während die kleine Schilddrüse zweien morphologischen Elementen anzugehören scheint. --
Nach welchen Gesetzen die ursprünglich wenig verschiedenen morpho- logischen Elemente sich in die Mannigfaltigkeit der Organe umwandeln, ist eine wohl kaum noch ins Auge gefasste, aber doch für eine wahre, eindringende Er- kenntniss des organischen Baues ganz unabweisbare Aufgabe; denn es muss einst erforscht werden, welche allgemeinen Verhältnisse alle Einzelheiten bestimmter Thierformen erzeugen. Nur einen kleinen Fingerzeig erlaube ich mir zu geben, indem ich darauf aufmerksam mache, dass das Nervensystem an seinem vordern Ende sich in seinen einzelnen Abschnitten oder morphologischen Elementen mehr individualisirt, nach hinten weniger, denn nach vorn haben wir die verschiede- nen Abtheilungen des Hirnes und die Sinnesorgane, nach hinten ein fast gleich- mässiges Rückenmark; dass dagegen der Darmkanal sich nach hinten mehr in Ab- theilungen individualisirt, denn vorn enthalten Mundhöhle und Speiseröhre meh- rere ziemlich gleich bleibende morphologische Elemente, nach hinten aber wer- den die Abschnitte heterogener. Es scheint mithin jedes Fundamentalorgan, in der Region, in welcher es am meisten vorherrscht, auch eine höhere morpholo- gische Sonderung zu erfahren.
Ich habe bei der Feststellung des Begriffes von den morphologischen Ele-cc. Morpho- logische Ele- mente in der vegetativen Abtheilung. menten auf die vegetative Abtheilung des Leibes vorläufig nicht Rücksicht genom- men, sondern jene Elemente in der animalischen Abtheilung nachgewiesen und sie dann stillschweigend auch in der vegetativen angenommen. Wir dürfen die Frage jedoch nicht umgehen, in wie weit dieses geschehen durfte? Ich glaube in jenem Verfahren Recht gehabt zu haben. Zwar sind die morphologischen Ele- mente im Darmkanale des erwachsenen Wirbelthiers, besonders in der Mitte des- selben, nicht mehr kenntlich, indessen sind sie an den Enden doch durch die mehrfachen Paare von hinzutretenden Nerven und Blutgefässen noch angedeutet. Je jünger aber das Thier ist, um desto deutlicher sind diese Abtheilungen. So machen die Kiemenspalten mit ihren fünf Gefässbogen eine fünffache Gliederung der Rachenhöhle ganz offenbar. Die Mitte des Darmes ist, je weiter wir im Embryonenleben zurückgehen, um so mehr dem Anfangstheile desselben ähnlich und lässt schon deshalb die Anlage zu einer Gliederung vermuthen. Diese wird aber durch gewisse Verhältnisse noch kenntlicher gemacht. Sie wird unter andern durch die erste Gefässvertheilung angedeutet, am bemerklichsten bei den Säuge- thieren. So lange in den Embryonen derselben der Darmkanal in dem grössten Theile seiner Länge noch offen ist, ziehen sich an den Rändern desselben zwei Ve- nen hinauf, die erst beim Eintritt in die sogenannte Fovea cardiaca zu einem
während die kleine Schilddrüse zweien morphologischen Elementen anzugehören scheint. —
Nach welchen Gesetzen die ursprünglich wenig verschiedenen morpho- logischen Elemente sich in die Mannigfaltigkeit der Organe umwandeln, ist eine wohl kaum noch ins Auge gefaſste, aber doch für eine wahre, eindringende Er- kenntniſs des organischen Baues ganz unabweisbare Aufgabe; denn es muſs einst erforscht werden, welche allgemeinen Verhältnisse alle Einzelheiten bestimmter Thierformen erzeugen. Nur einen kleinen Fingerzeig erlaube ich mir zu geben, indem ich darauf aufmerksam mache, daſs das Nervensystem an seinem vordern Ende sich in seinen einzelnen Abschnitten oder morphologischen Elementen mehr individualisirt, nach hinten weniger, denn nach vorn haben wir die verschiede- nen Abtheilungen des Hirnes und die Sinnesorgane, nach hinten ein fast gleich- mäſsiges Rückenmark; daſs dagegen der Darmkanal sich nach hinten mehr in Ab- theilungen individualisirt, denn vorn enthalten Mundhöhle und Speiseröhre meh- rere ziemlich gleich bleibende morphologische Elemente, nach hinten aber wer- den die Abschnitte heterogener. Es scheint mithin jedes Fundamentalorgan, in der Region, in welcher es am meisten vorherrscht, auch eine höhere morpholo- gische Sonderung zu erfahren.
