Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.Uebertreibungen gerichtet, zum Theil schwach, da sie nicht auf eigene und sorg- Endlich musste in neuester Zeit die Lehre von der Uebereinstimmung der §. 2. a. Zweifel.Zweifel und Einwürfe. Schou früh war meine Aufmerksamkeit auf das gegenseitige Verhältniss Ich lernte daher diese Lehre mit Misstrauen betrachten, und hatte sie bei Es kommt hier nur auf die Frage an, ob die Entwickelung eines Thiers im Wesentli- chen darin begründet ist, die Organisation bleibender Thierformen, die man als weniger ent- wickelt betrachten kann, zu durchlanfen, oder mit andern Worten, ob die periodischen Ver- schiedenheiten des Individuums und die Organisationsverschiedenheiten des ganzen Thierrei- ches auf einander zurückgeführt werden können. Hiermit hängt nothwendig die Frage zusam- men, worin die Organisationsverschiedenheiten des gesammten Thierreiches begründet sind. *) Dissertatio de fassilibus mammalium reliquiis. Regiomont 1823. 4t[e], an welche die thesis.
angehängt ist: Legem a naturae scrutatoribus proclamatam "evolutionem, quam prima actate Uebertreibungen gerichtet, zum Theil schwach, da sie nicht auf eigene und sorg- Endlich muſste in neuester Zeit die Lehre von der Uebereinstimmung der §. 2. a. Zweifel.Zweifel und Einwürfe. Schou früh war meine Aufmerksamkeit auf das gegenseitige Verhältniſs Ich lernte daher diese Lehre mit Miſstrauen betrachten, und hatte sie bei Es kommt hier nur auf die Frage an, ob die Entwickelung eines Thiers im Wesentli- chen darin begründet ist, die Organisation bleibender Thierformen, die man als weniger ent- wickelt betrachten kann, zu durchlanfen, oder mit andern Worten, ob die periodischen Ver- schiedenheiten des Individuums und die Organisationsverschiedenheiten des ganzen Thierrei- ches auf einander zurückgeführt werden können. Hiermit hängt nothwendig die Frage zusam- men, worin die Organisationsverschiedenheiten des gesammten Thierreiches begründet sind. *) Dissertatio de fassilibus mammalium reliquiis. Regiomont 1823. 4t[e], an welche die thesis.
angehängt ist: Legem a naturae scrutatoribus proclamatam „evolutionem, quam prima actate <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0232" n="202"/> Uebertreibungen gerichtet, zum Theil schwach, da sie nicht auf eigene und sorg-<lb/> fältig an der Ausbildung derselben Thierform gemachte Beobachtungen sich stützen<lb/> konnten. Einzelne Ausnahmen muſsten auch nun wenig Gewicht haben, ohne<lb/> Einsetzung einer andern durchgreifenden Lehre. Da die allmählige Hervorbil-<lb/> dung des Embryo aus einer zarten homogenen Masse zu gewaltig an die Leibes-<lb/> beschaffenheit der niedersten Thiere erinnerte, so muſsten alle Einwürfe als nur<lb/> gegen unbedeutende Kleinigkeiten verschwendet erscheinen, wenn man nicht,<lb/> diese Uebereinstimmung anerkennend, noch ein anderes, verschiedenes Verhält-<lb/> niſs nachzuweisen vermochte.</p><lb/> <p>Endlich muſste in neuester Zeit die Lehre von der Uebereinstimmung der<lb/> individuellen Metamorphose mit der denkbaren Metamorphose des ganzen Thier-<lb/> reiches ein besonderes Gewicht erhalten, als durch <hi rendition="#g">Rathke</hi>’s glänzende Ent-<lb/> deckung Kiemenspalten in den Embryonen der Säugethiere und Vögel nachge-<lb/> wiesen und bald darauf sogar die Gefäſse dazu aufgefunden wurden.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 2.<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Zweifel und Einwürfe.</hi></hi></head><lb/> <note place="left"><hi rendition="#i">a.</hi> Zweifel.</note> <p>Schou früh war meine Aufmerksamkeit auf das gegenseitige Verhältniſs<lb/> der bleibenden Thierformen gerichtet, und was mir dabei zuerst zur Evidenz<lb/> wurde, war, daſs dieses Verhältniſs auf keinen Fall als einreihige Fortbildung<lb/> betrachtet werden könne. Eine einreihige Fortbildung, wenn auch nur als logi-<lb/> scher Begriff, scheint aber für die bleibenden Thierformen ganz nothwendig,<lb/> wenn sie sich in der Entwickelung des Individuums wiederholen soll.