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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Der ausgeschlüpfte Embryo pflegt sich mit zwei eigenthümlichen, nurp. Larven-
Zustand.

in den Batrachier-Larven vorkommenden, länglichen, undurchbohrten Sauggru-
ben *), die er schon in der letzten Zeit seines Aufenthaltes im Ei erhalten hat,
und die bald nach dem Ausschlüpfen schwinden, am Eiweiss wie an jedem an-
dern Körper anzuhalten. Von der klebrigen Substanz des Eiweisses bleibt zu-
weilen etwas an so einer Sauggrube hängen, was Einige für einen Nabelstrang
angesehen haben. In der ersten Zeit bedarf er der Nahrung nicht, da er noch
einen ansehnlichen Vorrath von Dottermasse im Leibe hat; auch könnte er sie
auf dem gewöhnlichen Wege nicht zu sich nehmen, denn der Mund bricht be-
stimmt erst nach dem Ausschlüpfen durch. Später scheint er von dem Eiweiss
oder dessen Auflösung im Wasser zu zehren, so dass also dieselbe Substanz, wel-
che den Vogel-Embryo durch Uebergang in den Dotter und in das Fruchtwasser
ernährt, von der Frosch-Larve unmittelbar durch den Mund aufgenommen wür-
de **). Häufig verzehren sich etwas später die Frosch-Larven aber auch unter sich,
oder wenigstens die todten Kameraden. Wenn sie Extremitäten bekommen, so
bedürfen sie der vegetabilischen Nahrung. Zuvörderst fressen sie Sporen von
Conferven und den grünen Staub, der nach dem Zersetzen von Wasserpflanzen
übrig bleibt, zuletzt aber auch grössere Vegetabilien ***). Ihre Verdauung ist
um diese Zeit sehr rasch, so dass ihnen, wenn man sie gehörig mit Nahrung ver-
sorgt, fast immer eine Kothwurst aus dem After hängt.

Wenn die Frosch-Larve aus dem Eie tritt, so ist sie noch ohne äussere Ex-q. Umände-
rung des Kie-
menappara-
tes.

tremitäten. Diese werden viel später sichtbar, und zwar erblickt man die hin-
tern Füsse früher als die vordern, jedoch nur weil diese überdeckt sind, wenn
sie hervorsprossen. In den verwandten Salamandern, wo die Ueberdeckung fehlt,
sieht man auch die Vorderfüsse früher. So lange die Füsse fehlen, wächst der
Schwanz sehr stark, und dadurch erhält die Frosch-Larve viel Aehnlichkeit mit
Fischen, besonders da eine Hautflosse über und eine andere unter dem Schwanze
verläuft, die erstere reicht bis in die Mitte des Rückens.

Die Ueberdeckung, deren ich so eben erwähnte, gehört zu der Metamor-
phose der Athmungsorgane, und es geht damit auf folgende Weise zu: Wenn man

*) In den Larven der Salamander sind diese Sauggruben langgestielt.
**) Rusconi bezweifelt das Verzehren von Eiweiss. Ob mit Grund, will ich nicht entscheiden,
Wenigstens suchen die Larven in den ersten das Eiweiss sehr.
***) Rusconi geht offenbar zu weit, wenn er glaubt, dass die Frosch-Larven nie andere vegeta-
bilische Nahrung zu sich nähmen, als den grünen Bodensatz. Am besten überzeugt man sich
vom Gegentheil, wenn man die grossen südamerikanischen Larven der Rana paradoxa un-
tersucht. Man findet ihren Darm voll von Lemna- oder ähnlichen Blättern.
II. O o

Der ausgeschlüpfte Embryo pflegt sich mit zwei eigenthümlichen, nurp. Larven-
Zustand.

in den Batrachier-Larven vorkommenden, länglichen, undurchbohrten Sauggru-
ben *), die er schon in der letzten Zeit seines Aufenthaltes im Ei erhalten hat,
und die bald nach dem Ausschlüpfen schwinden, am Eiweiſs wie an jedem an-
dern Körper anzuhalten. Von der klebrigen Substanz des Eiweiſses bleibt zu-
weilen etwas an so einer Sauggrube hängen, was Einige für einen Nabelstrang
angesehen haben. In der ersten Zeit bedarf er der Nahrung nicht, da er noch
einen ansehnlichen Vorrath von Dottermasse im Leibe hat; auch könnte er sie
auf dem gewöhnlichen Wege nicht zu sich nehmen, denn der Mund bricht be-
stimmt erst nach dem Ausschlüpfen durch. Später scheint er von dem Eiweiſs
oder dessen Auflösung im Wasser zu zehren, so daſs also dieselbe Substanz, wel-
che den Vogel-Embryo durch Uebergang in den Dotter und in das Fruchtwasser
ernährt, von der Frosch-Larve unmittelbar durch den Mund aufgenommen wür-
de **). Häufig verzehren sich etwas später die Frosch-Larven aber auch unter sich,
oder wenigstens die todten Kameraden. Wenn sie Extremitäten bekommen, so
bedürfen sie der vegetabilischen Nahrung. Zuvörderst fressen sie Sporen von
Conferven und den grünen Staub, der nach dem Zersetzen von Wasserpflanzen
übrig bleibt, zuletzt aber auch gröſsere Vegetabilien ***). Ihre Verdauung ist
um diese Zeit sehr rasch, so daſs ihnen, wenn man sie gehörig mit Nahrung ver-
sorgt, fast immer eine Kothwurst aus dem After hängt.