Ich habe bei der Feststellung des Begriffes von den morphologischen Ele-cc. Morpho- logische Ele- mente in der vegetativen Abtheilung. menten auf die vegetative Abtheilung des Leibes vorläufig nicht Rücksicht genom- men, sondern jene Elemente in der animalischen Abtheilung nachgewiesen und sie dann stillschweigend auch in der vegetativen angenommen. Wir dürfen die Frage jedoch nicht umgehen, in wie weit dieses geschehen durfte? Ich glaube in jenem Verfahren Recht gehabt zu haben. Zwar sind die morphologischen Ele- mente im Darmkanale des erwachsenen Wirbelthiers, besonders in der Mitte des- selben, nicht mehr kenntlich, indessen sind sie an den Enden doch durch die mehrfachen Paare von hinzutretenden Nerven und Blutgefäſsen noch angedeutet. Je jünger aber das Thier ist, um desto deutlicher sind diese Abtheilungen. So machen die Kiemenspalten mit ihren fünf Gefäſsbogen eine fünffache Gliederung der Rachenhöhle ganz offenbar. Die Mitte des Darmes ist, je weiter wir im Embryonenleben zurückgehen, um so mehr dem Anfangstheile desselben ähnlich und läſst schon deshalb die Anlage zu einer Gliederung vermuthen. Diese wird aber durch gewisse Verhältnisse noch kenntlicher gemacht. Sie wird unter andern durch die erste Gefäſsvertheilung angedeutet, am bemerklichsten bei den Säuge- thieren. So lange in den Embryonen derselben der Darmkanal in dem gröſsten Theile seiner Länge noch offen ist, ziehen sich an den Rändern desselben zwei Ve- nen hinauf, die erst beim Eintritt in die sogenannte Fovea cardiaca zu einem
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während die kleine Schilddrüse zweien morphologischen Elementen anzugehören
scheint. —
Nach welchen Gesetzen die ursprünglich wenig verschiedenen morpho-
logischen Elemente sich in die Mannigfaltigkeit der Organe umwandeln, ist eine
wohl kaum noch ins Auge gefaſste, aber doch für eine wahre, eindringende Er-
kenntniſs des organischen Baues ganz unabweisbare Aufgabe; denn es muſs einst
erforscht werden, welche allgemeinen Verhältnisse alle Einzelheiten bestimmter
Thierformen erzeugen. Nur einen kleinen Fingerzeig erlaube ich mir zu geben,
indem ich darauf aufmerksam mache, daſs das Nervensystem an seinem vordern
Ende sich in seinen einzelnen Abschnitten oder morphologischen Elementen mehr
individualisirt, nach hinten weniger, denn nach vorn haben wir die verschiede-
nen Abtheilungen des Hirnes und die Sinnesorgane, nach hinten ein fast gleich-
mäſsiges Rückenmark; daſs dagegen der Darmkanal sich nach hinten mehr in Ab-
theilungen individualisirt, denn vorn enthalten Mundhöhle und Speiseröhre meh-
rere ziemlich gleich bleibende morphologische Elemente, nach hinten aber wer-
den die Abschnitte heterogener. Es scheint mithin jedes Fundamentalorgan, in
der Region, in welcher es am meisten vorherrscht, auch eine höhere morpholo-
gische Sonderung zu erfahren.
Ich habe bei der Feststellung des Begriffes von den morphologischen Ele-
menten auf die vegetative Abtheilung des Leibes vorläufig nicht Rücksicht genom-
men, sondern jene Elemente in der animalischen Abtheilung nachgewiesen und
sie dann stillschweigend auch in der vegetativen angenommen. Wir dürfen die
Frage jedoch nicht umgehen, in wie weit dieses geschehen durfte? Ich glaube in
jenem Verfahren Recht gehabt zu haben. Zwar sind die morphologischen Ele-
mente im Darmkanale des erwachsenen Wirbelthiers, besonders in der Mitte des-
selben, nicht mehr kenntlich, indessen sind sie an den Enden doch durch die
mehrfachen Paare von hinzutretenden Nerven und Blutgefäſsen noch angedeutet.
Je jünger aber das Thier ist, um desto deutlicher sind diese Abtheilungen. So
machen die Kiemenspalten mit ihren fünf Gefäſsbogen eine fünffache Gliederung
der Rachenhöhle ganz offenbar. Die Mitte des Darmes ist, je weiter wir im
Embryonenleben zurückgehen, um so mehr dem Anfangstheile desselben ähnlich
und läſst schon deshalb die Anlage zu einer Gliederung vermuthen. Diese wird
aber durch gewisse Verhältnisse noch kenntlicher gemacht. Sie wird unter andern
durch die erste Gefäſsvertheilung angedeutet, am bemerklichsten bei den Säuge-
thieren. So lange in den Embryonen derselben der Darmkanal in dem gröſsten
Theile seiner Länge noch offen ist, ziehen sich an den Rändern desselben zwei Ve-
nen hinauf, die erst beim Eintritt in die sogenannte Fovea cardiaca zu einem
cc. Morpho-
logische Ele-
mente in der
vegetativen
Abtheilung.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/95>, abgerufen am 22.11.2024.
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