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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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ich einen Keim von einer unten liegenden Keimschicht abtrennen. Hiernach
glaube ich, dass der Inhalt des Keimbläschens sich mit der ursprünglichen Keim-
schicht verbindet, und dass, wenn eine Befruchtung erfolgt ist, in dieser Masse
eine Sonderung in einen aufliegenden, in sich mehr zusammenhängenden und
schärfer begrenzten Keim, und eine unten liegende Keimschicht erfolgt.

Nachdem der Bau des Eies vollendet ist, wird es ziemlich rasch durch denh. Geburt
des Eies.

Eiergang in die Kloake getrieben, auf welche Bewegung ohne Zweifel die Zusam-
menziehungen des musculösen Eihälters austreibend wirkt. Aus der Kloake wird
das Ei endlich völlig zur Welt gebracht.

§. 5.
Veränderungen des Eies während der Bebrütung.

Ein jedes Ei entwickelt sich nur unter dem Einflusse einer bestimmtena. Bebrü-
tung.

Wärme. Das Hühnerei fordert eine Wärme von etwa 28 -- 33°. Jede künstlich
erzeugte Wärme kann zwar dazu dienen, die Natur aber giebt dem Ei die Wärme
durch den Trieb der Mutter, auf ihren Eiern zu sitzen, und der Trieb der Mut-
ter wird hervorgerufen theils durch eine psychische Thätigkeit, ein Gefühl, dass
die Eier einst ein Theil von ihr waren, welchem Verhältniss sie nur allmählig
entwachsen können, und ein körperliches Bedürfniss, hervorgerufen durch ver-
mehrte Wärmeerzeugung. Bei einigen Vögeln ist der geistige Trieb stärker --
es sind diejenigen, die schon im Vorgefühl der kommenden, oder vielleicht rich-
tiger im Gefühl der im Eierstocke sich bereits entwickelnden Eier eine künstliche
Wiege für sie bauen, wie die Singvögel und die Raubvögel; bei andern ist es mehr
das körperliche Bedürfniss -- es sind diejenigen, welche kein Nest bauen, wie
die Hühner und die meisten Schwimmvögel. Die ersteren kennen ihre Eier, den
letzteren sind alle Eier für den Anfang gleichgültig. Sehr merkwürdig aber ist
es, dass auch bei den letzteren das mütterliche Gefühl später erwacht. Manche
Hühner vertheidigen die Eier, auf denen sie einige Zeit gesessen haben, mit gro-
sser Hartnäckigkeit. Sie werden in psychischer Hinsicht erst während des Brü-
tens Mütter, welche nun für die Eier Sorge tragen, die sie vorher liegen liessen *).

*) Wie überall in der Natur, ist auch hier Gradation Hühner, welche noch keinen Trieb
zum Brüten haben, lassen ihre Eier liegen. Ist aber eine brütende Henne in der Nähe, so
legen sie gewöhnlich ihre Eier zu den bereits bebrüteten und die Bruthenne steht willig auf,
um ihnen Platz zu machen und die Eier unter ihre Pflege zu nehmen. Sie wird nun Mutter
dieser Eier. -- Eine Bereitwilligkeit, an welche die Existenz unsers europäischen Kuckucks
geknüpft ist.
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ich einen Keim von einer unten liegenden Keimschicht abtrennen. Hiernach
glaube ich, daſs der Inhalt des Keimbläschens sich mit der ursprünglichen Keim-
schicht verbindet, und daſs, wenn eine Befruchtung erfolgt ist, in dieser Masse
eine Sonderung in einen aufliegenden, in sich mehr zusammenhängenden und
schärfer begrenzten Keim, und eine unten liegende Keimschicht erfolgt.

Nachdem der Bau des Eies vollendet ist, wird es ziemlich rasch durch denh. Geburt
des Eies.

Eiergang in die Kloake getrieben, auf welche Bewegung ohne Zweifel die Zusam-
menziehungen des musculösen Eihälters austreibend wirkt. Aus der Kloake wird
das Ei endlich völlig zur Welt gebracht.

§. 5.
Veränderungen des Eies während der Bebrütung.

Ein jedes Ei entwickelt sich nur unter dem Einflusse einer bestimmtena. Bebrü-
tung.

