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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Thieren *) steht. Ich wähle die schiefe Stellung des Herzens, um an ihr zu
zeigen, wie die starke Ausbildung der Verhältnisse der Strömung in einem vor-
herrschenden Theile wohl eine entgegengesetzte Strömung in einem abhängigen
Theile desselben Systems erzeugen kann. Das Lungenblut strömt nämlich in den
meisten Thieren ziemlich gerade nach hinten in das linke Herz. Wo aber dieses
sich so stellt, dass es entschieden nach rechts treibt, erhält der Strom des Lungen-
blutes eine geringe Richtung nach links. (Fig. 6. 1'.)

So viel von der Richtung der arteriellen Blutbewegung. Dass auch der
venöse Strom sich nach rechts richtet, ist noch viel deutlicher. Das Blut aus der
linken Seite von der vordern Hälfte des Körpers geht sehr stark nach rechts hin-
über. Wir können daher summarisch den venösen Blutstrom aus dem vordern
Theile des Körpers mit dem Pfeile 2 bezeichnen. Dass auch von hinten das
Venenblut nach rechts sich bewegt, lehrt die Ablenkung der hintern Hohlvene
nach rechts, je weiter sie vorrückt, so wie die Gestaltung des Rippenvenen-
stammes. Der Pfeil 3 repräsentirt diese Strömung.

Sie ist noch deutlicher im Pfortadersysteme (4).

b. Athmungs-
apparat.

Den Athmungsapparat finden wir, we[nn] wir einen Blick auf die gesammte
Thierreihe werfen, bald an das ingestive, bald an das egestive Ende des Leibes
geknüpft, bald der Länge nach zwischen beiden Extremen vertheilt. Diese ver-
schiedene Stellung scheint der Athmungsapparat einnehmen zu können, weil seine
Verrichtung sowohl in Ingestion als in Egestion besteht. Sehr nahe liegt die Ver-
muthung, dass in denjenigen Thierformen, in welchen der Athmungsapparat das
vordere Ende einnimmt, dasselbe mehr ingestiv wirkt, dagegen mehr egestiv,
wo er, wie in Holothurien, den meisten Mollusken, einigen Insectenlarven, sich
mit oder neben dem Darme ausmündet. Beziehen wir diese Vermuthung auf die
Umänderung des Blutes selbst, so muss sie freilich noch Vermuthung bleiben,
denn von den wenigsten Thieren können wir für jetzt bestimmen, ob durch das
Athmen das Blut mehr Stoffe aufnimmt, oder mehr Stoffe verliert. Sehr deutlich
scheint es mir aber, dass bei dem nach vorn gelegenen Athmungsapparate wenig-
stens die ingestive Bewegung die bestimmende ist, so wie bei der Lagerung nach
hinten die egestive. In den Holothurien, den Mollusken, den durch das hintere

Ende
*) Die symmetrische Stellung des Herzens wird, wie es scheint, den Vierfüssern zu allgemein zu-
geschrieben. Sie scheint mir nur den Thieren mit zusammengedrückter Brust zuzukommen.
In Thieren mit flacher Brust steht das Herz mehr oder weniger schief und zuweilen im
Embryonenzustande noch mehr als im Erwachsenen. So fand ich noch kürzlich in mehreren
Embryonen von Igeln das Herz sehr stark nach links gerichtet, viel weniger in der Mutter.

Thieren *) steht. Ich wähle die schiefe Stellung des Herzens, um an ihr zu
zeigen, wie die starke Ausbildung der Verhältnisse der Strömung in einem vor-
herrschenden Theile wohl eine entgegengesetzte Strömung in einem abhängigen
Theile desselben Systems erzeugen kann. Das Lungenblut strömt nämlich in den
meisten Thieren ziemlich gerade nach hinten in das linke Herz. Wo aber dieses
sich so stellt, daſs es entschieden nach rechts treibt, erhält der Strom des Lungen-
blutes eine geringe Richtung nach links. (Fig. 6. 1′.)

So viel von der Richtung der arteriellen Blutbewegung. Daſs auch der
venöse Strom sich nach rechts richtet, ist noch viel deutlicher. Das Blut aus der
linken Seite von der vordern Hälfte des Körpers geht sehr stark nach rechts hin-
über. Wir können daher summarisch den venösen Blutstrom aus dem vordern
Theile des Körpers mit dem Pfeile 2 bezeichnen. Daſs auch von hinten das
Venenblut nach rechts sich bewegt, lehrt die Ablenkung der hintern Hohlvene
nach rechts, je weiter sie vorrückt, so wie die Gestaltung des Rippenvenen-
stammes. Der Pfeil 3 repräsentirt diese Strömung.

Sie ist noch deutlicher im Pfortadersysteme (4).

β. Athmungs-
apparat.

