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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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ausgeschnitenen, tragenden Fruchthältern ungemein deutlich sehen. Ich habe
sie an Schweinen, Schaafen, Hunden und Kaninchen beobachtet. In dem
Fruchthälter des Schweines dauern sie, wenn man ihn in warmes Wasser hält,
wohl zwei Stunden.

Der Reiz, den das Ei auf die innere Fläche des Fruchthälters ausübt, er-n. Bildung
der äussern
Eihaut und
des Eiweiss es

zeugt einen Andrang des Blutes nach der Schleimhaut desselben; die Gefässnetze
in ihr werden voller, zugleich aber wird eine Flüssigkeit ergossen, welche reich
an Eiweiss ist. In der That unterscheidet sich diese Flüssigkeit von dem Ei-
weiss, womit das Vogel-Ei umgeben wird, nur darin, dass sie reicher an Was-
ser ist und deshalb als Flüssigkeit sich zeigt. Unterdessen hat aber der Frucht-
hälter, wohl durch die stärkere Turgescenz veranlasst, wenn er mehrere Eier
enthält, zwischen ihnen sich stärker zusammengezogen.

So werden die einzelnen Eier mit ihrem Eiweiss von einander getrennt,
die Stellen aber, in denen das Ei liegt, werden durch die ergossene Feuchtigkeit
ausgedehnt, und so bilden sich gleichsam Nester für die Eier.

Das Ei besteht nur noch aus der Dotterkugel, die immerfort aus dem um-
gebenden Eiweiss die flüssigen Theile anzieht und dadurch rasch wächst, sobald
der Dotter flüssig ist.

Indem das raschere Wachsthum des Eies beginnt, das Eiweiss dadurch
an Flüssigkeit verliert, umgiebt es sich bald mit einem Häutchen, das ganz dicht
am Eihälter anliegt. Diese Bildung ist völlig wie in Vögeln, und das Häutchen
ist also die äussere Eihaut (Membrana ovi externa) *), und nun erst ist das
Ei vollständig und plötzlich viel grösser als vorher.

Ich habe die Bildung der äussern Eihaut in Schweinen und Schaafen nach
allen Momenten verfolgt. Bis zum dreizehnten Tage sieht man bei jenen in der
Regel keine Spur davon. An diesem Tage ist auch noch nichts nach Eröffnung
des Fruchthälters zu erkennen. Allein wenn man den geöffneten Fruchthälter
in kaltem Wasser liegen lässt, so bemerkt man an seiner innern Fläche ein unge-
mein dünnes Häutchen anliegend, das ungefähr so aussieht, wie der Ueberzug,
den jede Masse Eiweiss im Wasser erhält und nur in ganz kleinen Stückchen
sich abtrennen lässt. Am nächsten Tage erkennt man schon das Häutchen, wenn

*) Das heisst der Schaalenhaut des Vogel-Eies analog. So habe ich diese Haut der Säugethier-
Eier auch früher genannt. Allein da doch keine wirkliche Schaale sich bildet, scheint es mir
besser, die Haut im Allgemeinen äussere Eihaut und für die Vögel eine besondere Schaalenhaut
zu nennen. Diese äussere Eihaut ist Burdach's Exochorion, eine Name, den man annehmen
kann, wenn es sicher ist, dass sich überall auch im Menschen ein zweites Blatt anlegt. Doch
kann dieser Name immer nur für die Säugethiere und einige Reptilien gelten. Dieselbe Haut
ist in den niedern Thieren, bildet daselbst aber kein wahres Chorion.
II. A a

ausgeschnitenen, tragenden Fruchthältern ungemein deutlich sehen. Ich habe
sie an Schweinen, Schaafen, Hunden und Kaninchen beobachtet. In dem
Fruchthälter des Schweines dauern sie, wenn man ihn in warmes Wasser hält,
wohl zwei Stunden.

Der Reiz, den das Ei auf die innere Fläche des Fruchthälters ausübt, er-n. Bildung
der äuſsern
Eihaut und
des Eiweiſs es

zeugt einen Andrang des Blutes nach der Schleimhaut desselben; die Gefäſsnetze
in ihr werden voller, zugleich aber wird eine Flüssigkeit ergossen, welche reich
an Eiweiſs ist. In der That unterscheidet sich diese Flüssigkeit von dem Ei-
weiſs, womit das Vogel-Ei umgeben wird, nur darin, daſs sie reicher an Was-
ser ist und deshalb als Flüssigkeit sich zeigt. Unterdessen hat aber der Frucht-
hälter, wohl durch die stärkere Turgescenz veranlaſst, wenn er mehrere Eier
enthält, zwischen ihnen sich stärker zusammengezogen.

So werden die einzelnen Eier mit ihrem Eiweiſs von einander getrennt,
die Stellen aber, in denen das Ei liegt, werden durch die ergossene Feuchtigkeit
ausgedehnt, und so bilden sich gleichsam Nester für die Eier.

Das Ei besteht nur noch aus der Dotterkugel, die immerfort aus dem um-
gebenden Eiweiſs die flüssigen Theile anzieht und dadurch rasch wächst, sobald
der Dotter flüssig ist.

