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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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mir ein bißchen zu helfen! -- Aber das ist das Nieder-
trächtigste bei den Frauen.
Justine (gereizt, argwöhnisch). Was denn wieder?
Fidelis (indem er neben das Sofa tritt; ernst). Kein
Mann versteht euch ja. Aber ihr müßt euch doch unter
einander --? Nun so rate mir, erkläre mir! Aber nein,
Geschäftsgeheimnis!
Justine (ihn von der Seite spöttisch anblickend). Was
ist dir denn daran so -- "unerklärlich"?
Fidelis (treuherzig naiv). Alles.
Justine (leise; mit einem spöttischen Blick). Daß auch
ein anderer als du geliebt werden kann?
Fidelis (in einem sehr ärgerlichen Ton rasch). Ach das
nützt mir nun gar nichts, da weiß ich erst recht nichts!
Sie "liebt" diesen Mann! "Liebt"! Das sagt gar nichts!
Semiramis, Kleopatra, Messalina, die heilige Klara, die
Kaiserin Katharina, das Gretchen, Isolde, die haben alle
"geliebt"! Es ist immer derselbe Name und doch ist
es niemals dasselbe. Damit weiß ich noch gar nichts,
daß es heißt, sie "liebt"! Und solang ich aber das
Motiv ihrer Empfindung nicht weiß, kann ich nicht hel-
fen, ihr und mir nicht.
Justine (die sich immer mehr über ihn wundert). Was
nennst du denn das Motiv? Was meinst du damit?
Fidelis (eifrig, mit sichtlicher Lust an solchen Darlegungen).
Es kommt zum Beispiel vor, daß in Menschen irgend
ein lasterhafter Ahn spukt, daß sozusagen noch nicht ganz
verdaute Gelüste der Vorfahren --
Justine (ihn unterbrechend; kampfbereit). Du wirst doch
nicht behaupten, daß in meiner Familie --
mir ein bißchen zu helfen! — Aber das iſt das Nieder-
trächtigſte bei den Frauen.
Juſtine (gereizt, argwoͤhniſch). Was denn wieder?
Fidelis (indem er neben das Sofa tritt; ernſt). Kein
Mann verſteht euch ja. Aber ihr müßt euch doch unter
einander —? Nun ſo rate mir, erkläre mir! Aber nein,
Geſchäftsgeheimnis!
Juſtine (ihn von der Seite ſpoͤttiſch anblickend). Was
iſt dir denn daran ſo — „unerklärlich“?
Fidelis (treuherzig naiv). Alles.
Juſtine (leiſe; mit einem ſpoͤttiſchen Blick). Daß auch
ein anderer als du geliebt werden kann?
Fidelis (in einem ſehr aͤrgerlichen Ton raſch). Ach das
nützt mir nun gar nichts, da weiß ich erſt recht nichts!
Sie „liebt“ dieſen Mann! „Liebt“! Das ſagt gar nichts!
Semiramis, Kleopatra, Meſſalina, die heilige Klara, die
Kaiſerin Katharina, das Gretchen, Iſolde, die haben alle
„geliebt“! Es iſt immer derſelbe Name und doch iſt
es niemals dasſelbe. Damit weiß ich noch gar nichts,
daß es heißt, ſie „liebt“! Und ſolang ich aber das
Motiv ihrer Empfindung nicht weiß, kann ich nicht hel-
fen, ihr und mir nicht.
Juſtine (die ſich immer mehr uͤber ihn wundert). Was
nennſt du denn das Motiv? Was meinſt du damit?
Fidelis (eifrig, mit ſichtlicher Luſt an ſolchen Darlegungen).
Es kommt zum Beiſpiel vor, daß in Menſchen irgend
ein laſterhafter Ahn ſpukt, daß ſozuſagen noch nicht ganz
verdaute Gelüſte der Vorfahren —
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[57/0060] mir ein bißchen zu helfen! — Aber das iſt das Nieder- trächtigſte bei den Frauen. Juſtine (gereizt, argwoͤhniſch). Was denn wieder? Fidelis (indem er neben das Sofa tritt; ernſt). Kein Mann verſteht euch ja. Aber ihr müßt euch doch unter einander —? Nun ſo rate mir, erkläre mir! Aber nein, Geſchäftsgeheimnis! Juſtine (ihn von der Seite ſpoͤttiſch anblickend). Was iſt dir denn daran ſo — „unerklärlich“? Fidelis (treuherzig naiv). Alles. Juſtine (leiſe; mit einem ſpoͤttiſchen Blick). Daß auch ein anderer als du geliebt werden kann? Fidelis (in einem ſehr aͤrgerlichen Ton raſch). Ach das nützt mir nun gar nichts, da weiß ich erſt recht nichts! Sie „liebt“ dieſen Mann! „Liebt“! Das ſagt gar nichts! Semiramis, Kleopatra, Meſſalina, die heilige Klara, die Kaiſerin Katharina, das Gretchen, Iſolde, die haben alle „geliebt“! Es iſt immer derſelbe Name und doch iſt es niemals dasſelbe. Damit weiß ich noch gar nichts, daß es heißt, ſie „liebt“! Und ſolang ich aber das Motiv ihrer Empfindung nicht weiß, kann ich nicht hel- fen, ihr und mir nicht. Juſtine (die ſich immer mehr uͤber ihn wundert). Was nennſt du denn das Motiv? Was meinſt du damit? Fidelis (eifrig, mit ſichtlicher Luſt an ſolchen Darlegungen). Es kommt zum Beiſpiel vor, daß in Menſchen irgend ein laſterhafter Ahn ſpukt, daß ſozuſagen noch nicht ganz verdaute Gelüſte der Vorfahren — Juſtine (ihn unterbrechend; kampfbereit). Du wirſt doch nicht behaupten, daß in meiner Familie —

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/60>, abgerufen am 24.11.2024.