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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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der Rippen erwarten, da diese Wand des Brustkastens anfänglich kurz ist und
von vorn nach hinten auswächst. Aber was mir nicht verständlich ist, obgleich
man es sehen kann, ist, dass auch die Insertion nach dem Rücken hin in früher Zeit
sehr viel weiter nach vorn liegt, ja sogar bedeutend weiter nach vorn als der un-
tere oder Bauchrand. So sehe ich an Schweinchen von 1/2 Zoll Länge, wo die
Herzkammern so eben im Rumpfe Platz genommen haben, den obern Rand des
Zwerchfelles an den Anfang des Rumpfes scheinbar an den ersten Brustwirbel
gehen. Trennt man die Primordial-Nieren ab, um zu sehen ob das Zwerchfell
etwas über ihnen wieder nach hinten steigt, so findet man nichts davon, und den-
noch scheint das Zwerchfell schon deutlich muskulös. Mit Sicherheit konnte
ich das Zwerchfell noch erkennen, wenn die ungetheilte Herzkammer kaum noch
in den Rumpf einzutreten anfing. Es zeigt sich sehr dünn und ohne deutliche
Muskelfasern. Ich glaube es auch noch früher erkannt zu haben, wenn das ge-
sammte Herz noch im Halse liegt als ein äusserst zartes Häutchen, das unter dem
eben so zarten Herzbeutel lag und seiner Durchsichtigkeit nach durchaus wie eine
seröse Haut aussah. Ein Brustbein war noch nicht da. Die Anheftung nach der
Rückenseite konnte ich nicht erkennen.

Auf diese Weise läge das Zwerchfell ursprünglich in derjenigen Gegend, wel-
che, den Wirbeln nach, Hals genannt werden muss oder wenigstens auf der Grenze
zwischen Hals und Rumpf. Dadurch wird es mir allerdings verständlicher, dass
sein Nerv aus Halsnerven gebildet wird. Allein im Uebrigen ist seine Bildungs-
weise doch noch ausserordentlich dunkel und räthselhaft. Ein Muskel, der queer
durch eine Höhle geht, um diese zu theilen, kommt sonst nirgends vor, und so
fehlt jede Analogie, um seine Bildung sich verständlich zu machen. Vielleicht
würde unter diesen Umständen noch am meisten die Ansicht befriedigen können,
dass das Zwerchfell ursprünglich nichts sey als die seröse vordere Bekleidung der
Bauchhöhle, die, durch Herz und Lungen zurückgedrängt, zu einer bestimmten
Zeit muskulös wird. Freilich wäre damit ein Theil des Unverständlichen nur hin-
ausgeschoben, die Frage: warum nur in den Säugethieren ein Theil des Bauchfel-
les muskulös wird, oder einen Muskel-Ueberzug erhält? Allein solche Bedingun-
gen der Bildung können wir für sehr viele Verhältnisse und in gewisser Beziehung
vielleicht für keine einzige organische Bildung nachweisen. Dagegen dürfen wir
nicht rasten, bis wir die Möglichkeit der Gestaltung begreifen, indem wir sie we-
nigstens in den Kreis analoger Vorgänge bringen.

Nun scheint es mir wohl denkbar, dass für eine Scheidewand die schon da
ist, eine Muskelschicht sich bildet, allein undenkbar ist es mir, dass Muskelfa-
sern mitten in einen hohlen Raum hineinwachsen. -- Die Vergleichung ausge-

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der Rippen erwarten, da diese Wand des Brustkastens anfänglich kurz ist und
von vorn nach hinten auswächst. Aber was mir nicht verständlich ist, obgleich
man es sehen kann, ist, daſs auch die Insertion nach dem Rücken hin in früher Zeit
sehr viel weiter nach vorn liegt, ja sogar bedeutend weiter nach vorn als der un-
tere oder Bauchrand. So sehe ich an Schweinchen von ½ Zoll Länge, wo die
Herzkammern so eben im Rumpfe Platz genommen haben, den obern Rand des
Zwerchfelles an den Anfang des Rumpfes scheinbar an den ersten Brustwirbel
gehen. Trennt man die Primordial-Nieren ab, um zu sehen ob das Zwerchfell
etwas über ihnen wieder nach hinten steigt, so findet man nichts davon, und den-
noch scheint das Zwerchfell schon deutlich muskulös. Mit Sicherheit konnte
ich das Zwerchfell noch erkennen, wenn die ungetheilte Herzkammer kaum noch
in den Rumpf einzutreten anfing. Es zeigt sich sehr dünn und ohne deutliche
Muskelfasern. Ich glaube es auch noch früher erkannt zu haben, wenn das ge-
sammte Herz noch im Halse liegt als ein äuſserst zartes Häutchen, das unter dem
eben so zarten Herzbeutel lag und seiner Durchsichtigkeit nach durchaus wie eine
seröse Haut aussah. Ein Brustbein war noch nicht da. Die Anheftung nach der
Rückenseite konnte ich nicht erkennen.

