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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Kaum aber ist dieses erfolgt, so wird es selbstständig. Nach geschlossener Naht
erhebt sich nämlich auf jeder Seite ein schmaler Streifen des Gefässblattes mit dem
Schleimblatte zugleich von neuem aus der horizontalen Ebene in die senkrechte.
Beide Streifen stossen mit ihren obern Rändern an die Naht oder an das Gekröse,
da während dieser Zeit die Naht sich in das Gekröse d. h. aus einer Linie in eine
Fläche auszieht. Der untere Rand des sich erhebenden Streifens geht in einen
Winkel in die (relativ) horizontale Fläche der Seitenkappen über. Beide Strei-
fen sind an ihrer innern Fläche concav, an der äussern convex und umschliessen
also einen Halbkanal, welcher der noch offene Darm ist. So wie früher der Theil
des Gefässblattes, der sich abgrenzte zur Bildung der Gekrösplatte, um so mehr
sich verdickte, je mehr er sich senkrecht stellte, eben so verdickt sich der neu
sich abgrenzende Theil von oben nach unten, und diese Verdickung findet sich
ebenfalls im Schleimblatte, wenn auch nicht ganz in demselben Maasse, und be-
weiset eben, dass das Schleimblatt nicht unthätig bei dieser Metamorphose ist.
Es scheint vielmehr bedingend. Wir nennen nun diese beiden Streifen Darmplat-
ten,
und machen darauf aufmerksam, dass sie aus dem Schleimblatte und dem Ge-
fässblatte zugleich bestehen. Die Darmplatten nähern sich einander nach unten
immer mehr, und bilden so eine ziemlich tiefe Rinne von der Mitte des 3ten Ta-
ges an. Wir nennen sie Darmrinne, da sie den nicht geschlossenen Theil des
Darm- oder Speisekanals umfasst. Alles scheint anzudeuten, dass die Rinne sich
bald in der ganzen Länge durch eine Naht schliessen will. Indessen erfolgt die
Umwandlung des Halbkanals in ein geschlossenes Rohr nur allmählig und nicht
durch eine mittlere Naht, sondern indem sich von den beiden Enden aus die schon
geschlossenen Anfangs- und Endtheile des Speisekanals gegen die Mitte verlängern.

Während nämlich von den Seiten die Keimhaut sich gegen den Embryo
wölbt, um mit ihren innersten Theilen in die Organisation des Embryo überzu-
gehen, war dasselbe in der Längendimension von den beiden Enden aus schon
früher erfolgt, wie uns die Abbildungen IV. V. und VI. versinnlichen werden.
Wir wissen, dass am Ende des 2ten Tages die Kopfkappe schon bedeutend war,
und dass auch mit dem hintern Ende der Embryo über seine Anheftung an das
Keimblatt hinauswuchs, so dass von unten aus betrachtet das hinterste Ende der
Wirbelsäule durch den Umwurf der Keimblätter schon etwas verdeckt wurde.
Die Stelle dieser hintern Umbeugung rückt nun während des dritten Tages immer
mehr nach vorn. Eben so rückt die Umbeugang, welche die hintere Grenze der
Kopfscheide bezeichnet, immer weiter nach hinten. Durch das Fortschreiten
beider Umbeugungen wird immer mehr vom Gefäss- und Schleimblatte nach in-
nen gekehrt und wird durch diese Umkehrung unmittelbarer Theil des Speise-

Kaum aber ist dieses erfolgt, so wird es selbstständig. Nach geschlossener Naht
erhebt sich nämlich auf jeder Seite ein schmaler Streifen des Gefäſsblattes mit dem
Schleimblatte zugleich von neuem aus der horizontalen Ebene in die senkrechte.
Beide Streifen stoſsen mit ihren obern Rändern an die Naht oder an das Gekröse,
da während dieser Zeit die Naht sich in das Gekröse d. h. aus einer Linie in eine
Fläche auszieht. Der untere Rand des sich erhebenden Streifens geht in einen
Winkel in die (relativ) horizontale Fläche der Seitenkappen über. Beide Strei-
fen sind an ihrer innern Fläche concav, an der äuſsern convex und umschlieſsen
also einen Halbkanal, welcher der noch offene Darm ist. So wie früher der Theil
des Gefäſsblattes, der sich abgrenzte zur Bildung der Gekrösplatte, um so mehr
sich verdickte, je mehr er sich senkrecht stellte, eben so verdickt sich der neu
sich abgrenzende Theil von oben nach unten, und diese Verdickung findet sich
ebenfalls im Schleimblatte, wenn auch nicht ganz in demselben Maaſse, und be-
weiset eben, daſs das Schleimblatt nicht unthätig bei dieser Metamorphose ist.
Es scheint vielmehr bedingend. Wir nennen nun diese beiden Streifen Darmplat-
ten,
und machen darauf aufmerksam, daſs sie aus dem Schleimblatte und dem Ge-
fäſsblatte zugleich bestehen. Die Darmplatten nähern sich einander nach unten
immer mehr, und bilden so eine ziemlich tiefe Rinne von der Mitte des 3ten Ta-
ges an. Wir nennen sie Darmrinne, da sie den nicht geschlossenen Theil des
Darm- oder Speisekanals umfaſst. Alles scheint anzudeuten, daſs die Rinne sich
bald in der ganzen Länge durch eine Naht schlieſsen will. Indessen erfolgt die
Umwandlung des Halbkanals in ein geschlossenes Rohr nur allmählig und nicht
durch eine mittlere Naht, sondern indem sich von den beiden Enden aus die schon
geschlossenen Anfangs- und Endtheile des Speisekanals gegen die Mitte verlängern.

