sich geht, und der vielleicht nach genauen physikalischen Versuchen näher zu be- stimmen seyn wird. Dagegen glaube ich auf die verschiedene Wärme-Empfindung, die man hat, wenn man das stumpfe oder das spitze Ende des Eies mit der Zunge berührt, wenig Gewicht legen zu dürfen, denn da das Eiweiss ein grösseres Lei- tungsvermögen für die Wärme hat, als die Luft, so folgt daraus, dass die wär- mere Zunge am spitzen Ende schneller abgekühlt wird, als am stumpfen. Ein Ei, das auf 29° -- 30° R. erwärmt ist, scheint der Zungenspitze an beiden Enden gleich warm zu seyn. Ein ziemlich empfindliches Thermometer an beide Enden eines nicht erwärmten Eies angesetzt, oder in dieselben eingesenkt, liess mich kei- nen Unterschied finden. Indessen will ich auf diese Beobachtung gar kein Ge- wicht legen, da ich nicht alle störenden Einflüsse vermeiden konnte. Aber auch die Versuche von Murray (Edinb. phisical journal 1826), nach denen das stum- pfe Ende wärmer seyn soll, erregen nicht volles Vertrauen. Vielmehr scheint diese Frage noch einer neuen, sehr sorgfältig anzustellenden Untersuchung zu be- dürfen.
Der Prozess, der längs der Achse des Eies wirksam ist, hat die Folge, dass in dem über dieser Achse liegenden Keime der neu anschiessende Stoff nach links sich in rundern, d. h. für die Fläche in breitern, für die Masse in dickern For- men sammelt, als nach rechts, wo die Formen mehr spitz auslaufen. So war es schon in der birnförmigen Gestalt des Fruchthofes, so ist es in dem Primitivstrei- fen des Embryo und allen übrigen Theilen desselben im Allgemeinen. Dieses Ver- hältniss dürfte daher mit dem Electromagnetismus in Beziehung zu bringen seyn.
Was nun den früher erwähnten Primitivstreifen anlangt, so besteht er nuri. Primitiv- streifen. kurze Zeit, weshalb Pander ihn in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte ganz ausgelassen hat. Gesehen hat er ihn jedoch ohne Zweifel, denn die Abbil- dungen in Tab. I. Fig. 4. 5. Tab. II. Fig. 2. in Pander's Beiträge u. s. w. kann ich nur auf diesen Streifen beziehen. Er ist auch sehr verschieden in seinem Aus- sehen. In der Regel besteht er aus einer Ansammlung von ziemlich lose zusam- menhängenden Kügelchen. Der Fruchthof ist nämlich um diese Zeit noch nicht so hell, als später, und enthält noch ziemlich viele Kügelchen, die sich aber im Primitivstreifen noch besonders ansammeln, der daher wegen grösserer Dunkel- heit von geübten Augen schon ohne Vergrösserung erkannt wird. Er ist mehr oder weniger erhaben, und wenn ich nicht sehr irre, steht seine Erhebung mit der Dunkelheit im Gegensatze. Einige Mal sah ich ihn als einen erhabenen, nach unten hohlen, dann aber fast durchsichtigen Wulst, der sich wohl 1/3 Linie aus der Ebene erhob, wie nicht nur der Schatten, sondern besonders auch das Her- abgleiten an seinen Seiten mit einer feinen Sonde oder Borste lehrte. Kaum ist es
sich geht, und der vielleicht nach genauen physikalischen Versuchen näher zu be- stimmen seyn wird. Dagegen glaube ich auf die verschiedene Wärme-Empfindung, die man hat, wenn man das stumpfe oder das spitze Ende des Eies mit der Zunge berührt, wenig Gewicht legen zu dürfen, denn da das Eiweiſs ein gröſseres Lei- tungsvermögen für die Wärme hat, als die Luft, so folgt daraus, daſs die wär- mere Zunge am spitzen Ende schneller abgekühlt wird, als am stumpfen. Ein Ei, das auf 29° — 30° R. erwärmt ist, scheint der Zungenspitze an beiden Enden gleich warm zu seyn. Ein ziemlich empfindliches Thermometer an beide Enden eines nicht erwärmten Eies angesetzt, oder in dieselben eingesenkt, lieſs mich kei- nen Unterschied finden. Indessen will ich auf diese Beobachtung gar kein Ge- wicht legen, da ich nicht alle störenden Einflüsse vermeiden konnte. Aber auch die Versuche von Murray (Edinb. phisical journal 1826), nach denen das stum- pfe Ende wärmer seyn soll, erregen nicht volles Vertrauen. Vielmehr scheint diese Frage noch einer neuen, sehr sorgfältig anzustellenden Untersuchung zu be- dürfen.
Der Prozeſs, der längs der Achse des Eies wirksam ist, hat die Folge, daſs in dem über dieser Achse liegenden Keime der neu anschieſsende Stoff nach links sich in rundern, d. h. für die Fläche in breitern, für die Masse in dickern For- men sammelt, als nach rechts, wo die Formen mehr spitz auslaufen. So war es schon in der birnförmigen Gestalt des Fruchthofes, so ist es in dem Primitivstrei- fen des Embryo und allen übrigen Theilen desselben im Allgemeinen. Dieses Ver- hältniſs dürfte daher mit dem Electromagnetismus in Beziehung zu bringen seyn.
