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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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man lange für eine Spalte in der Gefässhaut gehalten hat. Später schwindet dieser
weisse Streifen und die Gefässhaut geht mit ihrer innern Fläche nicht nur in die
Falte der Netzhaut ein, sondern durchbricht sie auch und bildet im Innern des
Augapfels den Kamm, der dem Vogelauge fast eigenthümlich ist *). Die Hornhaut
ist ursprünglich nur ein Theil der harten Haut, die anfänglich an der Gefässhaut
und der Linsenkapsel eng anliegt, sich erst spät von diesen Theilen entfernt und
dadurch die vordere Augenkammer erzeugt **). Die vordere Augenkammer füllt
sich mit einer Flüssigkeit, die wahrscheinlich in einem dünnen umhüllten Sack
(die Haut der wässrigen Feuchtigkeit) eingeschlossen ist, wie sich eine ähnliche
Flüssigkeit und die Spinnewebehaut da erzeugen, wo harte Haut und Gefässhant

*) Im ersten Theile habe ich S. 77. 87. u. s. w. der gewöhnlichen Ansicht widersprochen, welche
den weissen Streifen für eine Lücke in der Gefässhaut hält, aber auch die Darstellung von
Huschke in seiner übrigens trefflichen Commentatio de pectinis in oculo avium potestate nicht
angenommen, nach der die Gefässhaut hier schon früh nach innen gestülpt ist. Man hat spä-
ter theils meiner Darstellung lebhaft widersprochen, theils sie unbeachtet gelassen, indem man
von der Spalte im Auge wie von der ausgemachtesten Thatsache redet. Ich bin dennoch nicht im
Stande, an meiner Darstellung zu ändern. Es sey mir erlaubt, hier etwas mehr ins Einzelne zu
gehen. Wenn ich an einem Hühnchen von der zweiten Hälfte des dritten Tages das Hirn der
Länge nach aufspalte, so sehe ich von innen den Eingang in das Auge (den künftigen Sehnerven)
weit offen, als längliche Oeffnung, ohne Einfaltung. Die Höhle des Augapfels, die nach der
Unterfläche des Kopfes etwas verlängert ist, zeigt mir auch keine Falte, noch viel weniger eine
Spalte, sondern sie wird von einer geschlossenen Blase gebildet. Am vierten Tage sehe ich eine
aus zwei Hälften bestehende Einfaltung in dem hohlen Eingange zum Augapfel; diese Einfaltung
setzt sich in dem Augapfel fort, und indem unterdessen Pigment abgesetzt ist, sicht man nur hier
einen ungefärbten Streifen. Am deutlichsten ist jedoch das Verhältniss am Schlusse des 5ten Ta-
ges. Oeffnet man ein erhärtetes Auge aus dieser Zeit, so ist die Falte der noch dicken Netzhaut
ungemein deutlich. Die Mitte der vorspringenden Ränder der Falte ist dünn, zeigt aber deut-
liche Continuität; dicht neben dem verdünnten Streifen ist die Netzhaut verdickt (immer noch
auf dem vorspringenden Rande der Falte) zu zwei Wülsten. Nimmt man nun die Netzhaut weg,
so sieht man die dunkle Gefässhaut unbedeckt. Man erkennt, schon wenn die Falte queer durch-
schnitten wird, dass sie jetzt noch nicht in diese eingeht. Allein sie hat unter der Falte kein
Pigment und zeigt vielmehr einen ziemlich scharf begränzten weissen Streifen. Man könnte des-
halb glauben, dass hier eine wahre Lücke ist, trennt man jedoch die Sclerotica von der Gefäss-
haut, so lässt sich diese Trennung aben so gut unter den hellen Streifen bewirken, als an andern
Stellen, und die Gefässhaut bleibt ein Continuum. Freilich lässt die Gefässhaut zwei Schichten
erkennen, von denen die innere das Pigment enthält, die äussere nicht. Jene innere fehlt nun
in dem weissen Streifen und man kann sie in kleinen Stückchen von den Rändern desselben ab-
kratzen. Sie ist ohne allen Zweifel das Tapetum oder Pigment in seinem Zellgewebe. Dass die
äussere ungefärbte Schicht die eigentliche Gefässhaut ist, zeigt ihr Aufhören an der Linse, so
wie ich die Sclerotioa nicht verwechselt haben kann, da diese ununterbrochen in die Hornhaut
überging. Später dringt aber auch das Tapetum gegen die Spalte ein, und endlich in den letz-
ten Tagen des Embryonenlebens ist der Kamm als Verlängerung der Gefässhaut durch die Falte
hervorgetreten, wobei entweder das innere Blatt der Netzhaut in diese Bildung mit eingeht, oder
durchbrochen wird.
