wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun- genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen. Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äusserlich zu nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter- schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge- ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her- vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil- dung der Kiemenblättchen, die hintere später.
aa. Gefäss- system.
Das Gefässsystem lässt sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob- achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden, zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein, dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefässbogen spaltet, welche am Unterkiefer und den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa- ren, sah ich diese Gefässbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so dass hinter den letzten Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, dass in den Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch der sechste Gefässbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine- reus, und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch noch der siebente Gefässbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt wird. Diese Gefässbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach- sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren, so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen, hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefässe, welche auf den Kiemenbogen verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, dass jedes in zwei Theile, eine Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge- bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, dass in den er- stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir hinzufügen, dass nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt, aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), dass dagegen in ih- nen eine Metamorphose der Gefässbogen, die in den Batrachiern unvollkommen bleibt, vollendet wird. Der erste Gefässbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-
wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun- genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen. Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äuſserlich zu nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter- schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge- ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her- vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil- dung der Kiemenblättchen, die hintere später.
aa. Gefäſs- system.
Das Gefäſssystem läſst sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob- achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden, zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein, dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefäſsbogen spaltet, welche am Unterkiefer und den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa- ren, sah ich diese Gefäſsbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so daſs hinter den letzten Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, daſs in den Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch der sechste Gefäſsbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine- reus, und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch noch der siebente Gefäſsbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt wird. Diese Gefäſsbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach- sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren, so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen, hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefäſse, welche auf den Kiemenbogen verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, daſs jedes in zwei Theile, eine Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge- bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, daſs in den er- stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir hinzufügen, daſs nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt, aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), daſs dagegen in ih- nen eine Metamorphose der Gefäſsbogen, die in den Batrachiern unvollkommen bleibt, vollendet wird. Der erste Gefäſsbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-
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wodurch fünf Kiemenbogen gesondert werden, von denen der vorderste zum Zun-
genbeine und durch auflagernde Masse zum Unterkiefer wird, die vier hintern
aber Kiemenbogen bleiben. An den Seitenflächen der Spalten entwickeln sich die
Kiemenblättchen, die also für jeden Kiemenbogen zwei Reihen bilden müssen.
Da sie über die Kiemenbogen herausragen, diese aber anfänglich ganz in der Ebene
der Seitenwand der Thiere liegen, so sind wenigstens ihre Spitzen äuſserlich zu
nennen, und in den Selachiern ragen diese Spitzen sogar sehr weit vor. Der Unter-
schied zwischen diesem Kiemenbau und dem der Batrachier ist also nur sehr ge-
ring. Doch wächst der Kiemendeckel bei den gewöhnlichen Fischen rasch her-
vor und überdeckt wenigstens die vordern Kiemenbogen fast gleich nach der Bil-
dung der Kiemenblättchen, die hintere später.
Das Gefäſssystem läſst sich in den durchsichtigen Fischchen viel leichter beob-
achten als in den Batrachiern. Das Herz ist im ersten Anfange dem Herzkanale
der Vögel (und aller übrigen Wirbelthiere) ganz gleich. Zwei Schenkel bilden,
zusammenmündend, einen nach rechts ausgebogenen Kanal, der sich vorn in ein,
dann in zwei, drei u. s. w. Paar Gefäſsbogen spaltet, welche am Unterkiefer und
den Kiemenbogen verlaufen. In Güstern, die vor zwei Tagen ausgeschlüpft wa-
ren, sah ich diese Gefäſsbogen bis auf 7 Paar gesteigert, so daſs hinter den letzten
Kiemenbogen noch zwei Paar lagen. Man kann daher vermuthen, daſs in den
Selachiern mit 6 Kiemenspalten auf jeder Seite, wie Squalus griseus, auch
der sechste Gefäſsbogen und in den Selachiern mit 7 Spalten, wie Squal. cine-
reus, und in den Cyclostomen mit 7 Kiemenlöchern, wie Petromyzon, auch
noch der siebente Gefäſsbogen durch eine Spalte von der übrigen Seitenwand getrennt
wird. Diese Gefäſsbogen laufen nach oben wie immer in zwei Wurzeln der Aorta
zusammen. Sie verzweigen sich in den Kiemenblättchen, so wie diese hervorwach-
sen, allein da die Kiemenblättchen nicht wieder schwinden, sondern verharren,
so schreitet die Umbildung, welche wir von den Batrachiern her schon kennen,
hier weiter fort, und es werden diejenigen Gefäſse, welche auf den Kiemenbogen
verlaufen, so vollständig in Kiemennetze aufgelöst, daſs jedes in zwei Theile, eine
Kiemenarterie und eine Kiemenvene, getrennt wird, wie allgemein von den ausge-
bildeten Fischen bekannt ist. Wir können also, wenn wir die Entwickelung der
Fische mit der Entwickelung der Batrachier vergleichen, sagen, daſs in den er-
stern die Metamorphose der Athmungsorgane stehen bleibt (besonders wenn wir
hinzufügen, daſs nach dem Auskriechen bei den meisten eine Art Lunge auftritt,
aber als Schwimmblase in der Entwickelung gehemmt wird), daſs dagegen in ih-
nen eine Metamorphose der Gefäſsbogen, die in den Batrachiern unvollkommen
bleibt, vollendet wird. Der erste Gefäſsbogen (am Unterkiefer) schwindet, nach-
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/310>, abgerufen am 25.11.2024.
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