Aber, fragen Sie, wie ist es denn mit der Hohlvene? Diese ist in den Fischen erst sehr spät zu bemerken, erscheint zwar in erwachsenen Fischen un- ter sehr mannigfachen Formen *), wird aber nie Hauptgefäss, und was man bis- her für die Hohlvene angesehen hat, ist eben nichts anders als die rechte hintere Wirbelvene, wie die Vergleichung mit dem Hühnchen lehrt. Will man über- haupt die weiteste Vene des Körpers, unbekümmert um ihre Lage, ihre Ent- stehung und die Theile, von welchen sie das Blut aufnimmt, Hohlvene nen- nen, so kann man allerdings auch die Vene die an der rechten Niere der Fische nach vorn verläuft, mit diesem Namen belegen. Dann muss man aber wenig- stens sagen: die rechte hintere Wirbelvene, die bei den Säugethieren und Vö- geln grösstentheils schwindet, wird bei den Fischen Hohlvene. Bei diesem Grundsatze für die Benennung müsste aber auch die andere Vene, welche bei den Säugethieren und Vögeln immer zuerst aus den falschen Nieren kommt, und mit den Gekrösvenen sich verbindet, später auch die hintern Körpervenen auf- nimmt, noch einen andern Namen erhalten, indem der Name Hohlvene bloss die Blutmenge oder die Weite einer Vene bezeichnen würde, nicht ein bestimmtes Gefäss.
In den Karpfen-Arten konnte ich erst nach dem Ausschlüpfen, mithin merklich später als die Venen im animalischen Theile des Leibes sichtbar sind, eine Gekrösvene unterscheiden. Es ist mir wahrscheinlich, dass sie früher da ist, aber wegen der tiefen Lage und der Farblosigkeit des Blutes nicht erkannt wird. Diese Gekrösvene verläuft längs des Darmes in die Leber, vertheilt sich und geht als Lebervene in das Herz. Sie scheint auch einige Schlingen auf dem innern Dottersacke zu bilden. Solche Schlingen glaube ich gesehen zu haben, und was Carus (Erläuterungstafeln Heft III. Taf. V. Fig. 12.) abbildet, kann ich auch nur dahin deuten.
Im Blennius, dessen Dottersack heraushängt, sah Rathke, dass die Gekrösvene sich auf dem Dottersacke vertheilt und ihr gegenüber eine andere Vene (die Dottersackvene) das Blut sammelt, um es ins Herz zu führen. Wenn sich die Leber entwickelt, die hinter dem Dottersacke liegt, so vertheilt sich die Ge- krösvene zuvörderst in die Leber. Das Blut sammelt sich dann in Lebervenen und diese vertheilen sich wieder auf den Dottersack, von wo es nun nochmals in die Dottersackvene sich sammelt. Mit der Abnahme des Dottersackes verbinden
*) In den Barschen ist sie ganz unverkennbar, und zeigt grade die Ausdehnung, welche sie in den Embryonen der Vögel und Säugethiere während der Blüthe der Primordial-Nieren hat. In an- dern Fischen ist das Verhältniss zur Pfortader verschieden.
Aber, fragen Sie, wie ist es denn mit der Hohlvene? Diese ist in den Fischen erst sehr spät zu bemerken, erscheint zwar in erwachsenen Fischen un- ter sehr mannigfachen Formen *), wird aber nie Hauptgefäſs, und was man bis- her für die Hohlvene angesehen hat, ist eben nichts anders als die rechte hintere Wirbelvene, wie die Vergleichung mit dem Hühnchen lehrt. Will man über- haupt die weiteste Vene des Körpers, unbekümmert um ihre Lage, ihre Ent- stehung und die Theile, von welchen sie das Blut aufnimmt, Hohlvene nen- nen, so kann man allerdings auch die Vene die an der rechten Niere der Fische nach vorn verläuft, mit diesem Namen belegen. Dann muſs man aber wenig- stens sagen: die rechte hintere Wirbelvene, die bei den Säugethieren und Vö- geln gröſstentheils schwindet, wird bei den Fischen Hohlvene. Bei diesem Grundsatze für die Benennung müſste aber auch die andere Vene, welche bei den Säugethieren und Vögeln immer zuerst aus den falschen Nieren kommt, und mit den Gekrösvenen sich verbindet, später auch die hintern Körpervenen auf- nimmt, noch einen andern Namen erhalten, indem der Name Hohlvene bloſs die Blutmenge oder die Weite einer Vene bezeichnen würde, nicht ein bestimmtes Gefäſs.
