§. 11. Entwickelung der Thiere, die kein Amnion und keinen Dotter- sack haben.
Indem wir zuerst uns an diejenigen Thiere gewendet haben, deren Entwik- kelung mit der Entwickelung der Vögel am meisten übereinstimmt, haben wir ihre nächst untern (die Reptilien) und ihre nächst obern Verwandten (die Säuge- thiere) als solche erkannt.
Aber nicht alle Wirbelthiere zeigen in ihrer Entwickelungsart eine so grosse Uebereinstimmung, vielmehr weichen die Fische und die Batrachier vorzüglich im Baue des Eies und der Hüllen, zum Theil auch in der Bildung des Embryo ab. Schon aus diesem Grunde muss man die Batrachier als Klasse von den übrigen seit Linne Amphibien genannten Thiere trennen, wie unter Andern schon lange Blainville vorgeschlagen hat, indem er nur die Batrachier Amphibien, die übrigen aber, wie wir gethan haben, Reptilien genannt haben will.
Da diese Benennung aber noch nicht allgemeinen Eingang gefunden hat, und man die Benennung Amphibien in der Linne'schen Ausdehnung zu nehmen ge- wohnt ist, so wollen wir bei dem Worte Batrachier stehen bleiben, welches weniger zweideutig ist.
Die Entwickelungsgeschichte der Batrachier und der Fische ist besonders darin von der Bildungsgeschichte der Reptilien, Vögel und Säugethiere verschie- den, dass sie nie in ein Amnion eingeschlossen sind und nie einen Harnsack be- sitzen. Statt des letztern entwickelt sich bei ihnen ein anderes äusseres Athmungs- organ in der Form von äusseren Kiemen. Ohne Zweifel hängt damit der Mangel des Amnions zusammen, indem die Kiemen sogleich die Athmung mit der Aussen- welt unterhalten, und nicht wie der Harnsack eine Athmung, die zwar für den Embryo selbst eine äussere ist, aber doch für das Ei eine innere. Trotz dieser Verschiedenheit folgt die Ausbildung des Embryo demselben Schema, indem aus dem Keime auch zwei Rückenwülste über zwei Bauchplatten sich erheben und durch das Schliessen derselben Rücken und Bauchseite des Thiers gebildet werden. Da wir aber noch manches Moment aus der Bildungsgeschichte dieser Klasse spä- ter zu benutzen haben, wollen wir sie einzeln durchgehen.
A. Batra- chier. a. Das Ei, bevor es ge- legt wird.
Der Eierstock der Batrachier ist immer paarig, aber wesentlich vom Eier- stocke der in einem Amnion sich bildenden Thiere darin verschieden, dass er im Innern hohl ist. In den Fröschen ist die Höhlung nicht einfach, sondern viele aus dem Keimlager des Eierstockes gebildete Scheidewände trennen eine Anzahl an-
sehn-
§. 11. Entwickelung der Thiere, die kein Amnion und keinen Dotter- sack haben.
Indem wir zuerst uns an diejenigen Thiere gewendet haben, deren Entwik- kelung mit der Entwickelung der Vögel am meisten übereinstimmt, haben wir ihre nächst untern (die Reptilien) und ihre nächst obern Verwandten (die Säuge- thiere) als solche erkannt.
Aber nicht alle Wirbelthiere zeigen in ihrer Entwickelungsart eine so groſse Uebereinstimmung, vielmehr weichen die Fische und die Batrachier vorzüglich im Baue des Eies und der Hüllen, zum Theil auch in der Bildung des Embryo ab. Schon aus diesem Grunde muſs man die Batrachier als Klasse von den übrigen seit Linné Amphibien genannten Thiere trennen, wie unter Andern schon lange Blainville vorgeschlagen hat, indem er nur die Batrachier Amphibien, die übrigen aber, wie wir gethan haben, Reptilien genannt haben will.
Da diese Benennung aber noch nicht allgemeinen Eingang gefunden hat, und man die Benennung Amphibien in der Linné’schen Ausdehnung zu nehmen ge- wohnt ist, so wollen wir bei dem Worte Batrachier stehen bleiben, welches weniger zweideutig ist.
