gel-Ei hat. In der That würde sie in chemischer Hinsicht mehr den Namen Gal- lert verdienen, weil sie sich diesem ähnlich verhält. Aber grade so verhält sich das Eiweiss der Eier von Batrachiern und andern Thieren. Mit dem Worte Ei- weiss habe ich also nur eine ungeformte und durchsichtige, zur Ernährung die- nende und dem Ei später als der Dotter zugekommene Substanz bezeichnen wollen, die Substanz, welche Burdach den secundären Fruchtstoff nennt: eine Bezeich- nung, die die physiologische Bedeutung sehr passend bezeichnet und die ich ange- wendet haben würde, wenn ich sie für den Gebrauch nicht zu lang gefunden hätte.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass in den Hufthieren nach der Trennung des Harnsackes in seine Blätter oder in zwei in einander steckende Säcke das Ge- fässblatt theils vermittelst des Eiweisses an die äussere Eihaut sich anlegt, worüber wir bald mehr hören werden, theils an die benachbarte Gegend des Amnions (doch nicht um das ganze Amnion herüber), und dass ein vollständiger Sack, nur aus der Schleimhaut gebildet, zurückbleibt. Er ist ganz gefässlos, dünn und ungemein durchsichtig, obgleich ziemlich fest. Dieser Sack ist es, den man ursprünglich Allantoides oder Allantois genannt hat und wofür wir diesen Namen beibe- halten haben. Der Harngang geht nothwendig in ihn über.
Eine dritte Hauptverschiedenheit des Harnsackes zeigt sich in den Nagern. Er schlägt sich weder über dem Amnion weg, noch liegt er neben ihm, sondern ihm gegenüber bleibt er an der Bauchseite des Embryo (Fig. 20. Taf. IV.). Da- bei ist er zwar cylindrisch, doch kaum länger als das Amnion, gegen die Raubthiere und Hufthiere also klein zu nennen. Auch ist er, natürlich mit Ausnahme der frü- hesten Zeit, eine wahre Allantois. Nur die gefässlose Schleimhaut nämlich ist in die bezeichnete Länge ausgedehnt, die Gefässe sind von ihr abgehoben und weichen, die Allantois umfassend, in den Fruchtkuchen.
Eine vierte Hauptform sehen wir im Menschen, wo der Harnsack ungemein klein bleibt und nur in der frühesten Zeit der Entwickelung thätig zu seyn scheint. Dass es hier aber noch nicht mit voller Sicherheit bestimmt werden kann, ob und wie sich ein Gefässblatt abhebt, und ob das, wenigstens bis zur Mitte des zweiten Monats nachweisbare Säckchen eine Allantois oder ein vollständiger Harnsack sey -- darüber werden wir später ausführlich sprechen (§. 10 t. u. und Studien u. s. w.) *).
Mit Ausnahme der frühesten Zeit findet man an der Oberfläche des Säuge-t. Bildung des Chorions. thier-Eies immer Gefässe, welche das Blut der Frucht dem Einfluss des Fruchthäl- ters aussetzen. Obgleich der Umfang dieser Gefässe in den verschiedenen Familien
*) Dieser Sack ist in den Durchschnittsfiguren von Taf. IV. und auf Tafel V. mit f und g bezeichnet.
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gel-Ei hat. In der That würde sie in chemischer Hinsicht mehr den Namen Gal- lert verdienen, weil sie sich diesem ähnlich verhält. Aber grade so verhält sich das Eiweiſs der Eier von Batrachiern und andern Thieren. Mit dem Worte Ei- weiſs habe ich also nur eine ungeformte und durchsichtige, zur Ernährung die- nende und dem Ei später als der Dotter zugekommene Substanz bezeichnen wollen, die Substanz, welche Burdach den secundären Fruchtstoff nennt: eine Bezeich- nung, die die physiologische Bedeutung sehr passend bezeichnet und die ich ange- wendet haben würde, wenn ich sie für den Gebrauch nicht zu lang gefunden hätte.
Aus dem Gesagten geht hervor, daſs in den Hufthieren nach der Trennung des Harnsackes in seine Blätter oder in zwei in einander steckende Säcke das Ge- fäſsblatt theils vermittelst des Eiweiſses an die äuſsere Eihaut sich anlegt, worüber wir bald mehr hören werden, theils an die benachbarte Gegend des Amnions (doch nicht um das ganze Amnion herüber), und daſs ein vollständiger Sack, nur aus der Schleimhaut gebildet, zurückbleibt. Er ist ganz gefäſslos, dünn und ungemein durchsichtig, obgleich ziemlich fest. Dieser Sack ist es, den man ursprünglich Allantoides oder Allantois genannt hat und wofür wir diesen Namen beibe- halten haben. Der Harngang geht nothwendig in ihn über.