Während nämlich von den Seiten die Keimhaut sich gegen den Embryo
wölbt, um mit ihren innersten Theilen in die Organisation des Embryo überzu-
gehen, war dasselbe in der Längendimension von den beiden Enden aus schon
früher erfolgt, wie uns die Abbildungen IV. V. und VI. versinnlichen werden.
Wir wissen, daſs am Ende des 2ten Tages die Kopfkappe schon bedeutend war,
und daſs auch mit dem hintern Ende der Embryo über seine Anheftung an das
Keimblatt hinauswuchs, so daſs von unten aus betrachtet das hinterste Ende der
Wirbelsäule durch den Umwurf der Keimblätter schon etwas verdeckt wurde.
Die Stelle dieser hintern Umbeugung rückt nun während des dritten Tages immer
mehr nach vorn. Eben so rückt die Umbeugang, welche die hintere Grenze der
Kopfscheide bezeichnet, immer weiter nach hinten. Durch das Fortschreiten
beider Umbeugungen wird immer mehr vom Gefäſs- und Schleimblatte nach in-
nen gekehrt und wird durch diese Umkehrung unmittelbarer Theil des Speise-

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[45/0075] Kaum aber ist dieses erfolgt, so wird es selbstständig. Nach geschlossener Naht erhebt sich nämlich auf jeder Seite ein schmaler Streifen des Gefäſsblattes mit dem Schleimblatte zugleich von neuem aus der horizontalen Ebene in die senkrechte. Beide Streifen stoſsen mit ihren obern Rändern an die Naht oder an das Gekröse, da während dieser Zeit die Naht sich in das Gekröse d. h. aus einer Linie in eine Fläche auszieht. Der untere Rand des sich erhebenden Streifens geht in einen Winkel in die (relativ) horizontale Fläche der Seitenkappen über. Beide Strei- fen sind an ihrer innern Fläche concav, an der äuſsern convex und umschlieſsen also einen Halbkanal, welcher der noch offene Darm ist. So wie früher der Theil des Gefäſsblattes, der sich abgrenzte zur Bildung der Gekrösplatte, um so mehr sich verdickte, je mehr er sich senkrecht stellte, eben so verdickt sich der neu sich abgrenzende Theil von oben nach unten, und diese Verdickung findet sich ebenfalls im Schleimblatte, wenn auch nicht ganz in demselben Maaſse, und be- weiset eben, daſs das Schleimblatt nicht unthätig bei dieser Metamorphose ist. Es scheint vielmehr bedingend. Wir nennen nun diese beiden Streifen Darmplat- ten, und machen darauf aufmerksam, daſs sie aus dem Schleimblatte und dem Ge- fäſsblatte zugleich bestehen. Die Darmplatten nähern sich einander nach unten immer mehr, und bilden so eine ziemlich tiefe Rinne von der Mitte des 3ten Ta- ges an. Wir nennen sie Darmrinne, da sie den nicht geschlossenen Theil des Darm- oder Speisekanals umfaſst. Alles scheint anzudeuten, daſs die Rinne sich bald in der ganzen Länge durch eine Naht schlieſsen will. Indessen erfolgt die Umwandlung des Halbkanals in ein geschlossenes Rohr nur allmählig und nicht durch eine mittlere Naht, sondern indem sich von den beiden Enden aus die schon geschlossenen Anfangs- und Endtheile des Speisekanals gegen die Mitte verlängern. Während nämlich von den Seiten die Keimhaut sich gegen den Embryo wölbt, um mit ihren innersten Theilen in die Organisation des Embryo überzu- gehen, war dasselbe in der Längendimension von den beiden Enden aus schon früher erfolgt, wie uns die Abbildungen IV. V. und VI. versinnlichen werden. Wir wissen, daſs am Ende des 2ten Tages die Kopfkappe schon bedeutend war, und daſs auch mit dem hintern Ende der Embryo über seine Anheftung an das Keimblatt hinauswuchs, so daſs von unten aus betrachtet das hinterste Ende der Wirbelsäule durch den Umwurf der Keimblätter schon etwas verdeckt wurde. Die Stelle dieser hintern Umbeugung rückt nun während des dritten Tages immer mehr nach vorn. Eben so rückt die Umbeugang, welche die hintere Grenze der Kopfscheide bezeichnet, immer weiter nach hinten. Durch das Fortschreiten beider Umbeugungen wird immer mehr vom Gefäſs- und Schleimblatte nach in- nen gekehrt und wird durch diese Umkehrung unmittelbarer Theil des Speise-

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/75>, abgerufen am 26.11.2024.