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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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ches das Rückenmark wenig zu beherrschen vermag. In der Biene ist überall viel
grössere Heterogenität. Das erste verwachsene Ganglienpaar, obgleich kein wirk-
liches Hirn, da wir nur den Theil des Organismus so benennen dürfen, welcher
das vordere Ende eines Rückenmarkes ist, beherrscht doch das übrige Nerven-
system mehr, als das Hirn der Fische, und hat mehr die Bedeutung eines Central-
theiles vom Nervensystem. Ich glaube daher, dass in der That die Biene höher
organisirt ist, als der Fisch, obgleich nach einem andern Typus *).

b. Typus der
Organisa
tion.

Typus nenne ich das Lagerungsverhältniss der organischen Elemente und
der Organe. Dieses Lagerungsverhältniss ist der Ausdruck von gewissen Grund-
verhältnissen in der Richtung der einzelnen Beziehungen des Lebens, z. B. des auf-
nehmenden und ausscheidenden Poles. Der Typus ist von der Stufe der Ausbil-
dung durchaus verschieden, so dass derselbe Typus in mehreren Stufen der Aus-
bildung bestehen kann, und umgekehrt, dieselbe Stufe der Ausbildung in mehreren
Typen erreicht wird. Das Product aus der Stufe der Ausbildung mit dem Typus
giebt erst die einzelnen grössern Gruppen von Thieren, die man Klassen genannt
hat.
In der Verwechselung des Grades der Ausbildung mit dem Typus der Bil-
dung scheint mir der Grund mancher misslungenen Classification und in der offen-
baren Verschiedenheit beider Verhältnisse schon hinlänglicher Beweis zu liegen,
dass die verschiedenen Formen der Thiere nicht eine einseitige Fortbildung von
der Monade bis zum Menschen darstellen.

Ich unterlasse es, dieser Bemerkung weiter zu folgen, da eine nähere Er-
örterung überflüssig wird, wenn es mir gelingt, das, was ich Typus nenne, an-
schaulich zu machen.

Der Typus also ist das Lagerungsverhältniss der Theile. Es lässt sich leicht
erkennen, dass die verschiedenen Typen Medificationen von gewissen Haupttypen
sind, in denen das Lagerungsverhältniss besonders characterisirt ist, und dass
Zwischenformen vorkommen, welche die Charactere der Haupttypen entweder
zu einem Mitteltypus vereinigen, oder bei denen in der einen Hälfte des Leibes
der eine, in einem andern Theile der andere Haupttypus vorherrscht. Diese Zwi-

schen-
*) Man hat schon längst die Bemerkung gemacht, dass unter verwandten Formen diejenigen,
welche im Wasser leben, in Entwickelung der animalischen Functionen im Gegensatze zu den
plastischen hinter den auf dem Lande lebenden zurückbleiben, welche mehr Beweglichkeit und
geistige Anlage verrathen. Sollte der Grund nicht im Wasser selbst liegen? Der Gegensatz
von Nerv und Muskel scheint sich im Wasser nicht so stark zu entwickeln, als bei regerer Wech-
selwirkung mit der Luft. Die Muskeln sind weniger roth und weicher, die Nerven auch we-
niger weiss und consistent. Man kann sich des Bildes nicht erwehren, dass beide aussehen, als
ob sie mit Wasser infiltrirt seyen. Wenn in den Fischen einige Muskeln durch Röthe sich aus-
zeichnen, wie die Kiefermuskeln des Störs, so sind auch die zu ihnen gehenden Nerven weisser,
als die übrigen.

ches das Rückenmark wenig zu beherrschen vermag. In der Biene ist überall viel
gröſsere Heterogenität. Das erste verwachsene Ganglienpaar, obgleich kein wirk-
liches Hirn, da wir nur den Theil des Organismus so benennen dürfen, welcher
das vordere Ende eines Rückenmarkes ist, beherrscht doch das übrige Nerven-
system mehr, als das Hirn der Fische, und hat mehr die Bedeutung eines Central-
theiles vom Nervensystem. Ich glaube daher, daſs in der That die Biene höher
organisirt ist, als der Fisch, obgleich nach einem andern Typus *).

b. Typus der
Organisa
tion.

Typus nenne ich das Lagerungsverhältniſs der organischen Elemente und
der Organe. Dieses Lagerungsverhältniſs ist der Ausdruck von gewissen Grund-
verhältnissen in der Richtung der einzelnen Beziehungen des Lebens, z. B. des auf-
nehmenden und ausscheidenden Poles. Der Typus ist von der Stufe der Ausbil-
dung durchaus verschieden, so daſs derselbe Typus in mehreren Stufen der Aus-
bildung bestehen kann, und umgekehrt, dieselbe Stufe der Ausbildung in mehreren
Typen erreicht wird. Das Product aus der Stufe der Ausbildung mit dem Typus
giebt erst die einzelnen gröſsern Gruppen von Thieren, die man Klassen genannt
hat.
In der Verwechselung des Grades der Ausbildung mit dem Typus der Bil-
dung scheint mir der Grund mancher miſslungenen Classification und in der offen-
baren Verschiedenheit beider Verhältnisse schon hinlänglicher Beweis zu liegen,
daſs die verschiedenen Formen der Thiere nicht eine einseitige Fortbildung von
der Monade bis zum Menschen darstellen.