**) Theil I. S. 77. 130.
P 2

man lange für eine Spalte in der Gefäſshaut gehalten hat. Später schwindet dieser
weiſse Streifen und die Gefäſshaut geht mit ihrer innern Fläche nicht nur in die
Falte der Netzhaut ein, sondern durchbricht sie auch und bildet im Innern des
Augapfels den Kamm, der dem Vogelauge fast eigenthümlich ist *). Die Hornhaut
ist ursprünglich nur ein Theil der harten Haut, die anfänglich an der Gefäſshaut
und der Linsenkapsel eng anliegt, sich erst spät von diesen Theilen entfernt und
dadurch die vordere Augenkammer erzeugt **). Die vordere Augenkammer füllt
sich mit einer Flüssigkeit, die wahrscheinlich in einem dünnen umhüllten Sack
(die Haut der wäſsrigen Feuchtigkeit) eingeschlossen ist, wie sich eine ähnliche
Flüssigkeit und die Spinnewebehaut da erzeugen, wo harte Haut und Gefäſshant

*) Im ersten Theile habe ich S. 77. 87. u. s. w. der gewöhnlichen Ansicht widersprochen, welche
den weiſsen Streifen für eine Lücke in der Gefäſshaut hält, aber auch die Darstellung von
Huschke in seiner übrigens trefflichen Commentatio de pectinis in oculo avium potestate nicht
angenommen, nach der die Gefäſshaut hier schon früh nach innen gestülpt ist. Man hat spä-
ter theils meiner Darstellung lebhaft widersprochen, theils sie unbeachtet gelassen, indem man
von der Spalte im Auge wie von der ausgemachtesten Thatsache redet. Ich bin dennoch nicht im
Stande, an meiner Darstellung zu ändern. Es sey mir erlaubt, hier etwas mehr ins Einzelne zu
gehen. Wenn ich an einem Hühnchen von der zweiten Hälfte des dritten Tages das Hirn der
Länge nach aufspalte, so sehe ich von innen den Eingang in das Auge (den künftigen Sehnerven)
weit offen, als längliche Oeffnung, ohne Einfaltung. Die Höhle des Augapfels, die nach der
Unterfläche des Kopfes etwas verlängert ist, zeigt mir auch keine Falte, noch viel weniger eine
Spalte, sondern sie wird von einer geschlossenen Blase gebildet. Am vierten Tage sehe ich eine
aus zwei Hälften bestehende Einfaltung in dem hohlen Eingange zum Augapfel; diese Einfaltung
setzt sich in dem Augapfel fort, und indem unterdessen Pigment abgesetzt ist, sicht man nur hier
einen ungefärbten Streifen. Am deutlichsten ist jedoch das Verhältniſs am Schlusse des 5ten Ta-
ges. Oeffnet man ein erhärtetes Auge aus dieser Zeit, so ist die Falte der noch dicken Netzhaut
ungemein deutlich. Die Mitte der vorspringenden Ränder der Falte ist dünn, zeigt aber deut-
liche Continuität; dicht neben dem verdünnten Streifen ist die Netzhaut verdickt (immer noch
auf dem vorspringenden Rande der Falte) zu zwei Wülsten. Nimmt man nun die Netzhaut weg,
so sieht man die dunkle Gefäſshaut unbedeckt. Man erkennt, schon wenn die Falte queer durch-
schnitten wird, daſs sie jetzt noch nicht in diese eingeht. Allein sie hat unter der Falte kein
Pigment und zeigt vielmehr einen ziemlich scharf begränzten weiſsen Streifen. Man könnte des-
halb glauben, daſs hier eine wahre Lücke ist, trennt man jedoch die Sclerotica von der Gefäſs-
haut, so läſst sich diese Trennung aben so gut unter den hellen Streifen bewirken, als an andern
Stellen, und die Gefäſshaut bleibt ein Continuum. Freilich läſst die Gefäſshaut zwei Schichten
erkennen, von denen die innere das Pigment enthält, die äuſsere nicht. Jene innere fehlt nun
in dem weiſsen Streifen und man kann sie in kleinen Stückchen von den Rändern desselben ab-
kratzen. Sie ist ohne allen Zweifel das Tapetum oder Pigment in seinem Zellgewebe. Daſs die
äuſsere ungefärbte Schicht die eigentliche Gefäſshaut ist, zeigt ihr Aufhören an der Linse, so
wie ich die Sclerotioa nicht verwechselt haben kann, da diese ununterbrochen in die Hornhaut
überging. Später dringt aber auch das Tapetum gegen die Spalte ein, und endlich in den letz-
ten Tagen des Embryonenlebens ist der Kamm als Verlängerung der Gefäſshaut durch die Falte
hervorgetreten, wobei entweder das innere Blatt der Netzhaut in diese Bildung mit eingeht, oder
durchbrochen wird.
