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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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t. Entwicke-
lung der Le-
ber und des
Pankreas.

Von der Entwickelung der Leber wurde bei Gelegenheit des Gefässsystems
gesprochen. Das Pankreas entwickelt sich fast auf dieselbe Weise und fast um
dieselbe Zeit. Kaum haben die kegelförmigen Verlängerungen, welche die zu-
künftigen Lebergänge werden, angefangen eine cylindrische Gestalt anzunehmen,
so tritt zwischen ihnen eine Ausstülpung hervor, die aber langsam sich vergrö-
ssert, so dass sie am Ende des 3ten Tages noch kaum bis in die Mitte der Dicke
der Gefässschicht reicht und äusserlich durchaus keine Vorragung bildet. Die
körnige innere Fläche deutet jedoch an der Spitze schon einige Verzweigungen an,
die freilich mehr das Ansehen von Schleimgrübchen haben.

u. Blind-
därme.

Die Blinddärme zeigen sich erst mit dem Ende des dritten Tages, oft erst
am Anfange des vierten, als zwei senkrecht auf dem Speisekanal aufsitzende seit-
liche Ausstülpungen. Sie sind gleich anfangs von beträchtlicher Weite und bilden
äusserlich zwei stumpfe Höcker auf dem Darme durch kegelförmiges Heraustreten
des Schleimblattes gegen das Gefässblatt, dann scheinen sie fast still zu stehen in
der Entwickelung, so dass es in der Weiterbildung gar keinen Unterschied macht,
wenn sie auch erst am 4ten Tage ihre Entwickelung beginnen. Später wachsen
sie zwar wieder rasch, allein eine Verzweigung bildet sich erst ganz spät und
bleibt in der Form von Schleimgruben stehen.

v. Harnsack.

Aus dem hintern Ende des Speisekanals erhebt sich ferner bald nach der
Bildung desselben, schon etwas vor der Mitte des dritten Tages, eine kleine blasen-
förmige Hervorstülpung, die einzige von allen, die sich nie verzweigt, sondern
immer die Blasenform beibehält. Es ist der Harnsack (Allantois), beim Vogel ge-
wöhnlich Chorion genannt. Er gleicht beim ersten Austritte aus dem Darmende
einem stumpfen Kegel; die Basis verschnürt sich aber bald, und die Spitze wird
halbkugelig. Er wächst bis zum Ende des dritten Tages nur sehr langsam, kaum
über die Grösse eines Nadelkopfes, und von unten angesehen erhebt er die Schwanz-
kappe ganz unmerklich. Nicht nur aus der Entstehungsweise an diesem Tage,
sondern aus der Beschaffenheit des Harnsackes selbst bis zum sechsten Tage, ist es
überaus leicht zu erkennen, dass er aus zwei Blättern, einem innern Schleimblatte
und einem äussern Gefässblatte, besteht.

w. Verglei-
chung der
Hervorstül-
pungen aus
dem Speise-
kanale.

Vergleichen wir nun diese Hervorstülpungen in ihrem ausgebildeten Zu-
stande, so finden wir, dass in den vordersten, also in den Lungen, die Verästelung
am weitesten sich ausbildet, nächst diesen in der Leber, weniger im Pankreas,
nur angedeutet ist sie in den Blinddärmen, und sie fehlt ganz im Harnsacke. Der
Grad der Verästelung nimmt also von vorn nach hinten ab, allein dieselbe Reihen-
folge ist nicht in der Zeit der Verästelung; denn die Leber verästelt sich am frü-
hesten und ansehnlichsten, nächst dieser das Pankreas. Die Lunge erhält wäh-

t. Entwicke-
lung der Le-
ber und des
Pankreas.

Von der Entwickelung der Leber wurde bei Gelegenheit des Gefäſssystems
gesprochen. Das Pankreas entwickelt sich fast auf dieselbe Weise und fast um
dieselbe Zeit. Kaum haben die kegelförmigen Verlängerungen, welche die zu-
künftigen Lebergänge werden, angefangen eine cylindrische Gestalt anzunehmen,
so tritt zwischen ihnen eine Ausstülpung hervor, die aber langsam sich vergrö-
ſsert, so daſs sie am Ende des 3ten Tages noch kaum bis in die Mitte der Dicke
der Gefäſsschicht reicht und äuſserlich durchaus keine Vorragung bildet. Die
körnige innere Fläche deutet jedoch an der Spitze schon einige Verzweigungen an,
die freilich mehr das Ansehen von Schleimgrübchen haben.

u. Blind-
därme.

Die Blinddärme zeigen sich erst mit dem Ende des dritten Tages, oft erst
am Anfange des vierten, als zwei senkrecht auf dem Speisekanal aufsitzende seit-
liche Ausstülpungen. Sie sind gleich anfangs von beträchtlicher Weite und bilden
äuſserlich zwei stumpfe Höcker auf dem Darme durch kegelförmiges Heraustreten
des Schleimblattes gegen das Gefäſsblatt, dann scheinen sie fast still zu stehen in
der Entwickelung, so daſs es in der Weiterbildung gar keinen Unterschied macht,
wenn sie auch erst am 4ten Tage ihre Entwickelung beginnen. Später wachsen
sie zwar wieder rasch, allein eine Verzweigung bildet sich erst ganz spät und
bleibt in der Form von Schleimgruben stehen.

v. Harnsack.

