Erinnern wir uns, was wir durch Vergleichung der verschiedenen Säuge- thier-Eier gefunden haben, dass in der gesammten äussern Eihaut die Anlage liegt, Zotten zu bilden, und fügen wir hinzu, dass diese Anlage nur da zur Ent- wickelung kommt, wo die innere Fläche des Fruchthälters entsprechende Vertie- fungen hat, in welche die Zotten eindringen können; erinnern wir uns ferner, dass die Zotten nur da Gefässnetze erhalten, wo eine gefässreiche Haut mit der äussern Eihaut zu einem Chorion verwächst, dass die Zotten schwinden, sie mö- gen Gefässnetze haben oder nicht, wo sie aus der Berührung mit der innern Fläche des Fruchthälters geblieben sind, und fügen wir noch hinzu, dass die Zotten sich vergrössern, verästeln und reicher an Blutgefässen werden, wo sie hinlänglich tiefe Gruben in der gegenüberliegenden Wand des Fruchthälters oder eines mit ihm innig sich verbindenden Exsudats, von dem wir sogleich sprechen werden, vorfinden; so ist auch die allgemeine Geschichte des Fruchtkuchens gegeben, denn dieser ist nichts anders als die verstärkte Wucherung von Zotten, welche Blutge- fässnetze erhalten haben, und zugleich nachgewiesen, dass seine Bildung unter dem unmittelbaren Einflusse des Fruchthälters steht.
Wir wollen nun aber auch mit wenigen Worten die Modificationen des Fruchtkuchens durchgehen, um seine Abhängigkeit von der innern Fläche des Fruchthälters näher nachzuweisen.
In den Dickhäutern ist er am ausgedehntesten; denn auf dem ganzen Ei, mit Ausnahme der früher erwähnten auf einander folgenden Anhänge füllen sich die Zotten mit Gefässnetzen und wachsen, freilich ist ihr Wachsthum nicht bedeu- tend, da ihrer so viele sind. Ihnen entspricht eine innere Fläche des Fruchthäl- ters, die wie eine Bienenwabe mit zahllosen Grübchen versehen ist, welche die einzelnen Zotten aufnehmen. Einzelne Grübchen der Fläche des Fruchthälters, durch welche sich Drüsen-Schläuche ausmünden, sind etwas grösser, und hier bilden sich auf dem Ei Zottenkreise, die in diese Stellen eingreifen.
Das Ei der Wiederkäuer, in der äussern Form dem Ei der Dickhäuter so ähnlich, weicht in der Bildung des Fruchtkuchens wesentlich ab. Statt eines grossen zusammenhängenden Ueberzuges kleiner Zotten sind eine Menge verein- zelter Fruchtkuchen, aus grossen, stark verästelten Zottenhaufen bestehend, die man Cotyledonen zu nennen pflegt. Sie werden hervorgerufen durch einzelne, napfförmige oder pilzförmige Vorragungen der innern Fläche des Fruchthälters, die mit vielen verästelten Grübchen versehen die Fruchtkuchen gleichsam in sich hineinziehen, indem diese Grübchen immer tiefer werden.
Zwischen den einzelnen Fruchtkuchen ist das Ei fast ganz glatt, weil auch die Fläche des Fruchthälters glatt ist. Nur der innern Fläche des
Erinnern wir uns, was wir durch Vergleichung der verschiedenen Säuge- thier-Eier gefunden haben, daſs in der gesammten äuſsern Eihaut die Anlage liegt, Zotten zu bilden, und fügen wir hinzu, daſs diese Anlage nur da zur Ent- wickelung kommt, wo die innere Fläche des Fruchthälters entsprechende Vertie- fungen hat, in welche die Zotten eindringen können; erinnern wir uns ferner, daſs die Zotten nur da Gefäſsnetze erhalten, wo eine gefäſsreiche Haut mit der äuſsern Eihaut zu einem Chorion verwächst, daſs die Zotten schwinden, sie mö- gen Gefäſsnetze haben oder nicht, wo sie aus der Berührung mit der innern Fläche des Fruchthälters geblieben sind, und fügen wir noch hinzu, daſs die Zotten sich vergröſsern, verästeln und reicher an Blutgefäſsen werden, wo sie hinlänglich tiefe Gruben in der gegenüberliegenden Wand des Fruchthälters oder eines mit ihm innig sich verbindenden Exsudats, von dem wir sogleich sprechen werden, vorfinden; so ist auch die allgemeine Geschichte des Fruchtkuchens gegeben, denn dieser ist nichts anders als die verstärkte Wucherung von Zotten, welche Blutge- fäſsnetze erhalten haben, und zugleich nachgewiesen, daſs seine Bildung unter dem unmittelbaren Einflusse des Fruchthälters steht.
Wir wollen nun aber auch mit wenigen Worten die Modificationen des Fruchtkuchens durchgehen, um seine Abhängigkeit von der innern Fläche des Fruchthälters näher nachzuweisen.
