Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
denn gar kein Ordnungsbedürfnis? Man muß nur für jedes Phänomen den Zusammenhang aufzufinden trachten, dann ist es erledigt. Justine (empört). Machst du dich über dich selbst lustig? Fidelis (blickt auf, sein Gesicht wird ganz ernst; nach einer Pause, kurz, einfach, mit einem ganz leisen Anklang von Traurigkeit). Laß mich doch! Vielleicht hab ich's nötig. (Steht auf, tritt vom Sofa weg und geht nach rechts; nach einer kleinen Pause, hinter der Sitzbank wieder stehen bleibend, den Ton wechselnd, leichthin.) Wenn ich übrigens nur erst das Motiv hab, da weiß ich dann auch, wie ich Luz wieder krieg. Justine (verblüfft und neugierig). Du willst --? Fidelis (indem er sie fast herausfordernd anblickt; kurz). Natürlich. Ich will Luz wieder haben. -- Wenn ich was verliere, suche ich, bis ich's wiederfinde. Du nicht? Justine (zögernd, leise). Zu meiner Zeit -- (Hält ein und blickt ihn nur mißbilligend an.) Fidelis (herausfordernd). Was war da? Justine (leise, höhnisch). Da hatten die Männer, da gab's ein gewisses -- (Hält ein.) Fidelis (trocken). Ehrgefühl? Gibt's noch immer, Mamchen. Ich denke fortwährend daran, was ich dem Kerl antun könnte. Und darauf läuft's ja hinaus, euer berühmtes Ehrgefühl, nicht? Erst aber will ich Luz wieder haben. -- (Indem er zwischen die Sitzbank und den runden Tisch tritt; plötzlich sehr heftig, aber nicht laut.) Ihr überschätzt auch alle den Ehebruch! (Den Ton wechselnd, wieder ganz leicht.) Kommt bloß auf die richtige Behand-
denn gar kein Ordnungsbedürfnis? Man muß nur für jedes Phänomen den Zuſammenhang aufzufinden trachten, dann iſt es erledigt. Juſtine (empoͤrt). Machſt du dich über dich ſelbſt luſtig? Fidelis (blickt auf, ſein Geſicht wird ganz ernſt; nach einer Pauſe, kurz, einfach, mit einem ganz leiſen Anklang von Traurigkeit). Laß mich doch! Vielleicht hab ich's nötig. (Steht auf, tritt vom Sofa weg und geht nach rechts; nach einer kleinen Pauſe, hinter der Sitzbank wieder ſtehen bleibend, den Ton wechſelnd, leichthin.) Wenn ich übrigens nur erſt das Motiv hab, da weiß ich dann auch, wie ich Luz wieder krieg. Juſtine (verbluͤfft und neugierig). Du willſt —? Fidelis (indem er ſie faſt herausfordernd anblickt; kurz). Natürlich. Ich will Luz wieder haben. — Wenn ich was verliere, ſuche ich, bis ich's wiederfinde. Du nicht? Juſtine (zoͤgernd, leiſe). Zu meiner Zeit — (Haͤlt ein und blickt ihn nur mißbilligend an.) Fidelis (herausfordernd). Was war da? Juſtine (leiſe, hoͤhniſch). Da hatten die Männer, da gab's ein gewiſſes — (Haͤlt ein.) Fidelis (trocken). Ehrgefühl? Gibt's noch immer, Mamchen. Ich denke fortwährend daran, was ich dem Kerl antun könnte. Und darauf läuft's ja hinaus, euer berühmtes Ehrgefühl, nicht? Erſt aber will ich Luz wieder haben. — (Indem er zwiſchen die Sitzbank und den runden Tiſch tritt; ploͤtzlich ſehr heftig, aber nicht laut.) Ihr überſchätzt auch alle den Ehebruch! (Den Ton wechſelnd, wieder ganz leicht.) Kommt bloß auf die richtige Behand- <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#FID"> <p><pb facs="#f0063" n="60"/> denn gar kein Ordnungsbedürfnis? Man muß nur für<lb/> jedes Phänomen den Zuſammenhang aufzufinden trachten,<lb/> dann iſt es erledigt.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(empoͤrt).</stage> <p>Machſt du dich über dich ſelbſt<lb/> luſtig?