Eine dritte Hauptverschiedenheit des Harnsackes zeigt sich in den Nagern. Er schlägt sich weder über dem Amnion weg, noch liegt er neben ihm, sondern ihm gegenüber bleibt er an der Bauchseite des Embryo (Fig. 20. Taf. IV.). Da- bei ist er zwar cylindrisch, doch kaum länger als das Amnion, gegen die Raubthiere und Hufthiere also klein zu nennen. Auch ist er, natürlich mit Ausnahme der frü- hesten Zeit, eine wahre Allantois. Nur die gefäſslose Schleimhaut nämlich ist in die bezeichnete Länge ausgedehnt, die Gefäſse sind von ihr abgehoben und weichen, die Allantois umfassend, in den Fruchtkuchen.
Eine vierte Hauptform sehen wir im Menschen, wo der Harnsack ungemein klein bleibt und nur in der frühesten Zeit der Entwickelung thätig zu seyn scheint. Daſs es hier aber noch nicht mit voller Sicherheit bestimmt werden kann, ob und wie sich ein Gefäſsblatt abhebt, und ob das, wenigstens bis zur Mitte des zweiten Monats nachweisbare Säckchen eine Allantois oder ein vollständiger Harnsack sey — darüber werden wir später ausführlich sprechen (§. 10 t. u. und Studien u. s. w.) *).
Mit Ausnahme der frühesten Zeit findet man an der Oberfläche des Säuge-t. Bildung des Chorions. thier-Eies immer Gefäſse, welche das Blut der Frucht dem Einfluſs des Fruchthäl- ters aussetzen. Obgleich der Umfang dieser Gefäſse in den verschiedenen Familien
*) Dieser Sack ist in den Durchschnittsfiguren von Taf. IV. und auf Tafel V. mit f und g bezeichnet.
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das Eiweiſs der Eier von Batrachiern und andern Thieren. Mit dem Worte Ei-
weiſs habe ich also nur eine ungeformte und durchsichtige, zur Ernährung die-
nende und dem Ei später als der Dotter zugekommene Substanz bezeichnen wollen,
die Substanz, welche Burdach den secundären Fruchtstoff nennt: eine Bezeich-
nung, die die physiologische Bedeutung sehr passend bezeichnet und die ich ange-
wendet haben würde, wenn ich sie für den Gebrauch nicht zu lang gefunden hätte.
Aus dem Gesagten geht hervor, daſs in den Hufthieren nach der Trennung
des Harnsackes in seine Blätter oder in zwei in einander steckende Säcke das Ge-
fäſsblatt theils vermittelst des Eiweiſses an die äuſsere Eihaut sich anlegt, worüber
wir bald mehr hören werden, theils an die benachbarte Gegend des Amnions (doch
nicht um das ganze Amnion herüber), und daſs ein vollständiger Sack, nur aus
der Schleimhaut gebildet, zurückbleibt. Er ist ganz gefäſslos, dünn und ungemein
durchsichtig, obgleich ziemlich fest. Dieser Sack ist es, den man ursprünglich
Allantoides oder Allantois genannt hat und wofür wir diesen Namen beibe-
halten haben. Der Harngang geht nothwendig in ihn über.
Eine dritte Hauptverschiedenheit des Harnsackes zeigt sich in den Nagern.
Er schlägt sich weder über dem Amnion weg, noch liegt er neben ihm, sondern
ihm gegenüber bleibt er an der Bauchseite des Embryo (Fig. 20. Taf. IV.). Da-
bei ist er zwar cylindrisch, doch kaum länger als das Amnion, gegen die Raubthiere
und Hufthiere also klein zu nennen. Auch ist er, natürlich mit Ausnahme der frü-
hesten Zeit, eine wahre Allantois. Nur die gefäſslose Schleimhaut nämlich ist in die
bezeichnete Länge ausgedehnt, die Gefäſse sind von ihr abgehoben und weichen, die
Allantois umfassend, in den Fruchtkuchen.
Eine vierte Hauptform sehen wir im Menschen, wo der Harnsack ungemein
klein bleibt und nur in der frühesten Zeit der Entwickelung thätig zu seyn scheint.
Daſs es hier aber noch nicht mit voller Sicherheit bestimmt werden kann, ob und
wie sich ein Gefäſsblatt abhebt, und ob das, wenigstens bis zur Mitte des zweiten
Monats nachweisbare Säckchen eine Allantois oder ein vollständiger Harnsack sey
— darüber werden wir später ausführlich sprechen (§. 10 t. u. und Studien u.
s. w.) *).
Mit Ausnahme der frühesten Zeit findet man an der Oberfläche des Säuge-
thier-Eies immer Gefäſse, welche das Blut der Frucht dem Einfluſs des Fruchthäl-
ters aussetzen. Obgleich der Umfang dieser Gefäſse in den verschiedenen Familien
t. Bildung
des Chorions.
*) Dieser Sack ist in den Durchschnittsfiguren von Taf. IV. und auf Tafel V. mit f und g bezeichnet.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/205>, abgerufen am 16.02.2025.
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