Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

Genug für den Beweis, dass im plastischen Theile der Wirbelthiere die
organische Strömung vorherrschend nach rechts geht, um zu erhärten, dass die
Verhältnisse des Molluskentypus in dieser Hälfte des Wirbelthiers walten.

Wir sind nun die vier Haupttypen durchgegangen, und es wird für unsernk. Unterge-
ordnete Ty-
pen.

Zweck hinlänglich seyn, nur noch kurz zu bemerken, dass diese Haupttypen in
untergeordneten Formen abändern, wie Variationen auf ein Thema. So sind die
Glieder der gegliederten Reihe bald mehr gleich unter sich, gleichsam an einen
Faden aufgereiht, bald mehr um einen Mittelpunkt gesammelt. Auf diese Weise
bilden sich Variationen der Haupttypen, die man sich als um ihn gelagert denken
kann und von denen einige ihm näher stehen, wenn sie den Character der Haupt-
typen reiner darstellen, andere mehr von ihm abweichen. Diese untergeordneten
Typen, verbunden mit einem bestimmten Grade der Ausbildung, geben das, was
wir Thierklassen nennen. Dabei wird bald das eine, bald das andere Lebens-
verhältniss mehr ausgebildet, oder richtiger: die Ausbildung des Lebens nach
dieser oder jener Richtung erzeugt eben die Variationen der Haupttypen, wie diese
selbst wesentlich in ihren Lebenserscheinungen verschieden sind. So sind offen-
bar unter den Wirbelthieren die Vögel diejenigen, in welchen die Beziehung zur
Luft vorherrschend ist. Sie durchzieht ihren ganzen Körper und für sie sind die
vordern Bewegungsorgane organisirt. Eben so die wahren geflügelten Insecten
in der Reihe der gegliederten Thiere. Die Thierklassen theilen sich wieder in
geringere Variationen, die wir Familien nennen, welche nicht nur den Haupt-
typus, sondern auch den Typus der Klasse mit besondern Modificationen tragen,
wodurch sich der Character der Familie bildet. Modificationen geringern Gra-
des in diesem Familien-Character geben die Gattungen. So geht es fort bis zu
den Arten und Abarten.

Wenn es richtig ist, dass alle grössern und kleinern Gruppen von Thieren
auf einem doppelten Verhältniss beruhen, dem der höhern oder geringern Ausbil-
dung und der Variation der Haupttypen in Verschiedenheiten geringern Grades,
und dieser wieder weiter, so ist eine einreihige Fortbildung des Thiers im gan-
zen Thierreiche eine unrichtige Vorstellung.

§. 4.
Anwendung dieser Darstellung auf die Geschichte der individuellen Entwickelung.

Machen wir nun von dieser Uebersicht der bleibenden Formverhältnissea. Der Em-
bryo erreicht
allmählig
eine immer
höhere Stufe
der Ausbil-
dung.

unter den verschiedenen ausgebildeten Thieren auf die Bildungsgeschichte der
einzelnen Individuen die Anwendung!

E e 2

Genug für den Beweis, daſs im plastischen Theile der Wirbelthiere die
organische Strömung vorherrschend nach rechts geht, um zu erhärten, daſs die
Verhältnisse des Molluskentypus in dieser Hälfte des Wirbelthiers walten.

Wir sind nun die vier Haupttypen durchgegangen, und es wird für unsernκ. Unterge-
ordnete Ty-
pen.