**) Theil I. S. 77. 130.
P 2
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[115/0125] man lange für eine Spalte in der Gefäſshaut gehalten hat. Später schwindet dieser weiſse Streifen und die Gefäſshaut geht mit ihrer innern Fläche nicht nur in die Falte der Netzhaut ein, sondern durchbricht sie auch und bildet im Innern des Augapfels den Kamm, der dem Vogelauge fast eigenthümlich ist *). Die Hornhaut ist ursprünglich nur ein Theil der harten Haut, die anfänglich an der Gefäſshaut und der Linsenkapsel eng anliegt, sich erst spät von diesen Theilen entfernt und dadurch die vordere Augenkammer erzeugt **). Die vordere Augenkammer füllt sich mit einer Flüssigkeit, die wahrscheinlich in einem dünnen umhüllten Sack (die Haut der wäſsrigen Feuchtigkeit) eingeschlossen ist, wie sich eine ähnliche Flüssigkeit und die Spinnewebehaut da erzeugen, wo harte Haut und Gefäſshant *) Im ersten Theile habe ich S. 77. 87. u. s. w. der gewöhnlichen Ansicht widersprochen, welche den weiſsen Streifen für eine Lücke in der Gefäſshaut hält, aber auch die Darstellung von Huschke in seiner übrigens trefflichen Commentatio de pectinis in oculo avium potestate nicht angenommen, nach der die Gefäſshaut hier schon früh nach innen gestülpt ist. Man hat spä- ter theils meiner Darstellung lebhaft widersprochen, theils sie unbeachtet gelassen, indem man von der Spalte im Auge wie von der ausgemachtesten Thatsache redet. Ich bin dennoch nicht im Stande, an meiner Darstellung zu ändern. Es sey mir erlaubt, hier etwas mehr ins Einzelne zu gehen. Wenn ich an einem Hühnchen von der zweiten Hälfte des dritten Tages das Hirn der Länge nach aufspalte, so sehe ich von innen den Eingang in das Auge (den künftigen Sehnerven) weit offen, als längliche Oeffnung, ohne Einfaltung. Die Höhle des Augapfels, die nach der Unterfläche des Kopfes etwas verlängert ist, zeigt mir auch keine Falte, noch viel weniger eine Spalte, sondern sie wird von einer geschlossenen Blase gebildet. Am vierten Tage sehe ich eine aus zwei Hälften bestehende Einfaltung in dem hohlen Eingange zum Augapfel; diese Einfaltung setzt sich in dem Augapfel fort, und indem unterdessen Pigment abgesetzt ist, sicht man nur hier einen ungefärbten Streifen. Am deutlichsten ist jedoch das Verhältniſs am Schlusse des 5ten Ta- ges. Oeffnet man ein erhärtetes Auge aus dieser Zeit, so ist die Falte der noch dicken Netzhaut ungemein deutlich. Die Mitte der vorspringenden Ränder der Falte ist dünn, zeigt aber deut- liche Continuität; dicht neben dem verdünnten Streifen ist die Netzhaut verdickt (immer noch auf dem vorspringenden Rande der Falte) zu zwei Wülsten. Nimmt man nun die Netzhaut weg, so sieht man die dunkle Gefäſshaut unbedeckt. Man erkennt, schon wenn die Falte queer durch- schnitten wird, daſs sie jetzt noch nicht in diese eingeht. Allein sie hat unter der Falte kein Pigment und zeigt vielmehr einen ziemlich scharf begränzten weiſsen Streifen. Man könnte des- halb glauben, daſs hier eine wahre Lücke ist, trennt man jedoch die Sclerotica von der Gefäſs- haut, so läſst sich diese Trennung aben so gut unter den hellen Streifen bewirken, als an andern Stellen, und die Gefäſshaut bleibt ein Continuum. Freilich läſst die Gefäſshaut zwei Schichten erkennen, von denen die innere das Pigment enthält, die äuſsere nicht. Jene innere fehlt nun in dem weiſsen Streifen und man kann sie in kleinen Stückchen von den Rändern desselben ab- kratzen. Sie ist ohne allen Zweifel das Tapetum oder Pigment in seinem Zellgewebe. Daſs die äuſsere ungefärbte Schicht die eigentliche Gefäſshaut ist, zeigt ihr Aufhören an der Linse, so wie ich die Sclerotioa nicht verwechselt haben kann, da diese ununterbrochen in die Hornhaut überging. Später dringt aber auch das Tapetum gegen die Spalte ein, und endlich in den letz- ten Tagen des Embryonenlebens ist der Kamm als Verlängerung der Gefäſshaut durch die Falte hervorgetreten, wobei entweder das innere Blatt der Netzhaut in diese Bildung mit eingeht, oder durchbrochen wird. **) Theil I. S. 77. 130. P 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/125>, abgerufen am 24.11.2024.