In den Karpfen-Arten konnte ich erst nach dem Ausschlüpfen, mithin merklich später als die Venen im animalischen Theile des Leibes sichtbar sind, eine Gekrösvene unterscheiden. Es ist mir wahrscheinlich, daſs sie früher da ist, aber wegen der tiefen Lage und der Farblosigkeit des Blutes nicht erkannt wird. Diese Gekrösvene verläuft längs des Darmes in die Leber, vertheilt sich und geht als Lebervene in das Herz. Sie scheint auch einige Schlingen auf dem innern Dottersacke zu bilden. Solche Schlingen glaube ich gesehen zu haben, und was Carus (Erläuterungstafeln Heft III. Taf. V. Fig. 12.) abbildet, kann ich auch nur dahin deuten.
Im Blennius, dessen Dottersack heraushängt, sah Rathke, daſs die Gekrösvene sich auf dem Dottersacke vertheilt und ihr gegenüber eine andere Vene (die Dottersackvene) das Blut sammelt, um es ins Herz zu führen. Wenn sich die Leber entwickelt, die hinter dem Dottersacke liegt, so vertheilt sich die Ge- krösvene zuvörderst in die Leber. Das Blut sammelt sich dann in Lebervenen und diese vertheilen sich wieder auf den Dottersack, von wo es nun nochmals in die Dottersackvene sich sammelt. Mit der Abnahme des Dottersackes verbinden
*) In den Barschen ist sie ganz unverkennbar, und zeigt grade die Ausdehnung, welche sie in den Embryonen der Vögel und Säugethiere während der Blüthe der Primordial-Nieren hat. In an- dern Fischen ist das Verhältniſs zur Pfortader verschieden.
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Aber, fragen Sie, wie ist es denn mit der Hohlvene? Diese ist in den
Fischen erst sehr spät zu bemerken, erscheint zwar in erwachsenen Fischen un-
ter sehr mannigfachen Formen *), wird aber nie Hauptgefäſs, und was man bis-
her für die Hohlvene angesehen hat, ist eben nichts anders als die rechte hintere
Wirbelvene, wie die Vergleichung mit dem Hühnchen lehrt. Will man über-
haupt die weiteste Vene des Körpers, unbekümmert um ihre Lage, ihre Ent-
stehung und die Theile, von welchen sie das Blut aufnimmt, Hohlvene nen-
nen, so kann man allerdings auch die Vene die an der rechten Niere der Fische
nach vorn verläuft, mit diesem Namen belegen. Dann muſs man aber wenig-
stens sagen: die rechte hintere Wirbelvene, die bei den Säugethieren und Vö-
geln gröſstentheils schwindet, wird bei den Fischen Hohlvene. Bei diesem
Grundsatze für die Benennung müſste aber auch die andere Vene, welche bei
den Säugethieren und Vögeln immer zuerst aus den falschen Nieren kommt, und
mit den Gekrösvenen sich verbindet, später auch die hintern Körpervenen auf-
nimmt, noch einen andern Namen erhalten, indem der Name Hohlvene bloſs die
Blutmenge oder die Weite einer Vene bezeichnen würde, nicht ein bestimmtes
Gefäſs.
In den Karpfen-Arten konnte ich erst nach dem Ausschlüpfen, mithin
merklich später als die Venen im animalischen Theile des Leibes sichtbar sind,
eine Gekrösvene unterscheiden. Es ist mir wahrscheinlich, daſs sie früher da
ist, aber wegen der tiefen Lage und der Farblosigkeit des Blutes nicht erkannt
wird. Diese Gekrösvene verläuft längs des Darmes in die Leber, vertheilt sich
und geht als Lebervene in das Herz. Sie scheint auch einige Schlingen auf dem
innern Dottersacke zu bilden. Solche Schlingen glaube ich gesehen zu haben,
und was Carus (Erläuterungstafeln Heft III. Taf. V. Fig. 12.) abbildet, kann ich
auch nur dahin deuten.
Im Blennius, dessen Dottersack heraushängt, sah Rathke, daſs die
Gekrösvene sich auf dem Dottersacke vertheilt und ihr gegenüber eine andere Vene
(die Dottersackvene) das Blut sammelt, um es ins Herz zu führen. Wenn sich
die Leber entwickelt, die hinter dem Dottersacke liegt, so vertheilt sich die Ge-
krösvene zuvörderst in die Leber. Das Blut sammelt sich dann in Lebervenen
und diese vertheilen sich wieder auf den Dottersack, von wo es nun nochmals in
die Dottersackvene sich sammelt. Mit der Abnahme des Dottersackes verbinden
*) In den Barschen ist sie ganz unverkennbar, und zeigt grade die Ausdehnung, welche sie in den
Embryonen der Vögel und Säugethiere während der Blüthe der Primordial-Nieren hat. In an-
dern Fischen ist das Verhältniſs zur Pfortader verschieden.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/312>, abgerufen am 16.02.2025.
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