Aus dem hintern Ende des Speisekanals erhebt sich ferner bald nach der
Bildung desselben, schon etwas vor der Mitte des dritten Tages, eine kleine blasen-
förmige Hervorstülpung, die einzige von allen, die sich nie verzweigt, sondern
immer die Blasenform beibehält. Es ist der Harnsack (Allantois), beim Vogel ge-
wöhnlich Chorion genannt. Er gleicht beim ersten Austritte aus dem Darmende
einem stumpfen Kegel; die Basis verschnürt sich aber bald, und die Spitze wird
halbkugelig. Er wächst bis zum Ende des dritten Tages nur sehr langsam, kaum
über die Gröſse eines Nadelkopfes, und von unten angesehen erhebt er die Schwanz-
kappe ganz unmerklich. Nicht nur aus der Entstehungsweise an diesem Tage,
sondern aus der Beschaffenheit des Harnsackes selbst bis zum sechsten Tage, ist es
überaus leicht zu erkennen, daſs er aus zwei Blättern, einem innern Schleimblatte
und einem äuſsern Gefäſsblatte, besteht.

w. Verglei-
chung der
Hervorstül-
pungen aus
dem Speise-
kanale.

Vergleichen wir nun diese Hervorstülpungen in ihrem ausgebildeten Zu-
stande, so finden wir, daſs in den vordersten, also in den Lungen, die Verästelung
am weitesten sich ausbildet, nächst diesen in der Leber, weniger im Pankreas,
nur angedeutet ist sie in den Blinddärmen, und sie fehlt ganz im Harnsacke. Der
Grad der Verästelung nimmt also von vorn nach hinten ab, allein dieselbe Reihen-
folge ist nicht in der Zeit der Verästelung; denn die Leber verästelt sich am frü-
hesten und ansehnlichsten, nächst dieser das Pankreas. Die Lunge erhält wäh-

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[62/0092] Von der Entwickelung der Leber wurde bei Gelegenheit des Gefäſssystems gesprochen. Das Pankreas entwickelt sich fast auf dieselbe Weise und fast um dieselbe Zeit. Kaum haben die kegelförmigen Verlängerungen, welche die zu- künftigen Lebergänge werden, angefangen eine cylindrische Gestalt anzunehmen, so tritt zwischen ihnen eine Ausstülpung hervor, die aber langsam sich vergrö- ſsert, so daſs sie am Ende des 3ten Tages noch kaum bis in die Mitte der Dicke der Gefäſsschicht reicht und äuſserlich durchaus keine Vorragung bildet. Die körnige innere Fläche deutet jedoch an der Spitze schon einige Verzweigungen an, die freilich mehr das Ansehen von Schleimgrübchen haben. Die Blinddärme zeigen sich erst mit dem Ende des dritten Tages, oft erst am Anfange des vierten, als zwei senkrecht auf dem Speisekanal aufsitzende seit- liche Ausstülpungen. Sie sind gleich anfangs von beträchtlicher Weite und bilden äuſserlich zwei stumpfe Höcker auf dem Darme durch kegelförmiges Heraustreten des Schleimblattes gegen das Gefäſsblatt, dann scheinen sie fast still zu stehen in der Entwickelung, so daſs es in der Weiterbildung gar keinen Unterschied macht, wenn sie auch erst am 4ten Tage ihre Entwickelung beginnen. Später wachsen sie zwar wieder rasch, allein eine Verzweigung bildet sich erst ganz spät und bleibt in der Form von Schleimgruben stehen. Aus dem hintern Ende des Speisekanals erhebt sich ferner bald nach der Bildung desselben, schon etwas vor der Mitte des dritten Tages, eine kleine blasen- förmige Hervorstülpung, die einzige von allen, die sich nie verzweigt, sondern immer die Blasenform beibehält. Es ist der Harnsack (Allantois), beim Vogel ge- wöhnlich Chorion genannt. Er gleicht beim ersten Austritte aus dem Darmende einem stumpfen Kegel; die Basis verschnürt sich aber bald, und die Spitze wird halbkugelig. Er wächst bis zum Ende des dritten Tages nur sehr langsam, kaum über die Gröſse eines Nadelkopfes, und von unten angesehen erhebt er die Schwanz- kappe ganz unmerklich. Nicht nur aus der Entstehungsweise an diesem Tage, sondern aus der Beschaffenheit des Harnsackes selbst bis zum sechsten Tage, ist es überaus leicht zu erkennen, daſs er aus zwei Blättern, einem innern Schleimblatte und einem äuſsern Gefäſsblatte, besteht. Vergleichen wir nun diese Hervorstülpungen in ihrem ausgebildeten Zu- stande, so finden wir, daſs in den vordersten, also in den Lungen, die Verästelung am weitesten sich ausbildet, nächst diesen in der Leber, weniger im Pankreas, nur angedeutet ist sie in den Blinddärmen, und sie fehlt ganz im Harnsacke. Der Grad der Verästelung nimmt also von vorn nach hinten ab, allein dieselbe Reihen- folge ist nicht in der Zeit der Verästelung; denn die Leber verästelt sich am frü- hesten und ansehnlichsten, nächst dieser das Pankreas. Die Lunge erhält wäh-

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/92>, abgerufen am 25.11.2024.