Zweck hinlänglich seyn, nur noch kurz zu bemerken, daſs diese Haupttypen in
untergeordneten Formen abändern, wie Variationen auf ein Thema. So sind die
Glieder der gegliederten Reihe bald mehr gleich unter sich, gleichsam an einen
Faden aufgereiht, bald mehr um einen Mittelpunkt gesammelt. Auf diese Weise
bilden sich Variationen der Haupttypen, die man sich als um ihn gelagert denken
kann und von denen einige ihm näher stehen, wenn sie den Character der Haupt-
typen reiner darstellen, andere mehr von ihm abweichen. Diese untergeordneten
Typen, verbunden mit einem bestimmten Grade der Ausbildung, geben das, was
wir Thierklassen nennen. Dabei wird bald das eine, bald das andere Lebens-
verhältniſs mehr ausgebildet, oder richtiger: die Ausbildung des Lebens nach
dieser oder jener Richtung erzeugt eben die Variationen der Haupttypen, wie diese
selbst wesentlich in ihren Lebenserscheinungen verschieden sind. So sind offen-
bar unter den Wirbelthieren die Vögel diejenigen, in welchen die Beziehung zur
Luft vorherrschend ist. Sie durchzieht ihren ganzen Körper und für sie sind die
vordern Bewegungsorgane organisirt. Eben so die wahren geflügelten Insecten
in der Reihe der gegliederten Thiere. Die Thierklassen theilen sich wieder in
geringere Variationen, die wir Familien nennen, welche nicht nur den Haupt-
typus, sondern auch den Typus der Klasse mit besondern Modificationen tragen,
wodurch sich der Character der Familie bildet. Modificationen geringern Gra-
des in diesem Familien-Character geben die Gattungen. So geht es fort bis zu
den Arten und Abarten.

Wenn es richtig ist, daſs alle gröſsern und kleinern Gruppen von Thieren
auf einem doppelten Verhältniſs beruhen, dem der höhern oder geringern Ausbil-
dung und der Variation der Haupttypen in Verschiedenheiten geringern Grades,
und dieser wieder weiter, so ist eine einreihige Fortbildung des Thiers im gan-
zen Thierreiche eine unrichtige Vorstellung.

§. 4.
Anwendung dieser Darstellung auf die Geschichte der individuellen Entwickelung.

Machen wir nun von dieser Uebersicht der bleibenden Formverhältnissea. Der Em-
bryo erreicht
allmählig
eine immer
höhere Stufe
der Ausbil-
dung.

unter den verschiedenen ausgebildeten Thieren auf die Bildungsgeschichte der
einzelnen Individuen die Anwendung!

