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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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um den Leser nicht in Zweifel zu lassen. Aus diesem Grunde habe ich,
wenn meine Darstellung auch sonst gedrängt ist und keinesweges auf histo-
rische Erörterungen eingeht, doch bei der Entwickelungsgeschichte des Dar-
mes den immer noch von manchen Seiten missverstandenen, zum Theil aber
auch irrenden Wolff ausführlich berücksichtigen müssen. Aus demselben
Grunde habe ich aber auch Dir zuweilen widersprochen, da Dein Werk mit
Recht die höchste Achtung sich erworben hat und seine Unvollkommenheiten,
wenn sie da sind, Gewicht erhalten haben. Untersuchungen zu widerlegen,
die bald spurlos vorübergehen, ist überall vergeblich und lag ganz ausser der
ursprünglichen Bestimmung dieser Abhandlung. Es ist aber das Erkennungs-
zeichen einer tüchtigen Arbeit, dass man oft auf sie zurückkommen muss,
entweder bestätigend oder widerlegend. Linne hat man fast ein Jahrhundert
hindurch widerlegt, und noch sehr lange wird man bei irgend einer Unter-
suchung aus dem Felde der beschreibenden Naturforschung Linne nicht über-
gehen können. Das eben ist die Spur eines grossen Mannes, die sich Jahr-
hunderte lang erhält.

So ist es also nur eine Frucht der Anerkenntniss der Würzburger Ar-
beiten, die Du bekannt gemacht hast, wenn ich Deinen Namen öfter nenne,
als andere. Dass eine Nachlese auch für die erste Zeit der Entwickelung noch
übrig geblieben sey, wirst Du nach eilfjähriger Frist, in der Du selbst wei-
ter geforscht hast, am wenigsten bezweifeln. Und wer liesse auf diesem
schwierigen Felde, wo jeder Halm einzeln und sorgsam gesammelt seyn will,
nicht noch volle Aehren stehen, auch wenn er sein ganzes Leben der Ernte
widmete, und wer nähme nicht einige taube Aehren für volle mit. Selbst
Caspar Friedrich Wolff, der wohl das Vollendetste in anatomischer Un-
tersuchung leistete, hat geirrt! Glücklich nur, wem es gelang, Eine reife
Garbe zu binden, welche Frucht giebt für fernere Aussaat! Du hast durch
nähere Erkenntniss der Spaltung im Keime, welche Wolff dunkel geblieben
war, ein Licht gegeben, das sich auf alle Formen der Entwickelung ausbrei-

um den Leser nicht in Zweifel zu lassen. Aus diesem Grunde habe ich,
wenn meine Darstellung auch sonst gedrängt ist und keinesweges auf histo-
rische Erörterungen eingeht, doch bei der Entwickelungsgeschichte des Dar-
mes den immer noch von manchen Seiten miſsverstandenen, zum Theil aber
auch irrenden Wolff ausführlich berücksichtigen müssen. Aus demselben
Grunde habe ich aber auch Dir zuweilen widersprochen, da Dein Werk mit
Recht die höchste Achtung sich erworben hat und seine Unvollkommenheiten,
wenn sie da sind, Gewicht erhalten haben. Untersuchungen zu widerlegen,
die bald spurlos vorübergehen, ist überall vergeblich und lag ganz auſser der
ursprünglichen Bestimmung dieser Abhandlung. Es ist aber das Erkennungs-
zeichen einer tüchtigen Arbeit, daſs man oft auf sie zurückkommen muſs,
entweder bestätigend oder widerlegend. Linné hat man fast ein Jahrhundert
hindurch widerlegt, und noch sehr lange wird man bei irgend einer Unter-
suchung aus dem Felde der beschreibenden Naturforschung Linné nicht über-
gehen können. Das eben ist die Spur eines groſsen Mannes, die sich Jahr-
hunderte lang erhält.

So ist es also nur eine Frucht der Anerkenntniſs der Würzburger Ar-
beiten, die Du bekannt gemacht hast, wenn ich Deinen Namen öfter nenne,
als andere. Daſs eine Nachlese auch für die erste Zeit der Entwickelung noch
übrig geblieben sey, wirst Du nach eilfjähriger Frist, in der Du selbst wei-
ter geforscht hast, am wenigsten bezweifeln. Und wer lieſse auf diesem
schwierigen Felde, wo jeder Halm einzeln und sorgsam gesammelt seyn will,
nicht noch volle Aehren stehen, auch wenn er sein ganzes Leben der Ernte
widmete, und wer nähme nicht einige taube Aehren für volle mit. Selbst
Caspar Friedrich Wolff, der wohl das Vollendetste in anatomischer Un-
tersuchung leistete, hat geirrt! Glücklich nur, wem es gelang, Eine reife
Garbe zu binden, welche Frucht giebt für fernere Aussaat! Du hast durch
nähere Erkenntniſs der Spaltung im Keime, welche Wolff dunkel geblieben
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[XXI/0027] um den Leser nicht in Zweifel zu lassen. Aus diesem Grunde habe ich, wenn meine Darstellung auch sonst gedrängt ist und keinesweges auf histo- rische Erörterungen eingeht, doch bei der Entwickelungsgeschichte des Dar- mes den immer noch von manchen Seiten miſsverstandenen, zum Theil aber auch irrenden Wolff ausführlich berücksichtigen müssen. Aus demselben Grunde habe ich aber auch Dir zuweilen widersprochen, da Dein Werk mit Recht die höchste Achtung sich erworben hat und seine Unvollkommenheiten, wenn sie da sind, Gewicht erhalten haben. Untersuchungen zu widerlegen, die bald spurlos vorübergehen, ist überall vergeblich und lag ganz auſser der ursprünglichen Bestimmung dieser Abhandlung. Es ist aber das Erkennungs- zeichen einer tüchtigen Arbeit, daſs man oft auf sie zurückkommen muſs, entweder bestätigend oder widerlegend. Linné hat man fast ein Jahrhundert hindurch widerlegt, und noch sehr lange wird man bei irgend einer Unter- suchung aus dem Felde der beschreibenden Naturforschung Linné nicht über- gehen können. Das eben ist die Spur eines groſsen Mannes, die sich Jahr- hunderte lang erhält. So ist es also nur eine Frucht der Anerkenntniſs der Würzburger Ar- beiten, die Du bekannt gemacht hast, wenn ich Deinen Namen öfter nenne, als andere. Daſs eine Nachlese auch für die erste Zeit der Entwickelung noch übrig geblieben sey, wirst Du nach eilfjähriger Frist, in der Du selbst wei- ter geforscht hast, am wenigsten bezweifeln. Und wer lieſse auf diesem schwierigen Felde, wo jeder Halm einzeln und sorgsam gesammelt seyn will, nicht noch volle Aehren stehen, auch wenn er sein ganzes Leben der Ernte widmete, und wer nähme nicht einige taube Aehren für volle mit. Selbst Caspar Friedrich Wolff, der wohl das Vollendetste in anatomischer Un- tersuchung leistete, hat geirrt! Glücklich nur, wem es gelang, Eine reife Garbe zu binden, welche Frucht giebt für fernere Aussaat! Du hast durch nähere Erkenntniſs der Spaltung im Keime, welche Wolff dunkel geblieben war, ein Licht gegeben, das sich auf alle Formen der Entwickelung ausbrei-

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/27>, abgerufen am 11.12.2024.