Wenn die Frosch-Larve aus dem Eie tritt, so ist sie noch ohne äuſsere Ex-q. Umände-
rung des Kie-
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tremitäten. Diese werden viel später sichtbar, und zwar erblickt man die hin-
tern Füſse früher als die vordern, jedoch nur weil diese überdeckt sind, wenn
sie hervorsprossen. In den verwandten Salamandern, wo die Ueberdeckung fehlt,
sieht man auch die Vorderfüſse früher. So lange die Füſse fehlen, wächst der
Schwanz sehr stark, und dadurch erhält die Frosch-Larve viel Aehnlichkeit mit
Fischen, besonders da eine Hautflosse über und eine andere unter dem Schwanze
verläuft, die erstere reicht bis in die Mitte des Rückens.

Die Ueberdeckung, deren ich so eben erwähnte, gehört zu der Metamor-
phose der Athmungsorgane, und es geht damit auf folgende Weise zu: Wenn man

*) In den Larven der Salamander sind diese Sauggruben langgestielt.
**) Rusconi bezweifelt das Verzehren von Eiweiſs. Ob mit Grund, will ich nicht entscheiden,
Wenigstens suchen die Larven in den ersten das Eiweiſs sehr.
***) Rusconi geht offenbar zu weit, wenn er glaubt, daſs die Frosch-Larven nie andere vegeta-
bilische Nahrung zu sich nähmen, als den grünen Bodensatz. Am besten überzeugt man sich
vom Gegentheil, wenn man die groſsen südamerikanischen Larven der Rana paradoxa un-
tersucht. Man findet ihren Darm voll von Lemna- oder ähnlichen Blättern.
II. O o
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[289/0299] Der ausgeschlüpfte Embryo pflegt sich mit zwei eigenthümlichen, nur in den Batrachier-Larven vorkommenden, länglichen, undurchbohrten Sauggru- ben *), die er schon in der letzten Zeit seines Aufenthaltes im Ei erhalten hat, und die bald nach dem Ausschlüpfen schwinden, am Eiweiſs wie an jedem an- dern Körper anzuhalten. Von der klebrigen Substanz des Eiweiſses bleibt zu- weilen etwas an so einer Sauggrube hängen, was Einige für einen Nabelstrang angesehen haben. In der ersten Zeit bedarf er der Nahrung nicht, da er noch einen ansehnlichen Vorrath von Dottermasse im Leibe hat; auch könnte er sie auf dem gewöhnlichen Wege nicht zu sich nehmen, denn der Mund bricht be- stimmt erst nach dem Ausschlüpfen durch. Später scheint er von dem Eiweiſs oder dessen Auflösung im Wasser zu zehren, so daſs also dieselbe Substanz, wel- che den Vogel-Embryo durch Uebergang in den Dotter und in das Fruchtwasser ernährt, von der Frosch-Larve unmittelbar durch den Mund aufgenommen wür- de **). Häufig verzehren sich etwas später die Frosch-Larven aber auch unter sich, oder wenigstens die todten Kameraden. Wenn sie Extremitäten bekommen, so bedürfen sie der vegetabilischen Nahrung. Zuvörderst fressen sie Sporen von Conferven und den grünen Staub, der nach dem Zersetzen von Wasserpflanzen übrig bleibt, zuletzt aber auch gröſsere Vegetabilien ***). Ihre Verdauung ist um diese Zeit sehr rasch, so daſs ihnen, wenn man sie gehörig mit Nahrung ver- sorgt, fast immer eine Kothwurst aus dem After hängt. p. Larven- Zustand. Wenn die Frosch-Larve aus dem Eie tritt, so ist sie noch ohne äuſsere Ex- tremitäten. Diese werden viel später sichtbar, und zwar erblickt man die hin- tern Füſse früher als die vordern, jedoch nur weil diese überdeckt sind, wenn sie hervorsprossen. In den verwandten Salamandern, wo die Ueberdeckung fehlt, sieht man auch die Vorderfüſse früher. So lange die Füſse fehlen, wächst der Schwanz sehr stark, und dadurch erhält die Frosch-Larve viel Aehnlichkeit mit Fischen, besonders da eine Hautflosse über und eine andere unter dem Schwanze verläuft, die erstere reicht bis in die Mitte des Rückens. q. Umände- rung des Kie- menappara- tes. Die Ueberdeckung, deren ich so eben erwähnte, gehört zu der Metamor- phose der Athmungsorgane, und es geht damit auf folgende Weise zu: Wenn man *) In den Larven der Salamander sind diese Sauggruben langgestielt. **) Rusconi bezweifelt das Verzehren von Eiweiſs. Ob mit Grund, will ich nicht entscheiden, Wenigstens suchen die Larven in den ersten das Eiweiſs sehr. ***) Rusconi geht offenbar zu weit, wenn er glaubt, daſs die Frosch-Larven nie andere vegeta- bilische Nahrung zu sich nähmen, als den grünen Bodensatz. Am besten überzeugt man sich vom Gegentheil, wenn man die groſsen südamerikanischen Larven der Rana paradoxa un- tersucht. Man findet ihren Darm voll von Lemna- oder ähnlichen Blättern. II. O o

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/299>, abgerufen am 22.11.2024.