In den Dickhäutern ist er am ausgedehntesten; denn auf dem ganzen Ei, mit Ausnahme der früher erwähnten auf einander folgenden Anhänge füllen sich die Zotten mit Gefäſsnetzen und wachsen, freilich ist ihr Wachsthum nicht bedeu- tend, da ihrer so viele sind. Ihnen entspricht eine innere Fläche des Fruchthäl- ters, die wie eine Bienenwabe mit zahllosen Grübchen versehen ist, welche die einzelnen Zotten aufnehmen. Einzelne Grübchen der Fläche des Fruchthälters, durch welche sich Drüsen-Schläuche ausmünden, sind etwas gröſser, und hier bilden sich auf dem Ei Zottenkreise, die in diese Stellen eingreifen.
Das Ei der Wiederkäuer, in der äuſsern Form dem Ei der Dickhäuter so ähnlich, weicht in der Bildung des Fruchtkuchens wesentlich ab. Statt eines groſsen zusammenhängenden Ueberzuges kleiner Zotten sind eine Menge verein- zelter Fruchtkuchen, aus groſsen, stark verästelten Zottenhaufen bestehend, die man Cotyledonen zu nennen pflegt. Sie werden hervorgerufen durch einzelne, napfförmige oder pilzförmige Vorragungen der innern Fläche des Fruchthälters, die mit vielen verästelten Grübchen versehen die Fruchtkuchen gleichsam in sich hineinziehen, indem diese Grübchen immer tiefer werden.
Zwischen den einzelnen Fruchtkuchen ist das Ei fast ganz glatt, weil auch die Fläche des Fruchthälters glatt ist. Nur der innern Fläche des
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[202/0212]
Erinnern wir uns, was wir durch Vergleichung der verschiedenen Säuge-
thier-Eier gefunden haben, daſs in der gesammten äuſsern Eihaut die Anlage
liegt, Zotten zu bilden, und fügen wir hinzu, daſs diese Anlage nur da zur Ent-
wickelung kommt, wo die innere Fläche des Fruchthälters entsprechende Vertie-
fungen hat, in welche die Zotten eindringen können; erinnern wir uns ferner,
daſs die Zotten nur da Gefäſsnetze erhalten, wo eine gefäſsreiche Haut mit der
äuſsern Eihaut zu einem Chorion verwächst, daſs die Zotten schwinden, sie mö-
gen Gefäſsnetze haben oder nicht, wo sie aus der Berührung mit der innern Fläche
des Fruchthälters geblieben sind, und fügen wir noch hinzu, daſs die Zotten sich
vergröſsern, verästeln und reicher an Blutgefäſsen werden, wo sie hinlänglich
tiefe Gruben in der gegenüberliegenden Wand des Fruchthälters oder eines mit
ihm innig sich verbindenden Exsudats, von dem wir sogleich sprechen werden,
vorfinden; so ist auch die allgemeine Geschichte des Fruchtkuchens gegeben, denn
dieser ist nichts anders als die verstärkte Wucherung von Zotten, welche Blutge-
fäſsnetze erhalten haben, und zugleich nachgewiesen, daſs seine Bildung unter dem
unmittelbaren Einflusse des Fruchthälters steht.
Wir wollen nun aber auch mit wenigen Worten die Modificationen des
Fruchtkuchens durchgehen, um seine Abhängigkeit von der innern Fläche des
Fruchthälters näher nachzuweisen.
In den Dickhäutern ist er am ausgedehntesten; denn auf dem ganzen Ei, mit
Ausnahme der früher erwähnten auf einander folgenden Anhänge füllen sich die
Zotten mit Gefäſsnetzen und wachsen, freilich ist ihr Wachsthum nicht bedeu-
tend, da ihrer so viele sind. Ihnen entspricht eine innere Fläche des Fruchthäl-
ters, die wie eine Bienenwabe mit zahllosen Grübchen versehen ist, welche die
einzelnen Zotten aufnehmen. Einzelne Grübchen der Fläche des Fruchthälters,
durch welche sich Drüsen-Schläuche ausmünden, sind etwas gröſser, und hier
bilden sich auf dem Ei Zottenkreise, die in diese Stellen eingreifen.
Das Ei der Wiederkäuer, in der äuſsern Form dem Ei der Dickhäuter so
ähnlich, weicht in der Bildung des Fruchtkuchens wesentlich ab. Statt eines
groſsen zusammenhängenden Ueberzuges kleiner Zotten sind eine Menge verein-
zelter Fruchtkuchen, aus groſsen, stark verästelten Zottenhaufen bestehend, die
man Cotyledonen zu nennen pflegt. Sie werden hervorgerufen durch einzelne,
napfförmige oder pilzförmige Vorragungen der innern Fläche des Fruchthälters,
die mit vielen verästelten Grübchen versehen die Fruchtkuchen gleichsam in
sich hineinziehen, indem diese Grübchen immer tiefer werden.
Zwischen den einzelnen Fruchtkuchen ist das Ei fast ganz glatt, weil
auch die Fläche des Fruchthälters glatt ist. Nur der innern Fläche des
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/212>, abgerufen am 16.02.2025.
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