Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber nicht beide Hauptblätter der Keimhaut bilden das Amnion. Im An-
fange freilich, wenn der Rand des Embryo seine Wanderung nach unten beginnt,
liegen das animalische und das vegetative Blatt noch ziemlich an einander, aberFig. 5. 6'.
Fig. IV. V.

so wie es immer bestimmter nach unten rückt, trennen sich beide Blätter rasch
von einander und die Trennung schreitet von der Wirbelsäule des Embryo fort.
Das vegetative Blatt sinkt überall tiefer als das animalische, und würde, wenn
wir es aus dem Innern des Dotters betrachten könnten, puffig aussehen und wie
eine Blase den vordern und hintern Theil des Embryo verdecken; nur seine Mitte,
die Wirbelsäule nämlich mit Ausnahme ihrer Enden, würde sichtbar bleiben,
weil hier das vegetative Blatt am animalischen eng anliegt. Eine solche Ansicht
haben wir nun wirklich, wenn wir den Embryo in diesem Zustande im Wasser
liegend, so dass nichts zerstört wird, von unten aus mit dem Microscope be-
trachten. Diese Ansicht hat Wolff bewogen, die scheinbare Blase das falsche
Amnion zu nennen. Ich habe sie die Kappe (Involucrum) genannt, ausKappe, In-
volucrum.

Gründen, die ich sogleich anführen werde. Vorher mache ich nur die Bemer-
kung, dass die Kappe, oder Wolff's falsches Amnion, nach der ganzen gegebe-
nen Darstellung nichts ist als die oben beschriebene Grube, von unten angesehen
und nur in so fern verschieden, als das tiefere vegetative Blatt vom animalischen
Blatte später absteht, weshalb die Kappe stärker gewölbt erscheint, als die Grube,
von oben angesehen, vertieft ist. Die Kappe ist, eben weil sie nur die tiefere
Schicht jener Grube ausmacht, nicht eine geschlossene Blase, sondern liesse sich
eher mit einer Mulde *) vergleichen, auf welcher die Dotterhaut wie ein über sie
weggehender Deckel liegt. Nun hörten wir aber so eben, dass die Grube sich oben
schliesst, um das Amnion zu bilden. An diesem Schlusse hat jedoch die Kappe
keinen Antheil, denn die Trennung zwischen dem animalischen und vegetativen
Blatte geht vom Embryo fort bis an den Winkel, wo der herabgezogene Theil
der Keimhaut in den übrigen, nicht aus der Lage gezogenen übergeht, d. h. bis
an den Rand der Grube und endlich noch weiter. Von dem Augenblicke an näm-Fig. 6". 7'.
VI.

lich, wo beide Blätter in diesen Winkel getrennt sind, wird der Winkel in dem
vegetativen Blatte schwächer und glättet sich allmählig ganz aus, so dass der frü-Fig. 7". 8.
VII. VIII.

her herabgeneigte Theil ganz unmerklich in den jetzt mehr herabgesunkenen äu-
ssern Theil übergeht. Die ganze Ansicht der muldenförmigen Kappe ist also nun
geschwunden, wenn wir den Embryo von unten betrachten. Das animalische

*) Die aber in der Mitte der Wölbung eine Rinne hat, wenn wir sie von unten betrachten,
oder in der Mitte der Vertiefung eine Erhebung, wenn wir sie, nach Wegnahme des anima-
lischen Blattes, von oben anschen. Jene Rinne und diese Erhebung sind natürlich oinerlei
und nichts als die Anheftung des vegetativen Blattes an den Stamm der Wirbelsäule vom Embryo.
II. G

Aber nicht beide Hauptblätter der Keimhaut bilden das Amnion. Im An-
fange freilich, wenn der Rand des Embryo seine Wanderung nach unten beginnt,
liegen das animalische und das vegetative Blatt noch ziemlich an einander, aberFig. 5. 6′.
Fig. IV. V.

so wie es immer bestimmter nach unten rückt, trennen sich beide Blätter rasch
von einander und die Trennung schreitet von der Wirbelsäule des Embryo fort.
Das vegetative Blatt sinkt überall tiefer als das animalische, und würde, wenn
wir es aus dem Innern des Dotters betrachten könnten, puffig aussehen und wie
eine Blase den vordern und hintern Theil des Embryo verdecken; nur seine Mitte,
die Wirbelsäule nämlich mit Ausnahme ihrer Enden, würde sichtbar bleiben,
weil hier das vegetative Blatt am animalischen eng anliegt. Eine solche Ansicht
haben wir nun wirklich, wenn wir den Embryo in diesem Zustande im Wasser
liegend, so daſs nichts zerstört wird, von unten aus mit dem Microscope be-
trachten. Diese Ansicht hat Wolff bewogen, die scheinbare Blase das falsche
Amnion zu nennen. Ich habe sie die Kappe (Involucrum) genannt, ausKappe, In-
volucrum.