E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0249" n="219"/>
            <p>Genug für den Beweis, da&#x017F;s im plastischen Theile der Wirbelthiere die<lb/>
organische Strömung vorherrschend nach rechts geht, um zu erhärten, da&#x017F;s die<lb/>
Verhältnisse des Molluskentypus in dieser Hälfte des Wirbelthiers walten.</p><lb/>
            <p>Wir sind nun die vier Haupttypen durchgegangen, und es wird für unsern<note place="right"><hi rendition="#i">&#x03BA;.</hi> Unterge-<lb/>
ordnete Ty-<lb/>
pen.</note><lb/>
Zweck hinlänglich seyn, nur noch kurz zu bemerken, da&#x017F;s diese Haupttypen in<lb/>
untergeordneten Formen abändern, wie Variationen auf ein Thema. So sind die<lb/>
Glieder der gegliederten Reihe bald mehr gleich unter sich, gleichsam an einen<lb/>
Faden aufgereiht, bald mehr um einen Mittelpunkt gesammelt. Auf diese Weise<lb/>
bilden sich Variationen der Haupttypen, die man sich als um ihn gelagert denken<lb/>
kann und von denen einige ihm näher stehen, wenn sie den Character der Haupt-<lb/>
typen reiner darstellen, andere mehr von ihm abweichen. Diese untergeordneten<lb/>
Typen, verbunden mit einem bestimmten Grade der Ausbildung, geben das, was<lb/>
wir Thierklassen nennen. Dabei wird bald das eine, bald das andere Lebens-<lb/>
verhältni&#x017F;s mehr ausgebildet, oder richtiger: die Ausbildung des Lebens nach<lb/>
dieser oder jener Richtung erzeugt eben die Variationen der Haupttypen, wie diese<lb/>
selbst wesentlich in ihren Lebenserscheinungen verschieden sind. So sind offen-<lb/>
bar unter den Wirbelthieren die Vögel diejenigen, in welchen die Beziehung zur<lb/>
Luft vorherrschend ist. Sie durchzieht ihren ganzen Körper und für sie sind die<lb/>
vordern Bewegungsorgane organisirt. Eben so die wahren geflügelten Insecten<lb/>
in der Reihe der gegliederten Thiere. Die Thierklassen theilen sich wieder in<lb/>
geringere Variationen, die wir Familien nennen, welche nicht nur den Haupt-<lb/>
typus, sondern auch den Typus der Klasse mit besondern Modificationen tragen,<lb/>
wodurch sich der Character der Familie bildet. Modificationen geringern Gra-<lb/>
des in diesem Familien-Character geben die Gattungen. So geht es fort bis zu<lb/>
den Arten und Abarten.</p><lb/>
            <p>Wenn es richtig ist, da&#x017F;s alle grö&#x017F;sern und kleinern Gruppen von Thieren<lb/>
auf einem doppelten Verhältni&#x017F;s beruhen, dem der höhern oder geringern Ausbil-<lb/>
dung und der Variation der Haupttypen in Verschiedenheiten geringern Grades,<lb/>
und dieser wieder weiter, so ist eine einreihige Fortbildung des Thiers im gan-<lb/>
zen Thierreiche eine unrichtige Vorstellung.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.<lb/><hi rendition="#i">Anwendung dieser Darstellung auf die Geschichte der individuellen Entwickelung.</hi></head><lb/>
            <p>Machen wir nun von dieser Uebersicht der bleibenden Formverhältnisse<note place="right"><hi rendition="#i">a.</hi> Der Em-<lb/>
bryo erreicht<lb/>
allmählig<lb/>
eine immer<lb/>
höhere Stufe<lb/>
der Ausbil-<lb/>
dung.</note><lb/>
unter den verschiedenen ausgebildeten Thieren auf die Bildungsgeschichte der<lb/>
einzelnen Individuen die Anwendung!</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0249] Genug für den Beweis, daſs im plastischen Theile der Wirbelthiere die organische Strömung vorherrschend nach rechts geht, um zu erhärten, daſs die Verhältnisse des Molluskentypus in dieser Hälfte des Wirbelthiers walten. Wir sind nun die vier Haupttypen durchgegangen, und es wird für unsern Zweck hinlänglich seyn, nur noch kurz zu bemerken, daſs diese Haupttypen in untergeordneten Formen abändern, wie Variationen auf ein Thema. So sind die Glieder der gegliederten Reihe bald mehr gleich unter sich, gleichsam an einen Faden aufgereiht, bald mehr um einen Mittelpunkt gesammelt. Auf diese Weise bilden sich Variationen der Haupttypen, die man sich als um ihn gelagert denken kann und von denen einige ihm näher stehen, wenn sie den Character der Haupt- typen reiner darstellen, andere mehr von ihm abweichen. Diese untergeordneten Typen, verbunden mit einem bestimmten Grade der Ausbildung, geben das, was wir Thierklassen nennen. Dabei wird bald das eine, bald das andere Lebens- verhältniſs mehr ausgebildet, oder richtiger: die Ausbildung des Lebens nach dieser oder jener Richtung erzeugt eben die Variationen der Haupttypen, wie diese selbst wesentlich in ihren Lebenserscheinungen verschieden sind. So sind offen- bar unter den Wirbelthieren die Vögel diejenigen, in welchen die Beziehung zur Luft vorherrschend ist. Sie durchzieht ihren ganzen Körper und für sie sind die vordern Bewegungsorgane organisirt. Eben so die wahren geflügelten Insecten in der Reihe der gegliederten Thiere. Die Thierklassen theilen sich wieder in geringere Variationen, die wir Familien nennen, welche nicht nur den Haupt- typus, sondern auch den Typus der Klasse mit besondern Modificationen tragen, wodurch sich der Character der Familie bildet. Modificationen geringern Gra- des in diesem Familien-Character geben die Gattungen. So geht es fort bis zu den Arten und Abarten. κ. Unterge- ordnete Ty- pen. Wenn es richtig ist, daſs alle gröſsern und kleinern Gruppen von Thieren auf einem doppelten Verhältniſs beruhen, dem der höhern oder geringern Ausbil- dung und der Variation der Haupttypen in Verschiedenheiten geringern Grades, und dieser wieder weiter, so ist eine einreihige Fortbildung des Thiers im gan- zen Thierreiche eine unrichtige Vorstellung. §. 4. Anwendung dieser Darstellung auf die Geschichte der individuellen Entwickelung. Machen wir nun von dieser Uebersicht der bleibenden Formverhältnisse unter den verschiedenen ausgebildeten Thieren auf die Bildungsgeschichte der einzelnen Individuen die Anwendung! a. Der Em- bryo erreicht allmählig eine immer höhere Stufe der Ausbil- dung. E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/249
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/249>, abgerufen am 24.11.2024.