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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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lung fähig ist, kann dir doch nicht gleichgültig sein! Nicht
wegen der hundert Mark! Aber wenn ein Mensch, dem
du das nie zugetraut hättest, stiehlt, das muß doch dein
Gefühl -- denn dann ist er ja nicht mehr der, der er
bisher für dich war!? (Blickt ihn angstvoll an, gierig
seine Antwort erwartend.)
Fidelis (durch ihren Ton verwundert, mit einem plötz-
lichen Argwohn, indem er auf sie zugeht und sie forschend
ansieht; ernst fragend, langsam).
Sag, Luz -- ?!
Luz (zusammenschreckend; leise, sehr rasch). Ja, was?
Fidelis (ganz ruhig, langsam, nicht laut). Hast du viel-
leicht gestohlen?
Luz (gar nicht erschreckt, bloß sehr verwundert). Wie
kannst du nur -- ?
Fidelis (trocken). Es kommt vor.
Luz (lachend). Ich wüßte wirklich auch nicht! Wozu
denn? Ich kann doch alles haben!
Fidelis. Meine Schwester wurde von ihrer besten
Freundin bestohlen, einem sehr reichen Mädchen, das
auch "alles hatte". Frauen erliegen manchmal solchen
Gelüsten. Man nennt das, wenn's in unseren Kreisen
passiert, Kleptomanie. (Indem er sie wieder forschend
anblickt.)
Das ist es also nicht?
Luz (leise, fast höhnisch). Wenn's nur das wär!
(Plötzlich wieder sehr heftig.) Frag nicht, frag mich nicht!
Ich kann ja nicht, ich hab dich doch so lieb! (Stürzt,
in Tränen ausbrechend, an seinen Hals; sehr aufgeregt,
fiebernd, immer schneller.)
Du bist so gut, unser Leben
war so schön und nie hätt ich gedacht -- nie, nie!
Ich hab so fest geglaubt, es muß immer so bleiben --

lung fähig iſt, kann dir doch nicht gleichgültig ſein! Nicht
wegen der hundert Mark! Aber wenn ein Menſch, dem
du das nie zugetraut hätteſt, ſtiehlt, das muß doch dein
Gefühl — denn dann iſt er ja nicht mehr der, der er
bisher für dich war!? (Blickt ihn angſtvoll an, gierig
ſeine Antwort erwartend.)
Fidelis (durch ihren Ton verwundert, mit einem ploͤtz-
lichen Argwohn, indem er auf ſie zugeht und ſie forſchend
anſieht; ernſt fragend, langſam).
Sag, Luz — ?!
Luz (zuſammenſchreckend; leiſe, ſehr raſch). Ja, was?
Fidelis (ganz ruhig, langſam, nicht laut). Haſt du viel-
leicht geſtohlen?
Luz (gar nicht erſchreckt, bloß ſehr verwundert). Wie
kannſt du nur — ?
Fidelis (trocken). Es kommt vor.
Luz (lachend). Ich wüßte wirklich auch nicht! Wozu
denn? Ich kann doch alles haben!
Fidelis. Meine Schweſter wurde von ihrer beſten
Freundin beſtohlen, einem ſehr reichen Mädchen, das
auch „alles hatte“. Frauen erliegen manchmal ſolchen
Gelüſten. Man nennt das, wenn's in unſeren Kreiſen
paſſiert, Kleptomanie. (Indem er ſie wieder forſchend
anblickt.)
Das iſt es alſo nicht?
Luz (leiſe, faſt hoͤhniſch). Wenn's nur das wär!
(Ploͤtzlich wieder ſehr heftig.) Frag nicht, frag mich nicht!
Ich kann ja nicht, ich hab dich doch ſo lieb! (Stuͤrzt,
in Traͤnen ausbrechend, an ſeinen Hals; ſehr aufgeregt,
fiebernd, immer ſchneller.)
Du biſt ſo gut, unſer Leben
war ſo ſchön und nie hätt ich gedacht — nie, nie!
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[47/0050] lung fähig iſt, kann dir doch nicht gleichgültig ſein! Nicht wegen der hundert Mark! Aber wenn ein Menſch, dem du das nie zugetraut hätteſt, ſtiehlt, das muß doch dein Gefühl — denn dann iſt er ja nicht mehr der, der er bisher für dich war!? (Blickt ihn angſtvoll an, gierig ſeine Antwort erwartend.) Fidelis (durch ihren Ton verwundert, mit einem ploͤtz- lichen Argwohn, indem er auf ſie zugeht und ſie forſchend anſieht; ernſt fragend, langſam). Sag, Luz — ?! Luz (zuſammenſchreckend; leiſe, ſehr raſch). Ja, was? Fidelis (ganz ruhig, langſam, nicht laut). Haſt du viel- leicht geſtohlen? Luz (gar nicht erſchreckt, bloß ſehr verwundert). Wie kannſt du nur — ? Fidelis (trocken). Es kommt vor. Luz (lachend). Ich wüßte wirklich auch nicht! Wozu denn? Ich kann doch alles haben! Fidelis. Meine Schweſter wurde von ihrer beſten Freundin beſtohlen, einem ſehr reichen Mädchen, das auch „alles hatte“. Frauen erliegen manchmal ſolchen Gelüſten. Man nennt das, wenn's in unſeren Kreiſen paſſiert, Kleptomanie. (Indem er ſie wieder forſchend anblickt.) Das iſt es alſo nicht? Luz (leiſe, faſt hoͤhniſch). Wenn's nur das wär! (Ploͤtzlich wieder ſehr heftig.) Frag nicht, frag mich nicht! Ich kann ja nicht, ich hab dich doch ſo lieb! (Stuͤrzt, in Traͤnen ausbrechend, an ſeinen Hals; ſehr aufgeregt, fiebernd, immer ſchneller.) Du biſt ſo gut, unſer Leben war ſo ſchön und nie hätt ich gedacht — nie, nie! Ich hab ſo feſt geglaubt, es muß immer ſo bleiben —

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/50>, abgerufen am 27.11.2024.