Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.menhängenden Haut aus thierischem Stoffe, und nur der Kalk lässt Lücken, nicht In chemischer Hinsicht besteht die Schaale des Hühnereies nach *) Genauer angegeben ist das Verhältniss so: Wenn die Eischaale eine Zeitlang der verdünn- ten Salpetersäure ausgesetzt worden ist und schon viele Luftblasen sich entwickelt haben, so löst sich ein continuirliches festes Blatt, das unter dem Microscope kleine Vorragungen (Zot- ten) erkennen lässt, von der innern Fläche ab. Ich habe den Versuch zu oft wiederholt und zu sorgsam die Schaalenhaut entfernt, um zu glauben, dass dieses Blatt eine übersehene, frei aufliegende Schicht der letztern sey. Sie ist ein Theil der Schaale, die jetzt nur noch die halbe Decke behält. Aus dem Ueberreste löst sich nun allmählig auch der Kalk auf und es bleibt dann nur ein ganz dünner, nicht als Blatt zusammenhängender, schleimähnlicher Stoff zurück. Die Kalkschaale enthält also eine feste, aus thierischem Stoffe gebildete Hant mit Zotten und darüber noch etwas thierischen Stoff, von dem sich nicht bestimmen lässt, ob er mit jener Haut und ihren Zotten ursprünglich zusammenhing, und durch die Wirkung der Salpetersäure, die viele Luftblasen entwickelt, abgerissen ist, oder ursprünglich von ihr ge- trennt war. **) Es ist nämlich noch nicht erwiesen, dass die Luft, die sich in Blasen erhebt, nicht dem Ei vorher äusserlich anhing. Dieses Anhängen lässt sich wenigstens von der zuerst aufsteigen- den Luftmenge annehmen. ***) Philosophical Transactions 1822 und Schweigger's Neues Journal für Chemie und Physik. N. F. Bd. VIII. S. 64. B 2
menhängenden Haut aus thierischem Stoffe, und nur der Kalk läſst Lücken, nicht In chemischer Hinsicht besteht die Schaale des Hühnereies nach *) Genauer angegeben ist das Verhältniſs so: Wenn die Eischaale eine Zeitlang der verdünn- ten Salpetersäure ausgesetzt worden ist und schon viele Luftblasen sich entwickelt haben, so löst sich ein continuirliches festes Blatt, das unter dem Microscope kleine Vorragungen (Zot- ten) erkennen läſst, von der innern Fläche ab. Ich habe den Versuch zu oft wiederholt und zu sorgsam die Schaalenhaut entfernt, um zu glauben, daſs dieses Blatt eine übersehene, frei aufliegende Schicht der letztern sey. Sie ist ein Theil der Schaale, die jetzt nur noch die halbe Decke behält. Aus dem Ueberreste löst sich nun allmählig auch der Kalk auf und es bleibt dann nur ein ganz dünner, nicht als Blatt zusammenhängender, schleimähnlicher Stoff zurück. Die Kalkschaale enthält also eine feste, aus thierischem Stoffe gebildete Hant mit Zotten und darüber noch etwas thierischen Stoff, von dem sich nicht bestimmen läſst, ob er mit jener Haut und ihren Zotten ursprünglich zusammenhing, und durch die Wirkung der Salpetersäure, die viele Luftblasen entwickelt, abgerissen ist, oder ursprünglich von ihr ge- trennt war. **) Es ist nämlich noch nicht erwiesen, daſs die Luft, die sich in Blasen erhebt, nicht dem Ei vorher äuſserlich anhing. Dieses Anhängen läſst sich wenigstens von der zuerst aufsteigen- den Luftmenge annehmen. ***) Philosophical Transactions 1822 und Schweigger’s Neues Journal für Chemie und Physik. N. F. Bd. VIII. S. 64. B 2
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menhängenden Haut aus thierischem Stoffe, und nur der Kalk läſst Lücken, nicht
aber der thierische Stoff *). Beim Verdünsten muſs also die Feuchtigkeit, wie
in vielen andern Verhältnissen, durch dieses vom unterliegenden Eiweiſse feucht
erhaltene Blatt und seine Zotten hindurchgehen. Denselben Weg muſs die Luft
nehmen, wenn die Luftblasen, die man aus einem Eie, das, unter Wasser lie-
gend, einem verminderten Luftdrucke ausgesetzt wird, aufsteigen sieht, wirk-
lich aus dem Innern des Eies kommen **). Bei starker Verdünnung der Luft
mag auch der vermehrte Druck von innen Zerreiſsungen der nicht verkalkten
Stellen der Schaale erzeugen; denn nach sehr starkem und plötzlichem Auspum-
pen sieht man Luftbläschen an einzelnen Stellen wie fortlaufende Strahlen auf-
steigen. Daſs nicht ursprünglich offene Kanäle da sind, machen auch diejenigen
Eier wahrscheinlich, in denen der Embryo abstirbt und der Inhalt faul wird.
In ihnen ist die Luft zuweilen so stark zusammengepreſst, ohne einen Ausweg zu
finden, daſs beim Aufbrechen der Schaale der Inhalt mit einem lauten Knall weit
umhersprützt. Ob in solchen Fällen vielleicht die weichen Theile der Schaale
mit den öligen Bestandtheilen, die in den Eiern sich finden, getränkt sind und
deshalb die Luft nicht durchlassen, mag ich mit Bestimmtheit nicht entscheiden.
Offenbar aber ist es, daſs der Luft keine offenen Durchgänge sich in solchen
Eiern darbieten. Sie verbreiten keinen Geruch. Andere faul gewordene Eier
verbreiten einen sehr starken Geruch und werden rasch leichter.
In chemischer Hinsicht besteht die Schaale des Hühnereies nach
Prout ***) aus kohlensaurem Kalke mit etwas kohlensaurem Talk, zusammen im
*) Genauer angegeben ist das Verhältniſs so: Wenn die Eischaale eine Zeitlang der verdünn-
ten Salpetersäure ausgesetzt worden ist und schon viele Luftblasen sich entwickelt haben, so
löst sich ein continuirliches festes Blatt, das unter dem Microscope kleine Vorragungen (Zot-
ten) erkennen läſst, von der innern Fläche ab. Ich habe den Versuch zu oft wiederholt und
zu sorgsam die Schaalenhaut entfernt, um zu glauben, daſs dieses Blatt eine übersehene, frei
aufliegende Schicht der letztern sey. Sie ist ein Theil der Schaale, die jetzt nur noch die
halbe Decke behält. Aus dem Ueberreste löst sich nun allmählig auch der Kalk auf und es
bleibt dann nur ein ganz dünner, nicht als Blatt zusammenhängender, schleimähnlicher Stoff
zurück. Die Kalkschaale enthält also eine feste, aus thierischem Stoffe gebildete Hant mit
Zotten und darüber noch etwas thierischen Stoff, von dem sich nicht bestimmen läſst, ob er
mit jener Haut und ihren Zotten ursprünglich zusammenhing, und durch die Wirkung der
Salpetersäure, die viele Luftblasen entwickelt, abgerissen ist, oder ursprünglich von ihr ge-
trennt war.
**) Es ist nämlich noch nicht erwiesen, daſs die Luft, die sich in Blasen erhebt, nicht dem Ei
vorher äuſserlich anhing. Dieses Anhängen läſst sich wenigstens von der zuerst aufsteigen-
den Luftmenge annehmen.
***) Philosophical Transactions 1822 und Schweigger’s Neues Journal für Chemie und
Physik. N. F. Bd. VIII. S. 64.
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