Auf diese Weise läge das Zwerchfell ursprünglich in derjenigen Gegend, wel-
che, den Wirbeln nach, Hals genannt werden muſs oder wenigstens auf der Grenze
zwischen Hals und Rumpf. Dadurch wird es mir allerdings verständlicher, daſs
sein Nerv aus Halsnerven gebildet wird. Allein im Uebrigen ist seine Bildungs-
weise doch noch auſserordentlich dunkel und räthselhaft. Ein Muskel, der queer
durch eine Höhle geht, um diese zu theilen, kommt sonst nirgends vor, und so
fehlt jede Analogie, um seine Bildung sich verständlich zu machen. Vielleicht
würde unter diesen Umständen noch am meisten die Ansicht befriedigen können,
daſs das Zwerchfell ursprünglich nichts sey als die seröse vordere Bekleidung der
Bauchhöhle, die, durch Herz und Lungen zurückgedrängt, zu einer bestimmten
Zeit muskulös wird. Freilich wäre damit ein Theil des Unverständlichen nur hin-
ausgeschoben, die Frage: warum nur in den Säugethieren ein Theil des Bauchfel-
les muskulös wird, oder einen Muskel-Ueberzug erhält? Allein solche Bedingun-
gen der Bildung können wir für sehr viele Verhältnisse und in gewisser Beziehung
vielleicht für keine einzige organische Bildung nachweisen. Dagegen dürfen wir
nicht rasten, bis wir die Möglichkeit der Gestaltung begreifen, indem wir sie we-
nigstens in den Kreis analoger Vorgänge bringen.

Nun scheint es mir wohl denkbar, daſs für eine Scheidewand die schon da
ist, eine Muskelschicht sich bildet, allein undenkbar ist es mir, daſs Muskelfa-
sern mitten in einen hohlen Raum hineinwachsen. — Die Vergleichung ausge-

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[227/0237] der Rippen erwarten, da diese Wand des Brustkastens anfänglich kurz ist und von vorn nach hinten auswächst. Aber was mir nicht verständlich ist, obgleich man es sehen kann, ist, daſs auch die Insertion nach dem Rücken hin in früher Zeit sehr viel weiter nach vorn liegt, ja sogar bedeutend weiter nach vorn als der un- tere oder Bauchrand. So sehe ich an Schweinchen von ½ Zoll Länge, wo die Herzkammern so eben im Rumpfe Platz genommen haben, den obern Rand des Zwerchfelles an den Anfang des Rumpfes scheinbar an den ersten Brustwirbel gehen. Trennt man die Primordial-Nieren ab, um zu sehen ob das Zwerchfell etwas über ihnen wieder nach hinten steigt, so findet man nichts davon, und den- noch scheint das Zwerchfell schon deutlich muskulös. Mit Sicherheit konnte ich das Zwerchfell noch erkennen, wenn die ungetheilte Herzkammer kaum noch in den Rumpf einzutreten anfing. Es zeigt sich sehr dünn und ohne deutliche Muskelfasern. Ich glaube es auch noch früher erkannt zu haben, wenn das ge- sammte Herz noch im Halse liegt als ein äuſserst zartes Häutchen, das unter dem eben so zarten Herzbeutel lag und seiner Durchsichtigkeit nach durchaus wie eine seröse Haut aussah. Ein Brustbein war noch nicht da. Die Anheftung nach der Rückenseite konnte ich nicht erkennen. Auf diese Weise läge das Zwerchfell ursprünglich in derjenigen Gegend, wel- che, den Wirbeln nach, Hals genannt werden muſs oder wenigstens auf der Grenze zwischen Hals und Rumpf. Dadurch wird es mir allerdings verständlicher, daſs sein Nerv aus Halsnerven gebildet wird. Allein im Uebrigen ist seine Bildungs- weise doch noch auſserordentlich dunkel und räthselhaft. Ein Muskel, der queer durch eine Höhle geht, um diese zu theilen, kommt sonst nirgends vor, und so fehlt jede Analogie, um seine Bildung sich verständlich zu machen. Vielleicht würde unter diesen Umständen noch am meisten die Ansicht befriedigen können, daſs das Zwerchfell ursprünglich nichts sey als die seröse vordere Bekleidung der Bauchhöhle, die, durch Herz und Lungen zurückgedrängt, zu einer bestimmten Zeit muskulös wird. Freilich wäre damit ein Theil des Unverständlichen nur hin- ausgeschoben, die Frage: warum nur in den Säugethieren ein Theil des Bauchfel- les muskulös wird, oder einen Muskel-Ueberzug erhält? Allein solche Bedingun- gen der Bildung können wir für sehr viele Verhältnisse und in gewisser Beziehung vielleicht für keine einzige organische Bildung nachweisen. Dagegen dürfen wir nicht rasten, bis wir die Möglichkeit der Gestaltung begreifen, indem wir sie we- nigstens in den Kreis analoger Vorgänge bringen. Nun scheint es mir wohl denkbar, daſs für eine Scheidewand die schon da ist, eine Muskelschicht sich bildet, allein undenkbar ist es mir, daſs Muskelfa- sern mitten in einen hohlen Raum hineinwachsen. — Die Vergleichung ausge- F f 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/237>, abgerufen am 24.11.2024.