Die Entwickelungsgeschichte der Batrachier und der Fische ist besonders darin von der Bildungsgeschichte der Reptilien, Vögel und Säugethiere verschie- den, daſs sie nie in ein Amnion eingeschlossen sind und nie einen Harnsack be- sitzen. Statt des letztern entwickelt sich bei ihnen ein anderes äuſseres Athmungs- organ in der Form von äuſseren Kiemen. Ohne Zweifel hängt damit der Mangel des Amnions zusammen, indem die Kiemen sogleich die Athmung mit der Auſsen- welt unterhalten, und nicht wie der Harnsack eine Athmung, die zwar für den Embryo selbst eine äuſsere ist, aber doch für das Ei eine innere. Trotz dieser Verschiedenheit folgt die Ausbildung des Embryo demselben Schema, indem aus dem Keime auch zwei Rückenwülste über zwei Bauchplatten sich erheben und durch das Schlieſsen derselben Rücken und Bauchseite des Thiers gebildet werden. Da wir aber noch manches Moment aus der Bildungsgeschichte dieser Klasse spä- ter zu benutzen haben, wollen wir sie einzeln durchgehen.
A. Batra- chier. a. Das Ei, bevor es ge- legt wird.
Der Eierstock der Batrachier ist immer paarig, aber wesentlich vom Eier- stocke der in einem Amnion sich bildenden Thiere darin verschieden, daſs er im Innern hohl ist. In den Fröschen ist die Höhlung nicht einfach, sondern viele aus dem Keimlager des Eierstockes gebildete Scheidewände trennen eine Anzahl an-
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§. 11.
Entwickelung der Thiere, die kein Amnion und keinen Dotter-
sack haben.
Indem wir zuerst uns an diejenigen Thiere gewendet haben, deren Entwik-
kelung mit der Entwickelung der Vögel am meisten übereinstimmt, haben wir
ihre nächst untern (die Reptilien) und ihre nächst obern Verwandten (die Säuge-
thiere) als solche erkannt.
Aber nicht alle Wirbelthiere zeigen in ihrer Entwickelungsart eine so groſse
Uebereinstimmung, vielmehr weichen die Fische und die Batrachier vorzüglich
im Baue des Eies und der Hüllen, zum Theil auch in der Bildung des Embryo ab.
Schon aus diesem Grunde muſs man die Batrachier als Klasse von den übrigen seit
Linné Amphibien genannten Thiere trennen, wie unter Andern schon lange
Blainville vorgeschlagen hat, indem er nur die Batrachier Amphibien, die
übrigen aber, wie wir gethan haben, Reptilien genannt haben will.
Da diese Benennung aber noch nicht allgemeinen Eingang gefunden hat, und
man die Benennung Amphibien in der Linné’schen Ausdehnung zu nehmen ge-
wohnt ist, so wollen wir bei dem Worte Batrachier stehen bleiben, welches
weniger zweideutig ist.
Die Entwickelungsgeschichte der Batrachier und der Fische ist besonders
darin von der Bildungsgeschichte der Reptilien, Vögel und Säugethiere verschie-
den, daſs sie nie in ein Amnion eingeschlossen sind und nie einen Harnsack be-
sitzen. Statt des letztern entwickelt sich bei ihnen ein anderes äuſseres Athmungs-
organ in der Form von äuſseren Kiemen. Ohne Zweifel hängt damit der Mangel
des Amnions zusammen, indem die Kiemen sogleich die Athmung mit der Auſsen-
welt unterhalten, und nicht wie der Harnsack eine Athmung, die zwar für den
Embryo selbst eine äuſsere ist, aber doch für das Ei eine innere. Trotz dieser
Verschiedenheit folgt die Ausbildung des Embryo demselben Schema, indem aus
dem Keime auch zwei Rückenwülste über zwei Bauchplatten sich erheben und
durch das Schlieſsen derselben Rücken und Bauchseite des Thiers gebildet werden.
Da wir aber noch manches Moment aus der Bildungsgeschichte dieser Klasse spä-
ter zu benutzen haben, wollen wir sie einzeln durchgehen.
Der Eierstock der Batrachier ist immer paarig, aber wesentlich vom Eier-
stocke der in einem Amnion sich bildenden Thiere darin verschieden, daſs er im
Innern hohl ist. In den Fröschen ist die Höhlung nicht einfach, sondern viele aus
dem Keimlager des Eierstockes gebildete Scheidewände trennen eine Anzahl an-
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/290>, abgerufen am 16.02.2025.
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