</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(blickt auf, ſein Geſicht wird ganz ernſt; nach<lb/> einer Pauſe, kurz, einfach, mit einem ganz leiſen Anklang<lb/> von Traurigkeit).</stage> <p>Laß mich doch! Vielleicht hab ich's<lb/> nötig. <stage>(Steht auf, tritt vom Sofa weg und geht nach rechts;<lb/> nach einer kleinen Pauſe, hinter der Sitzbank wieder ſtehen<lb/> bleibend, den Ton wechſelnd, leichthin.)</stage> Wenn ich übrigens<lb/> nur erſt das Motiv hab, da weiß ich dann auch, wie<lb/> ich Luz wieder krieg.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(verbluͤfft und neugierig).</stage> <p>Du willſt —?</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(indem er ſie faſt herausfordernd anblickt; kurz).</stage><lb/> <p>Natürlich. Ich will Luz wieder haben. — Wenn ich<lb/> was verliere, ſuche ich, bis ich's wiederfinde. Du nicht?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(zoͤgernd, leiſe).</stage> <p>Zu meiner Zeit — <stage>(Haͤlt<lb/> ein und blickt ihn nur mißbilligend an.)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(herausfordernd).</stage> <p>Was war da?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(leiſe, hoͤhniſch).</stage> <p>Da hatten die Männer, da<lb/> gab's ein gewiſſes — <stage>(Haͤlt ein.)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(trocken).</stage> <p>Ehrgefühl? Gibt's noch immer,<lb/> Mamchen. Ich denke fortwährend daran, was ich dem<lb/> Kerl antun könnte. Und darauf läuft's ja hinaus, euer<lb/> berühmtes Ehrgefühl, nicht? Erſt aber will ich Luz<lb/> wieder haben. — <stage>(Indem er zwiſchen die Sitzbank und den<lb/> runden Tiſch tritt; ploͤtzlich ſehr heftig, aber nicht laut.)</stage> Ihr<lb/> überſchätzt auch alle den Ehebruch! <stage>(Den Ton wechſelnd,<lb/> wieder ganz leicht.)</stage> Kommt bloß auf die richtige Behand-<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [60/0063]
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luſtig?
Fidelis (blickt auf, ſein Geſicht wird ganz ernſt; nach
einer Pauſe, kurz, einfach, mit einem ganz leiſen Anklang
von Traurigkeit). Laß mich doch! Vielleicht hab ich's
nötig. (Steht auf, tritt vom Sofa weg und geht nach rechts;
nach einer kleinen Pauſe, hinter der Sitzbank wieder ſtehen
bleibend, den Ton wechſelnd, leichthin.) Wenn ich übrigens
nur erſt das Motiv hab, da weiß ich dann auch, wie
ich Luz wieder krieg.
Juſtine (verbluͤfft und neugierig). Du willſt —?
Fidelis (indem er ſie faſt herausfordernd anblickt; kurz).
Natürlich. Ich will Luz wieder haben. — Wenn ich
was verliere, ſuche ich, bis ich's wiederfinde. Du nicht?
Juſtine (zoͤgernd, leiſe). Zu meiner Zeit — (Haͤlt
ein und blickt ihn nur mißbilligend an.)
Fidelis (herausfordernd). Was war da?
Juſtine (leiſe, hoͤhniſch). Da hatten die Männer, da
gab's ein gewiſſes — (Haͤlt ein.)
Fidelis (trocken). Ehrgefühl? Gibt's noch immer,
Mamchen. Ich denke fortwährend daran, was ich dem
Kerl antun könnte. Und darauf läuft's ja hinaus, euer
berühmtes Ehrgefühl, nicht? Erſt aber will ich Luz
wieder haben. — (Indem er zwiſchen die Sitzbank und den
runden Tiſch tritt; ploͤtzlich ſehr heftig, aber nicht laut.) Ihr
überſchätzt auch alle den Ehebruch! (Den Ton wechſelnd,
wieder ganz leicht.) Kommt bloß auf die richtige Behand-
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Zitationshilfe: | Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/63>, abgerufen am 17.07.2024. |