Den Athmungsapparat finden wir, we[nn] wir einen Blick auf die gesammte
Thierreihe werfen, bald an das ingestive, bald an das egestive Ende des Leibes
geknüpft, bald der Länge nach zwischen beiden Extremen vertheilt. Diese ver-
schiedene Stellung scheint der Athmungsapparat einnehmen zu können, weil seine
Verrichtung sowohl in Ingestion als in Egestion besteht. Sehr nahe liegt die Ver-
muthung, daſs in denjenigen Thierformen, in welchen der Athmungsapparat das
vordere Ende einnimmt, dasselbe mehr ingestiv wirkt, dagegen mehr egestiv,
wo er, wie in Holothurien, den meisten Mollusken, einigen Insectenlarven, sich
mit oder neben dem Darme ausmündet. Beziehen wir diese Vermuthung auf die
Umänderung des Blutes selbst, so muſs sie freilich noch Vermuthung bleiben,
denn von den wenigsten Thieren können wir für jetzt bestimmen, ob durch das
Athmen das Blut mehr Stoffe aufnimmt, oder mehr Stoffe verliert. Sehr deutlich
scheint es mir aber, daſs bei dem nach vorn gelegenen Athmungsapparate wenig-
stens die ingestive Bewegung die bestimmende ist, so wie bei der Lagerung nach
hinten die egestive. In den Holothurien, den Mollusken, den durch das hintere

Ende
*) Die symmetrische Stellung des Herzens wird, wie es scheint, den Vierfüſsern zu allgemein zu-
geschrieben. Sie scheint mir nur den Thieren mit zusammengedrückter Brust zuzukommen.
In Thieren mit flacher Brust steht das Herz mehr oder weniger schief und zuweilen im
Embryonenzustande noch mehr als im Erwachsenen. So fand ich noch kürzlich in mehreren
Embryonen von Igeln das Herz sehr stark nach links gerichtet, viel weniger in der Mutter.
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[216/0246] Thieren *) steht. Ich wähle die schiefe Stellung des Herzens, um an ihr zu zeigen, wie die starke Ausbildung der Verhältnisse der Strömung in einem vor- herrschenden Theile wohl eine entgegengesetzte Strömung in einem abhängigen Theile desselben Systems erzeugen kann. Das Lungenblut strömt nämlich in den meisten Thieren ziemlich gerade nach hinten in das linke Herz. Wo aber dieses sich so stellt, daſs es entschieden nach rechts treibt, erhält der Strom des Lungen- blutes eine geringe Richtung nach links. (Fig. 6. 1′.) So viel von der Richtung der arteriellen Blutbewegung. Daſs auch der venöse Strom sich nach rechts richtet, ist noch viel deutlicher. Das Blut aus der linken Seite von der vordern Hälfte des Körpers geht sehr stark nach rechts hin- über. Wir können daher summarisch den venösen Blutstrom aus dem vordern Theile des Körpers mit dem Pfeile 2 bezeichnen. Daſs auch von hinten das Venenblut nach rechts sich bewegt, lehrt die Ablenkung der hintern Hohlvene nach rechts, je weiter sie vorrückt, so wie die Gestaltung des Rippenvenen- stammes. Der Pfeil 3 repräsentirt diese Strömung. Sie ist noch deutlicher im Pfortadersysteme (4). Den Athmungsapparat finden wir, wenn wir einen Blick auf die gesammte Thierreihe werfen, bald an das ingestive, bald an das egestive Ende des Leibes geknüpft, bald der Länge nach zwischen beiden Extremen vertheilt. Diese ver- schiedene Stellung scheint der Athmungsapparat einnehmen zu können, weil seine Verrichtung sowohl in Ingestion als in Egestion besteht. Sehr nahe liegt die Ver- muthung, daſs in denjenigen Thierformen, in welchen der Athmungsapparat das vordere Ende einnimmt, dasselbe mehr ingestiv wirkt, dagegen mehr egestiv, wo er, wie in Holothurien, den meisten Mollusken, einigen Insectenlarven, sich mit oder neben dem Darme ausmündet. Beziehen wir diese Vermuthung auf die Umänderung des Blutes selbst, so muſs sie freilich noch Vermuthung bleiben, denn von den wenigsten Thieren können wir für jetzt bestimmen, ob durch das Athmen das Blut mehr Stoffe aufnimmt, oder mehr Stoffe verliert. Sehr deutlich scheint es mir aber, daſs bei dem nach vorn gelegenen Athmungsapparate wenig- stens die ingestive Bewegung die bestimmende ist, so wie bei der Lagerung nach hinten die egestive. In den Holothurien, den Mollusken, den durch das hintere Ende *) Die symmetrische Stellung des Herzens wird, wie es scheint, den Vierfüſsern zu allgemein zu- geschrieben. Sie scheint mir nur den Thieren mit zusammengedrückter Brust zuzukommen. In Thieren mit flacher Brust steht das Herz mehr oder weniger schief und zuweilen im Embryonenzustande noch mehr als im Erwachsenen. So fand ich noch kürzlich in mehreren Embryonen von Igeln das Herz sehr stark nach links gerichtet, viel weniger in der Mutter.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/246>, abgerufen am 24.11.2024.