Was nun den früher erwähnten Primitivstreifen anlangt, so besteht er nuri. Primitiv- streifen. kurze Zeit, weshalb Pander ihn in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte ganz ausgelassen hat. Gesehen hat er ihn jedoch ohne Zweifel, denn die Abbil- dungen in Tab. I. Fig. 4. 5. Tab. II. Fig. 2. in Pander’s Beiträge u. s. w. kann ich nur auf diesen Streifen beziehen. Er ist auch sehr verschieden in seinem Aus- sehen. In der Regel besteht er aus einer Ansammlung von ziemlich lose zusam- menhängenden Kügelchen. Der Fruchthof ist nämlich um diese Zeit noch nicht so hell, als später, und enthält noch ziemlich viele Kügelchen, die sich aber im Primitivstreifen noch besonders ansammeln, der daher wegen gröſserer Dunkel- heit von geübten Augen schon ohne Vergröſserung erkannt wird. Er ist mehr oder weniger erhaben, und wenn ich nicht sehr irre, steht seine Erhebung mit der Dunkelheit im Gegensatze. Einige Mal sah ich ihn als einen erhabenen, nach unten hohlen, dann aber fast durchsichtigen Wulst, der sich wohl ⅓ Linie aus der Ebene erhob, wie nicht nur der Schatten, sondern besonders auch das Her- abgleiten an seinen Seiten mit einer feinen Sonde oder Borste lehrte. Kaum ist es
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stimmen seyn wird. Dagegen glaube ich auf die verschiedene Wärme-Empfindung,
die man hat, wenn man das stumpfe oder das spitze Ende des Eies mit der Zunge
berührt, wenig Gewicht legen zu dürfen, denn da das Eiweiſs ein gröſseres Lei-
tungsvermögen für die Wärme hat, als die Luft, so folgt daraus, daſs die wär-
mere Zunge am spitzen Ende schneller abgekühlt wird, als am stumpfen. Ein
Ei, das auf 29° — 30° R. erwärmt ist, scheint der Zungenspitze an beiden Enden
gleich warm zu seyn. Ein ziemlich empfindliches Thermometer an beide Enden
eines nicht erwärmten Eies angesetzt, oder in dieselben eingesenkt, lieſs mich kei-
nen Unterschied finden. Indessen will ich auf diese Beobachtung gar kein Ge-
wicht legen, da ich nicht alle störenden Einflüsse vermeiden konnte. Aber auch
die Versuche von Murray (Edinb. phisical journal 1826), nach denen das stum-
pfe Ende wärmer seyn soll, erregen nicht volles Vertrauen. Vielmehr scheint
diese Frage noch einer neuen, sehr sorgfältig anzustellenden Untersuchung zu be-
dürfen.
Der Prozeſs, der längs der Achse des Eies wirksam ist, hat die Folge, daſs
in dem über dieser Achse liegenden Keime der neu anschieſsende Stoff nach links
sich in rundern, d. h. für die Fläche in breitern, für die Masse in dickern For-
men sammelt, als nach rechts, wo die Formen mehr spitz auslaufen. So war es
schon in der birnförmigen Gestalt des Fruchthofes, so ist es in dem Primitivstrei-
fen des Embryo und allen übrigen Theilen desselben im Allgemeinen. Dieses Ver-
hältniſs dürfte daher mit dem Electromagnetismus in Beziehung zu bringen seyn.
Was nun den früher erwähnten Primitivstreifen anlangt, so besteht er nur
kurze Zeit, weshalb Pander ihn in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte
ganz ausgelassen hat. Gesehen hat er ihn jedoch ohne Zweifel, denn die Abbil-
dungen in Tab. I. Fig. 4. 5. Tab. II. Fig. 2. in Pander’s Beiträge u. s. w. kann
ich nur auf diesen Streifen beziehen. Er ist auch sehr verschieden in seinem Aus-
sehen. In der Regel besteht er aus einer Ansammlung von ziemlich lose zusam-
menhängenden Kügelchen. Der Fruchthof ist nämlich um diese Zeit noch nicht
so hell, als später, und enthält noch ziemlich viele Kügelchen, die sich aber im
Primitivstreifen noch besonders ansammeln, der daher wegen gröſserer Dunkel-
heit von geübten Augen schon ohne Vergröſserung erkannt wird. Er ist mehr
oder weniger erhaben, und wenn ich nicht sehr irre, steht seine Erhebung mit
der Dunkelheit im Gegensatze. Einige Mal sah ich ihn als einen erhabenen, nach
unten hohlen, dann aber fast durchsichtigen Wulst, der sich wohl ⅓ Linie aus
der Ebene erhob, wie nicht nur der Schatten, sondern besonders auch das Her-
abgleiten an seinen Seiten mit einer feinen Sonde oder Borste lehrte. Kaum ist es
i. Primitiv-
streifen.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/43>, abgerufen am 17.02.2025.
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