Indem das raschere Wachsthum des Eies beginnt, das Eiweiſs dadurch
an Flüssigkeit verliert, umgiebt es sich bald mit einem Häutchen, das ganz dicht
am Eihälter anliegt. Diese Bildung ist völlig wie in Vögeln, und das Häutchen
ist also die äuſsere Eihaut (Membrana ovi externa) *), und nun erst ist das
Ei vollständig und plötzlich viel gröſser als vorher.

Ich habe die Bildung der äuſsern Eihaut in Schweinen und Schaafen nach
allen Momenten verfolgt. Bis zum dreizehnten Tage sieht man bei jenen in der
Regel keine Spur davon. An diesem Tage ist auch noch nichts nach Eröffnung
des Fruchthälters zu erkennen. Allein wenn man den geöffneten Fruchthälter
in kaltem Wasser liegen läſst, so bemerkt man an seiner innern Fläche ein unge-
mein dünnes Häutchen anliegend, das ungefähr so aussieht, wie der Ueberzug,
den jede Masse Eiweiſs im Wasser erhält und nur in ganz kleinen Stückchen
sich abtrennen läſst. Am nächsten Tage erkennt man schon das Häutchen, wenn

*) Das heiſst der Schaalenhaut des Vogel-Eies analog. So habe ich diese Haut der Säugethier-
Eier auch früher genannt. Allein da doch keine wirkliche Schaale sich bildet, scheint es mir
besser, die Haut im Allgemeinen äuſsere Eihaut und für die Vögel eine besondere Schaalenhaut
zu nennen. Diese äuſsere Eihaut ist Burdach’s Exochorion, eine Name, den man annehmen
kann, wenn es sicher ist, daſs sich überall auch im Menschen ein zweites Blatt anlegt. Doch
kann dieser Name immer nur für die Säugethiere und einige Reptilien gelten. Dieselbe Haut
ist in den niedern Thieren, bildet daselbst aber kein wahres Chorion.
II. A a
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[185/0195] ausgeschnitenen, tragenden Fruchthältern ungemein deutlich sehen. Ich habe sie an Schweinen, Schaafen, Hunden und Kaninchen beobachtet. In dem Fruchthälter des Schweines dauern sie, wenn man ihn in warmes Wasser hält, wohl zwei Stunden. Der Reiz, den das Ei auf die innere Fläche des Fruchthälters ausübt, er- zeugt einen Andrang des Blutes nach der Schleimhaut desselben; die Gefäſsnetze in ihr werden voller, zugleich aber wird eine Flüssigkeit ergossen, welche reich an Eiweiſs ist. In der That unterscheidet sich diese Flüssigkeit von dem Ei- weiſs, womit das Vogel-Ei umgeben wird, nur darin, daſs sie reicher an Was- ser ist und deshalb als Flüssigkeit sich zeigt. Unterdessen hat aber der Frucht- hälter, wohl durch die stärkere Turgescenz veranlaſst, wenn er mehrere Eier enthält, zwischen ihnen sich stärker zusammengezogen. n. Bildung der äuſsern Eihaut und des Eiweiſs es So werden die einzelnen Eier mit ihrem Eiweiſs von einander getrennt, die Stellen aber, in denen das Ei liegt, werden durch die ergossene Feuchtigkeit ausgedehnt, und so bilden sich gleichsam Nester für die Eier. Das Ei besteht nur noch aus der Dotterkugel, die immerfort aus dem um- gebenden Eiweiſs die flüssigen Theile anzieht und dadurch rasch wächst, sobald der Dotter flüssig ist. Indem das raschere Wachsthum des Eies beginnt, das Eiweiſs dadurch an Flüssigkeit verliert, umgiebt es sich bald mit einem Häutchen, das ganz dicht am Eihälter anliegt. Diese Bildung ist völlig wie in Vögeln, und das Häutchen ist also die äuſsere Eihaut (Membrana ovi externa) *), und nun erst ist das Ei vollständig und plötzlich viel gröſser als vorher. Ich habe die Bildung der äuſsern Eihaut in Schweinen und Schaafen nach allen Momenten verfolgt. Bis zum dreizehnten Tage sieht man bei jenen in der Regel keine Spur davon. An diesem Tage ist auch noch nichts nach Eröffnung des Fruchthälters zu erkennen. Allein wenn man den geöffneten Fruchthälter in kaltem Wasser liegen läſst, so bemerkt man an seiner innern Fläche ein unge- mein dünnes Häutchen anliegend, das ungefähr so aussieht, wie der Ueberzug, den jede Masse Eiweiſs im Wasser erhält und nur in ganz kleinen Stückchen sich abtrennen läſst. Am nächsten Tage erkennt man schon das Häutchen, wenn *) Das heiſst der Schaalenhaut des Vogel-Eies analog. So habe ich diese Haut der Säugethier- Eier auch früher genannt. Allein da doch keine wirkliche Schaale sich bildet, scheint es mir besser, die Haut im Allgemeinen äuſsere Eihaut und für die Vögel eine besondere Schaalenhaut zu nennen. Diese äuſsere Eihaut ist Burdach’s Exochorion, eine Name, den man annehmen kann, wenn es sicher ist, daſs sich überall auch im Menschen ein zweites Blatt anlegt. Doch kann dieser Name immer nur für die Säugethiere und einige Reptilien gelten. Dieselbe Haut ist in den niedern Thieren, bildet daselbst aber kein wahres Chorion. II. A a

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/195>, abgerufen am 24.11.2024.