Wärme. Das Hühnerei fordert eine Wärme von etwa 28 — 33°. Jede künstlich
erzeugte Wärme kann zwar dazu dienen, die Natur aber giebt dem Ei die Wärme
durch den Trieb der Mutter, auf ihren Eiern zu sitzen, und der Trieb der Mut-
ter wird hervorgerufen theils durch eine psychische Thätigkeit, ein Gefühl, daſs
die Eier einst ein Theil von ihr waren, welchem Verhältniſs sie nur allmählig
entwachsen können, und ein körperliches Bedürfniſs, hervorgerufen durch ver-
mehrte Wärmeerzeugung. Bei einigen Vögeln ist der geistige Trieb stärker —
es sind diejenigen, die schon im Vorgefühl der kommenden, oder vielleicht rich-
tiger im Gefühl der im Eierstocke sich bereits entwickelnden Eier eine künstliche
Wiege für sie bauen, wie die Singvögel und die Raubvögel; bei andern ist es mehr
das körperliche Bedürfniſs — es sind diejenigen, welche kein Nest bauen, wie
die Hühner und die meisten Schwimmvögel. Die ersteren kennen ihre Eier, den
letzteren sind alle Eier für den Anfang gleichgültig. Sehr merkwürdig aber ist
es, daſs auch bei den letzteren das mütterliche Gefühl später erwacht. Manche
Hühner vertheidigen die Eier, auf denen sie einige Zeit gesessen haben, mit gro-
ſser Hartnäckigkeit. Sie werden in psychischer Hinsicht erst während des Brü-
tens Mütter, welche nun für die Eier Sorge tragen, die sie vorher liegen lieſsen *).

*) Wie überall in der Natur, ist auch hier Gradation Hühner, welche noch keinen Trieb
zum Brüten haben, lassen ihre Eier liegen. Ist aber eine brütende Henne in der Nähe, so
legen sie gewöhnlich ihre Eier zu den bereits bebrüteten und die Bruthenne steht willig auf,
um ihnen Platz zu machen und die Eier unter ihre Pflege zu nehmen. Sie wird nun Mutter
dieser Eier. — Eine Bereitwilligkeit, an welche die Existenz unsers europäischen Kuckucks
geknüpft ist.
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[35/0045] ich einen Keim von einer unten liegenden Keimschicht abtrennen. Hiernach glaube ich, daſs der Inhalt des Keimbläschens sich mit der ursprünglichen Keim- schicht verbindet, und daſs, wenn eine Befruchtung erfolgt ist, in dieser Masse eine Sonderung in einen aufliegenden, in sich mehr zusammenhängenden und schärfer begrenzten Keim, und eine unten liegende Keimschicht erfolgt. Nachdem der Bau des Eies vollendet ist, wird es ziemlich rasch durch den Eiergang in die Kloake getrieben, auf welche Bewegung ohne Zweifel die Zusam- menziehungen des musculösen Eihälters austreibend wirkt. Aus der Kloake wird das Ei endlich völlig zur Welt gebracht. h. Geburt des Eies. §. 5. Veränderungen des Eies während der Bebrütung. Ein jedes Ei entwickelt sich nur unter dem Einflusse einer bestimmten Wärme. Das Hühnerei fordert eine Wärme von etwa 28 — 33°. Jede künstlich erzeugte Wärme kann zwar dazu dienen, die Natur aber giebt dem Ei die Wärme durch den Trieb der Mutter, auf ihren Eiern zu sitzen, und der Trieb der Mut- ter wird hervorgerufen theils durch eine psychische Thätigkeit, ein Gefühl, daſs die Eier einst ein Theil von ihr waren, welchem Verhältniſs sie nur allmählig entwachsen können, und ein körperliches Bedürfniſs, hervorgerufen durch ver- mehrte Wärmeerzeugung. Bei einigen Vögeln ist der geistige Trieb stärker — es sind diejenigen, die schon im Vorgefühl der kommenden, oder vielleicht rich- tiger im Gefühl der im Eierstocke sich bereits entwickelnden Eier eine künstliche Wiege für sie bauen, wie die Singvögel und die Raubvögel; bei andern ist es mehr das körperliche Bedürfniſs — es sind diejenigen, welche kein Nest bauen, wie die Hühner und die meisten Schwimmvögel. Die ersteren kennen ihre Eier, den letzteren sind alle Eier für den Anfang gleichgültig. Sehr merkwürdig aber ist es, daſs auch bei den letzteren das mütterliche Gefühl später erwacht. Manche Hühner vertheidigen die Eier, auf denen sie einige Zeit gesessen haben, mit gro- ſser Hartnäckigkeit. Sie werden in psychischer Hinsicht erst während des Brü- tens Mütter, welche nun für die Eier Sorge tragen, die sie vorher liegen lieſsen *). a. Bebrü- tung. *) Wie überall in der Natur, ist auch hier Gradation Hühner, welche noch keinen Trieb zum Brüten haben, lassen ihre Eier liegen. Ist aber eine brütende Henne in der Nähe, so legen sie gewöhnlich ihre Eier zu den bereits bebrüteten und die Bruthenne steht willig auf, um ihnen Platz zu machen und die Eier unter ihre Pflege zu nehmen. Sie wird nun Mutter dieser Eier. — Eine Bereitwilligkeit, an welche die Existenz unsers europäischen Kuckucks geknüpft ist. E 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/45>, abgerufen am 24.11.2024.