Ich unterlasse es, dieser Bemerkung weiter zu folgen, da eine nähere Er-
örterung überflüssig wird, wenn es mir gelingt, das, was ich Typus nenne, an-
schaulich zu machen.

Der Typus also ist das Lagerungsverhältniſs der Theile. Es läſst sich leicht
erkennen, daſs die verschiedenen Typen Medificationen von gewissen Haupttypen
sind, in denen das Lagerungsverhältniſs besonders characterisirt ist, und daſs
Zwischenformen vorkommen, welche die Charactere der Haupttypen entweder
zu einem Mitteltypus vereinigen, oder bei denen in der einen Hälfte des Leibes
der eine, in einem andern Theile der andere Haupttypus vorherrscht. Diese Zwi-

schen-
*) Man hat schon längst die Bemerkung gemacht, daſs unter verwandten Formen diejenigen,
welche im Wasser leben, in Entwickelung der animalischen Functionen im Gegensatze zu den
plastischen hinter den auf dem Lande lebenden zurückbleiben, welche mehr Beweglichkeit und
geistige Anlage verrathen. Sollte der Grund nicht im Wasser selbst liegen? Der Gegensatz
von Nerv und Muskel scheint sich im Wasser nicht so stark zu entwickeln, als bei regerer Wech-
selwirkung mit der Luft. Die Muskeln sind weniger roth und weicher, die Nerven auch we-
niger weiſs und consistent. Man kann sich des Bildes nicht erwehren, daſs beide aussehen, als
ob sie mit Wasser infiltrirt seyen. Wenn in den Fischen einige Muskeln durch Röthe sich aus-
zeichnen, wie die Kiefermuskeln des Störs, so sind auch die zu ihnen gehenden Nerven weiſser,
als die übrigen.
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[208/0238] ches das Rückenmark wenig zu beherrschen vermag. In der Biene ist überall viel gröſsere Heterogenität. Das erste verwachsene Ganglienpaar, obgleich kein wirk- liches Hirn, da wir nur den Theil des Organismus so benennen dürfen, welcher das vordere Ende eines Rückenmarkes ist, beherrscht doch das übrige Nerven- system mehr, als das Hirn der Fische, und hat mehr die Bedeutung eines Central- theiles vom Nervensystem. Ich glaube daher, daſs in der That die Biene höher organisirt ist, als der Fisch, obgleich nach einem andern Typus *). Typus nenne ich das Lagerungsverhältniſs der organischen Elemente und der Organe. Dieses Lagerungsverhältniſs ist der Ausdruck von gewissen Grund- verhältnissen in der Richtung der einzelnen Beziehungen des Lebens, z. B. des auf- nehmenden und ausscheidenden Poles. Der Typus ist von der Stufe der Ausbil- dung durchaus verschieden, so daſs derselbe Typus in mehreren Stufen der Aus- bildung bestehen kann, und umgekehrt, dieselbe Stufe der Ausbildung in mehreren Typen erreicht wird. Das Product aus der Stufe der Ausbildung mit dem Typus giebt erst die einzelnen gröſsern Gruppen von Thieren, die man Klassen genannt hat. In der Verwechselung des Grades der Ausbildung mit dem Typus der Bil- dung scheint mir der Grund mancher miſslungenen Classification und in der offen- baren Verschiedenheit beider Verhältnisse schon hinlänglicher Beweis zu liegen, daſs die verschiedenen Formen der Thiere nicht eine einseitige Fortbildung von der Monade bis zum Menschen darstellen. Ich unterlasse es, dieser Bemerkung weiter zu folgen, da eine nähere Er- örterung überflüssig wird, wenn es mir gelingt, das, was ich Typus nenne, an- schaulich zu machen. Der Typus also ist das Lagerungsverhältniſs der Theile. Es läſst sich leicht erkennen, daſs die verschiedenen Typen Medificationen von gewissen Haupttypen sind, in denen das Lagerungsverhältniſs besonders characterisirt ist, und daſs Zwischenformen vorkommen, welche die Charactere der Haupttypen entweder zu einem Mitteltypus vereinigen, oder bei denen in der einen Hälfte des Leibes der eine, in einem andern Theile der andere Haupttypus vorherrscht. Diese Zwi- schen- *) Man hat schon längst die Bemerkung gemacht, daſs unter verwandten Formen diejenigen, welche im Wasser leben, in Entwickelung der animalischen Functionen im Gegensatze zu den plastischen hinter den auf dem Lande lebenden zurückbleiben, welche mehr Beweglichkeit und geistige Anlage verrathen. Sollte der Grund nicht im Wasser selbst liegen? Der Gegensatz von Nerv und Muskel scheint sich im Wasser nicht so stark zu entwickeln, als bei regerer Wech- selwirkung mit der Luft. Die Muskeln sind weniger roth und weicher, die Nerven auch we- niger weiſs und consistent. Man kann sich des Bildes nicht erwehren, daſs beide aussehen, als ob sie mit Wasser infiltrirt seyen. Wenn in den Fischen einige Muskeln durch Röthe sich aus- zeichnen, wie die Kiefermuskeln des Störs, so sind auch die zu ihnen gehenden Nerven weiſser, als die übrigen.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/238>, abgerufen am 25.11.2024.