</p><lb/> <p>Ich lernte daher diese Lehre mit Miſstrauen betrachten, und hatte sie bei<lb/> Untersuchungen des Hühnchens im Auge, überzeugt, die fortgesetzte Beobachtung<lb/> der Entwickelung Einer Thierart müsse ein sichereres Urtheil geben, als eine<lb/> Menge einzelner, nicht zusammenhängender Vergleichungen. Da nun meine<lb/> Untersuchungen mich überzeugten, daſs der wesentliche Character des Wirbel-<lb/> thiers ungemein früh im Hühnchen auftritt und die ganze Entwickelungsgeschichte<lb/> beherrscht, so wählte ich bereits im Jahre 1823 meine Zweifel zum Gegenstande<lb/> eines akademischen Streitsatzes <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Dissertatio de fassilibus mammalium reliquiis. Regiomont</hi> 1823. 4<hi rendition="#sup">t<supplied>e</supplied></hi>, an welche die <hi rendition="#i">thesis.</hi><lb/> angehängt ist: <hi rendition="#i">Legem a naturae scrutatoribus proclamatam</hi> „<hi rendition="#i">evolutionem, quam prima actate</hi></note>. Indessen schien es passend, nicht früher öf-<lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="*)">Es kommt hier nur auf die Frage an, ob die Entwickelung eines Thiers im Wesentli-<lb/> chen darin begründet ist, die Organisation bleibender Thierformen, die man als weniger ent-<lb/> wickelt betrachten kann, zu durchlanfen, oder mit andern Worten, ob die periodischen Ver-<lb/> schiedenheiten des Individuums und die Organisationsverschiedenheiten des ganzen Thierrei-<lb/> ches auf einander zurückgeführt werden können. Hiermit hängt nothwendig die Frage zusam-<lb/> men, worin die Organisationsverschiedenheiten des gesammten Thierreiches begründet sind.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0232]
Uebertreibungen gerichtet, zum Theil schwach, da sie nicht auf eigene und sorg-
fältig an der Ausbildung derselben Thierform gemachte Beobachtungen sich stützen
konnten. Einzelne Ausnahmen muſsten auch nun wenig Gewicht haben, ohne
Einsetzung einer andern durchgreifenden Lehre. Da die allmählige Hervorbil-
dung des Embryo aus einer zarten homogenen Masse zu gewaltig an die Leibes-
beschaffenheit der niedersten Thiere erinnerte, so muſsten alle Einwürfe als nur
gegen unbedeutende Kleinigkeiten verschwendet erscheinen, wenn man nicht,
diese Uebereinstimmung anerkennend, noch ein anderes, verschiedenes Verhält-
niſs nachzuweisen vermochte.
Endlich muſste in neuester Zeit die Lehre von der Uebereinstimmung der
individuellen Metamorphose mit der denkbaren Metamorphose des ganzen Thier-
reiches ein besonderes Gewicht erhalten, als durch Rathke’s glänzende Ent-
deckung Kiemenspalten in den Embryonen der Säugethiere und Vögel nachge-
wiesen und bald darauf sogar die Gefäſse dazu aufgefunden wurden.
§. 2.
Zweifel und Einwürfe.
Schou früh war meine Aufmerksamkeit auf das gegenseitige Verhältniſs
der bleibenden Thierformen gerichtet, und was mir dabei zuerst zur Evidenz
wurde, war, daſs dieses Verhältniſs auf keinen Fall als einreihige Fortbildung
betrachtet werden könne. Eine einreihige Fortbildung, wenn auch nur als logi-
scher Begriff, scheint aber für die bleibenden Thierformen ganz nothwendig,
wenn sie sich in der Entwickelung des Individuums wiederholen soll.
Ich lernte daher diese Lehre mit Miſstrauen betrachten, und hatte sie bei
Untersuchungen des Hühnchens im Auge, überzeugt, die fortgesetzte Beobachtung
der Entwickelung Einer Thierart müsse ein sichereres Urtheil geben, als eine
Menge einzelner, nicht zusammenhängender Vergleichungen. Da nun meine
Untersuchungen mich überzeugten, daſs der wesentliche Character des Wirbel-
thiers ungemein früh im Hühnchen auftritt und die ganze Entwickelungsgeschichte
beherrscht, so wählte ich bereits im Jahre 1823 meine Zweifel zum Gegenstande
eines akademischen Streitsatzes *). Indessen schien es passend, nicht früher öf-
*)
*) Dissertatio de fassilibus mammalium reliquiis. Regiomont 1823. 4te, an welche die thesis.
angehängt ist: Legem a naturae scrutatoribus proclamatam „evolutionem, quam prima actate
*) Es kommt hier nur auf die Frage an, ob die Entwickelung eines Thiers im Wesentli-
chen darin begründet ist, die Organisation bleibender Thierformen, die man als weniger ent-
wickelt betrachten kann, zu durchlanfen, oder mit andern Worten, ob die periodischen Ver-
schiedenheiten des Individuums und die Organisationsverschiedenheiten des ganzen Thierrei-
ches auf einander zurückgeführt werden können. Hiermit hängt nothwendig die Frage zusam-
men, worin die Organisationsverschiedenheiten des gesammten Thierreiches begründet sind.
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