Gründen, die ich sogleich anführen werde. Vorher mache ich nur die Bemer-
kung, daſs die Kappe, oder Wolff’s falsches Amnion, nach der ganzen gegebe-
nen Darstellung nichts ist als die oben beschriebene Grube, von unten angesehen
und nur in so fern verschieden, als das tiefere vegetative Blatt vom animalischen
Blatte später absteht, weshalb die Kappe stärker gewölbt erscheint, als die Grube,
von oben angesehen, vertieft ist. Die Kappe ist, eben weil sie nur die tiefere
Schicht jener Grube ausmacht, nicht eine geschlossene Blase, sondern lieſse sich
eher mit einer Mulde *) vergleichen, auf welcher die Dotterhaut wie ein über sie
weggehender Deckel liegt. Nun hörten wir aber so eben, daſs die Grube sich oben
schlieſst, um das Amnion zu bilden. An diesem Schlusse hat jedoch die Kappe
keinen Antheil, denn die Trennung zwischen dem animalischen und vegetativen
Blatte geht vom Embryo fort bis an den Winkel, wo der herabgezogene Theil
der Keimhaut in den übrigen, nicht aus der Lage gezogenen übergeht, d. h. bis
an den Rand der Grube und endlich noch weiter. Von dem Augenblicke an näm-Fig. 6″. 7′.
VI.

lich, wo beide Blätter in diesen Winkel getrennt sind, wird der Winkel in dem
vegetativen Blatte schwächer und glättet sich allmählig ganz aus, so daſs der frü-Fig. 7″. 8.
VII. VIII.

her herabgeneigte Theil ganz unmerklich in den jetzt mehr herabgesunkenen äu-
ſsern Theil übergeht. Die ganze Ansicht der muldenförmigen Kappe ist also nun
geschwunden, wenn wir den Embryo von unten betrachten. Das animalische

