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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Die Entwickelungsgeschichte der Thiere des peripherischen Typus isth. Strahlen-
förmige Ent-
wickelung
des periphe-
rischen Ty-
pus.

noch ganz im Dunkeln, und wir müssen uns daher begnügen, durch folgende Be-
merkungen eine fortgesetzte Reihe von Beobachtungen zu ersetzen; da es hier an
Gelegenheit fehlt, die Entwickelung der höhern Strahlthiere vollständig zu beob-
achten. So viel ist wohl als sicher zu betrachten, dass sie in diesen Thieren kei-
ner der beiden bisher betrachteten Entwickelungsweisen folgt. Ich habe kleine
Seesterne in Weingeist gesehen, deren Scheibe kaum eine Linie im Durchmesser
hielt. Sie hatten schon ganz die strahlige Form der erwachsenen Thiere. Die
Embryonen von Medusen sind ziemlich verschieden von den erwachsenen Thieren.
Ihre Gestalt ist glockenförmig. Sie scheinen nämlich eine innere Höhlung zu ha-
ben, die an dem einen Ende ausläuft. Ich gebe hier in Fig. 9 eine neue Abbil-
dung, die freilich nur nach einer flüchtigen Zeichnung entworfen werden konnte,
weil die frühere Abbildung im Deutschen Archiv für Physiologie Bd. VIII. Taf. IV.
Fig. 6 durch den Kupferstecher ganz unverständlich geworden ist und dem Texte
nicht entspricht, indem das eine Ende des Embryo nicht abgestutzt ist. Wie sich
dieser glockenförmige Embryo in eine gewölbte Scheibe umwandelt, habe ich
zwar noch nicht vollständig beobachtet, indessen scheinen nur zwei Umwandlun-
gen denkbar: entweder breitet sich der untere Rand der Glocke aus und die innere
Höhlung wird zur untern Fläche, oder die jetzige innere Fläche ist schon die künf-
tige innere Fläche. Dann muss die äussere Wand peripherisch stark zunehmen.
In beiden Fällen würde die Entwickelung nach allen Seiten ausstrahlend gleich-
mässig fortschreiten. Dass im peripherischen Typus die Entwickelung von der
Mitte nach der Peripherie fortschreitet, wird auch durch die Entwickelungsweise
derjenigen Thiere wahrscheinlich, deren Leib nach dem Längentypus, modifi-
cirt durch den peripherischen Typus, gebaut ist. Ich habe oben bemerkt, dass
im Primitivstreifen der Krebse das vordere Ende ringförmig gebaut ist, von die-
sem Ringe aus geht die Entwickelung nach allen Seiten fort, hier freilich durch
den Längentypus modificirt, so dass die Theile, die vor und neben der künftigen
Mundöffnung sind, in der Ausbildung zurückbleiben. Indessen lassen sie erken-
nen, welche Form die Entwickelung ohne diesen Einfluss haben würde. Dasselbe
acheint sich mir noch auffallender aus Herold's Untersuchungen über die Ent-
wickelungsgeschichte der Spinnen zu bestätigen, da in der Spinne die vordere
Hälfte des Leibes auch strahlenförmig gebaut ist, jedoch mit anderer Stellung der
Mundöffnung.

Für Untersuchungen über die Entwickelungsweise der Thiere aus demi. Entwicke-
lungsform
der Thiere
mit massi-
gem Typus.

massigen Typus, oder der Mollusken, fehlt es zwar keinesweges an Gelegenheit,
allein sie sind so schwierig, dass wir trotz der angestrengten und sehr ehrenwer-

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Die Entwickelungsgeschichte der Thiere des peripherischen Typus isth. Strahlen-
förmige Ent-
wickelung
des periphe-
rischen Ty-
pus.

noch ganz im Dunkeln, und wir müssen uns daher begnügen, durch folgende Be-
merkungen eine fortgesetzte Reihe von Beobachtungen zu ersetzen; da es hier an
Gelegenheit fehlt, die Entwickelung der höhern Strahlthiere vollständig zu beob-
achten. So viel ist wohl als sicher zu betrachten, daſs sie in diesen Thieren kei-
ner der beiden bisher betrachteten Entwickelungsweisen folgt. Ich habe kleine
Seesterne in Weingeist gesehen, deren Scheibe kaum eine Linie im Durchmesser
hielt. Sie hatten schon ganz die strahlige Form der erwachsenen Thiere. Die
Embryonen von Medusen sind ziemlich verschieden von den erwachsenen Thieren.
Ihre Gestalt ist glockenförmig. Sie scheinen nämlich eine innere Höhlung zu ha-
ben, die an dem einen Ende ausläuft. Ich gebe hier in Fig. 9 eine neue Abbil-
dung, die freilich nur nach einer flüchtigen Zeichnung entworfen werden konnte,
weil die frühere Abbildung im Deutschen Archiv für Physiologie Bd. VIII. Taf. IV.
Fig. 6 durch den Kupferstecher ganz unverständlich geworden ist und dem Texte
nicht entspricht, indem das eine Ende des Embryo nicht abgestutzt ist. Wie sich
dieser glockenförmige Embryo in eine gewölbte Scheibe umwandelt, habe ich
zwar noch nicht vollständig beobachtet, indessen scheinen nur zwei Umwandlun-
gen denkbar: entweder breitet sich der untere Rand der Glocke aus und die innere
Höhlung wird zur untern Fläche, oder die jetzige innere Fläche ist schon die künf-
tige innere Fläche. Dann muſs die äuſsere Wand peripherisch stark zunehmen.
In beiden Fällen würde die Entwickelung nach allen Seiten ausstrahlend gleich-
mäſsig fortschreiten. Daſs im peripherischen Typus die Entwickelung von der
Mitte nach der Peripherie fortschreitet, wird auch durch die Entwickelungsweise
derjenigen Thiere wahrscheinlich, deren Leib nach dem Längentypus, modifi-
cirt durch den peripherischen Typus, gebaut ist. Ich habe oben bemerkt, daſs
im Primitivstreifen der Krebse das vordere Ende ringförmig gebaut ist, von die-
sem Ringe aus geht die Entwickelung nach allen Seiten fort, hier freilich durch
den Längentypus modificirt, so daſs die Theile, die vor und neben der künftigen
Mundöffnung sind, in der Ausbildung zurückbleiben. Indessen lassen sie erken-
nen, welche Form die Entwickelung ohne diesen Einfluſs haben würde. Dasselbe
acheint sich mir noch auffallender aus Herold’s Untersuchungen über die Ent-
wickelungsgeschichte der Spinnen zu bestätigen, da in der Spinne die vordere
Hälfte des Leibes auch strahlenförmig gebaut ist, jedoch mit anderer Stellung der
Mundöffnung.

