, keinen Gegenwert, der meine
Tat aufgewogen hätte! Keine Leidenſchaft, keinen in-
neren Zwang, der mich gerechtfertigt hätte, das machte
ſie mir faſt zum — (ſeine Stimme ſenkend, langſam) zum
gemeinen Mord. — (Wieder lauter und leichter, knapp.)
Es iſt mir ſeitdem ein unverbrüchliches Geſetz, in meinen
Gefühlen unbarmherzig ehrlich zu ſein. Auch in Fällen,
wo das eigentlich nicht üblich iſt. Das mag Ihnen er-
klären —
Fidelis (raſch einfallend; trocken). Ich nehm's Ihnen
ja weiter nicht übel. (Mit einiger Bitterkeit.) Ich hatte
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