*) Die aber in der Mitte der Wölbung eine Rinne hat, wenn wir sie von unten betrachten,
oder in der Mitte der Vertiefung eine Erhebung, wenn wir sie, nach Wegnahme des anima-
lischen Blattes, von oben anschen. Jene Rinne und diese Erhebung sind natürlich oinerlei
und nichts als die Anheftung des vegetativen Blattes an den Stamm der Wirbelsäule vom Embryo.
II. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0059" n="49"/>
          <p>Aber nicht beide Hauptblätter der Keimhaut bilden das Amnion. Im An-<lb/>
fange freilich, wenn der Rand des Embryo seine Wanderung nach unten beginnt,<lb/>
liegen das animalische und das vegetative Blatt noch ziemlich an einander, aber<note place="right">Fig. 5. 6&#x2032;.<lb/>
Fig. IV. V.</note><lb/>
so wie es immer bestimmter nach unten rückt, trennen sich beide Blätter rasch<lb/>
von einander und die Trennung schreitet von der Wirbelsäule des Embryo fort.<lb/>
Das vegetative Blatt sinkt überall tiefer als das animalische, und würde, wenn<lb/>
wir es aus dem Innern des Dotters betrachten könnten, puffig aussehen und wie<lb/>
eine Blase den vordern und hintern Theil des Embryo verdecken; nur seine Mitte,<lb/>
die Wirbelsäule nämlich mit Ausnahme ihrer Enden, würde sichtbar bleiben,<lb/>
weil hier das vegetative Blatt am animalischen eng anliegt. Eine solche Ansicht<lb/>
haben wir nun wirklich, wenn wir den Embryo in diesem Zustande im Wasser<lb/>
liegend, so da&#x017F;s nichts zerstört wird, von unten aus mit dem Microscope be-<lb/>
trachten. Diese Ansicht hat <hi rendition="#g">Wolff</hi> bewogen, die scheinbare Blase das falsche<lb/>
Amnion zu nennen. Ich habe sie die <hi rendition="#i">Kappe</hi> (<hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Involucrum</hi></hi>) genannt, aus<note place="right">Kappe, <hi rendition="#i">In-<lb/>
volucrum.</hi></note><lb/>
Gründen, die ich sogleich anführen werde. Vorher mache ich nur die Bemer-<lb/>
kung, da&#x017F;s die Kappe, oder <hi rendition="#g">Wolff</hi>&#x2019;s falsches Amnion, nach der ganzen gegebe-<lb/>
nen Darstellung nichts ist als die oben beschriebene Grube, von unten angesehen<lb/>
und nur in so fern verschieden, als das tiefere vegetative Blatt vom animalischen<lb/>
Blatte später absteht, weshalb die Kappe stärker gewölbt erscheint, als die Grube,<lb/>
von oben angesehen, vertieft ist. Die Kappe ist, eben weil sie nur die tiefere<lb/>
Schicht jener Grube ausmacht, nicht eine geschlossene Blase, sondern lie&#x017F;se sich<lb/>
eher mit einer Mulde <note place="foot" n="*)">Die aber in der Mitte der Wölbung eine Rinne hat, wenn wir sie von unten betrachten,<lb/>
oder in der Mitte der Vertiefung eine Erhebung, wenn wir sie, nach Wegnahme des anima-<lb/>
lischen Blattes, von oben anschen. Jene Rinne und diese Erhebung sind natürlich oinerlei<lb/>
und nichts als die Anheftung des vegetativen Blattes an den Stamm der Wirbelsäule vom Embryo.</note> vergleichen, auf welcher die Dotterhaut wie ein über sie<lb/>
weggehender Deckel liegt. Nun hörten wir aber so eben, da&#x017F;s die Grube sich oben<lb/>
schlie&#x017F;st, um das Amnion zu bilden. An diesem Schlusse hat jedoch die Kappe<lb/>
keinen Antheil, denn die Trennung zwischen dem animalischen und vegetativen<lb/>
Blatte geht vom Embryo fort bis an den Winkel, wo der herabgezogene Theil<lb/>
der Keimhaut in den übrigen, nicht aus der Lage gezogenen übergeht, d. h. bis<lb/>
an den Rand der Grube und endlich noch weiter. Von dem Augenblicke an näm-<note place="right">Fig. 6&#x2033;. 7&#x2032;.<lb/>
VI.</note><lb/>
lich, wo beide Blätter in diesen Winkel getrennt sind, wird der Winkel in dem<lb/>
vegetativen Blatte schwächer und glättet sich allmählig ganz aus, so da&#x017F;s der frü-<note place="right">Fig. 7&#x2033;. 8.<lb/>
VII. VIII.</note><lb/>
her herabgeneigte Theil ganz unmerklich in den jetzt mehr herabgesunkenen äu-<lb/>
&#x017F;sern Theil übergeht. Die ganze Ansicht der muldenförmigen Kappe ist also nun<lb/>
geschwunden, wenn wir den Embryo von unten betrachten. Das animalische<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">II.</hi> G</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0059] Aber nicht beide Hauptblätter der Keimhaut bilden das Amnion. Im An- fange freilich, wenn der Rand des Embryo seine Wanderung nach unten beginnt, liegen das animalische und das vegetative Blatt noch ziemlich an einander, aber so wie es immer bestimmter nach unten rückt, trennen sich beide Blätter rasch von einander und die Trennung schreitet von der Wirbelsäule des Embryo fort. Das vegetative Blatt sinkt überall tiefer als das animalische, und würde, wenn wir es aus dem Innern des Dotters betrachten könnten, puffig aussehen und wie eine Blase den vordern und hintern Theil des Embryo verdecken; nur seine Mitte, die Wirbelsäule nämlich mit Ausnahme ihrer Enden, würde sichtbar bleiben, weil hier das vegetative Blatt am animalischen eng anliegt. Eine solche Ansicht haben wir nun wirklich, wenn wir den Embryo in diesem Zustande im Wasser liegend, so daſs nichts zerstört wird, von unten aus mit dem Microscope be- trachten. Diese Ansicht hat Wolff bewogen, die scheinbare Blase das falsche Amnion zu nennen. Ich habe sie die Kappe (Involucrum) genannt, aus Gründen, die ich sogleich anführen werde. Vorher mache ich nur die Bemer- kung, daſs die Kappe, oder Wolff’s falsches Amnion, nach der ganzen gegebe- nen Darstellung nichts ist als die oben beschriebene Grube, von unten angesehen und nur in so fern verschieden, als das tiefere vegetative Blatt vom animalischen Blatte später absteht, weshalb die Kappe stärker gewölbt erscheint, als die Grube, von oben angesehen, vertieft ist. Die Kappe ist, eben weil sie nur die tiefere Schicht jener Grube ausmacht, nicht eine geschlossene Blase, sondern lieſse sich eher mit einer Mulde *) vergleichen, auf welcher die Dotterhaut wie ein über sie weggehender Deckel liegt. Nun hörten wir aber so eben, daſs die Grube sich oben schlieſst, um das Amnion zu bilden. An diesem Schlusse hat jedoch die Kappe keinen Antheil, denn die Trennung zwischen dem animalischen und vegetativen Blatte geht vom Embryo fort bis an den Winkel, wo der herabgezogene Theil der Keimhaut in den übrigen, nicht aus der Lage gezogenen übergeht, d. h. bis an den Rand der Grube und endlich noch weiter. Von dem Augenblicke an näm- lich, wo beide Blätter in diesen Winkel getrennt sind, wird der Winkel in dem vegetativen Blatte schwächer und glättet sich allmählig ganz aus, so daſs der frü- her herabgeneigte Theil ganz unmerklich in den jetzt mehr herabgesunkenen äu- ſsern Theil übergeht. Die ganze Ansicht der muldenförmigen Kappe ist also nun geschwunden, wenn wir den Embryo von unten betrachten. Das animalische Fig. 5. 6′. Fig. IV. V. Kappe, In- volucrum. Fig. 6″. 7′. VI. Fig. 7″. 8. VII. VIII. *) Die aber in der Mitte der Wölbung eine Rinne hat, wenn wir sie von unten betrachten, oder in der Mitte der Vertiefung eine Erhebung, wenn wir sie, nach Wegnahme des anima- lischen Blattes, von oben anschen. Jene Rinne und diese Erhebung sind natürlich oinerlei und nichts als die Anheftung des vegetativen Blattes an den Stamm der Wirbelsäule vom Embryo. II. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/59
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/59>, abgerufen am 22.11.2024.