Für Untersuchungen über die Entwickelungsweise der Thiere aus demi. Entwicke-
lungsform
der Thiere
mit massi-
gem Typus.

massigen Typus, oder der Mollusken, fehlt es zwar keinesweges an Gelegenheit,
allein sie sind so schwierig, daſs wir trotz der angestrengten und sehr ehrenwer-

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[251/0283] Die Entwickelungsgeschichte der Thiere des peripherischen Typus ist noch ganz im Dunkeln, und wir müssen uns daher begnügen, durch folgende Be- merkungen eine fortgesetzte Reihe von Beobachtungen zu ersetzen; da es hier an Gelegenheit fehlt, die Entwickelung der höhern Strahlthiere vollständig zu beob- achten. So viel ist wohl als sicher zu betrachten, daſs sie in diesen Thieren kei- ner der beiden bisher betrachteten Entwickelungsweisen folgt. Ich habe kleine Seesterne in Weingeist gesehen, deren Scheibe kaum eine Linie im Durchmesser hielt. Sie hatten schon ganz die strahlige Form der erwachsenen Thiere. Die Embryonen von Medusen sind ziemlich verschieden von den erwachsenen Thieren. Ihre Gestalt ist glockenförmig. Sie scheinen nämlich eine innere Höhlung zu ha- ben, die an dem einen Ende ausläuft. Ich gebe hier in Fig. 9 eine neue Abbil- dung, die freilich nur nach einer flüchtigen Zeichnung entworfen werden konnte, weil die frühere Abbildung im Deutschen Archiv für Physiologie Bd. VIII. Taf. IV. Fig. 6 durch den Kupferstecher ganz unverständlich geworden ist und dem Texte nicht entspricht, indem das eine Ende des Embryo nicht abgestutzt ist. Wie sich dieser glockenförmige Embryo in eine gewölbte Scheibe umwandelt, habe ich zwar noch nicht vollständig beobachtet, indessen scheinen nur zwei Umwandlun- gen denkbar: entweder breitet sich der untere Rand der Glocke aus und die innere Höhlung wird zur untern Fläche, oder die jetzige innere Fläche ist schon die künf- tige innere Fläche. Dann muſs die äuſsere Wand peripherisch stark zunehmen. In beiden Fällen würde die Entwickelung nach allen Seiten ausstrahlend gleich- mäſsig fortschreiten. Daſs im peripherischen Typus die Entwickelung von der Mitte nach der Peripherie fortschreitet, wird auch durch die Entwickelungsweise derjenigen Thiere wahrscheinlich, deren Leib nach dem Längentypus, modifi- cirt durch den peripherischen Typus, gebaut ist. Ich habe oben bemerkt, daſs im Primitivstreifen der Krebse das vordere Ende ringförmig gebaut ist, von die- sem Ringe aus geht die Entwickelung nach allen Seiten fort, hier freilich durch den Längentypus modificirt, so daſs die Theile, die vor und neben der künftigen Mundöffnung sind, in der Ausbildung zurückbleiben. Indessen lassen sie erken- nen, welche Form die Entwickelung ohne diesen Einfluſs haben würde. Dasselbe acheint sich mir noch auffallender aus Herold’s Untersuchungen über die Ent- wickelungsgeschichte der Spinnen zu bestätigen, da in der Spinne die vordere Hälfte des Leibes auch strahlenförmig gebaut ist, jedoch mit anderer Stellung der Mundöffnung. h. Strahlen- förmige Ent- wickelung des periphe- rischen Ty- pus. Für Untersuchungen über die Entwickelungsweise der Thiere aus dem massigen Typus, oder der Mollusken, fehlt es zwar keinesweges an Gelegenheit, allein sie sind so schwierig, daſs wir trotz der angestrengten und sehr ehrenwer- i. Entwicke- lungsform der Thiere mit massi- gem Typus. I i 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/283>, abgerufen am 25.11.2024.